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02.02.2007 WM 2007

Kieler Nachrichten: Weiner raubte den Dänen den Nerv

"Kranke" Polen hatten am Ende des Halbfinales die größere Kraft

Aus den Kieler Nachrichten vom 02.02.2007:

Hamburg - Der deutsche Gegner im Finale der XX. Handball-Weltmeisterschaft heißt Polen. Das Team von Bogdan Wenta setzte sich gestern Abend vor 13 050 Zuschauern in der Hamburger Color-Line-Arena nach deutschem Vorbild erst in der zweiten Verlängerung gegen Dänemark mit 36:33 (26:26, 14:15) durch.
Eigentlich hatten die Polen keine Chance. Ein Magen- und Darmvirus hatte sich in der Mannschaft eingenistet und Marcin Lijewski, Grzegorz Tkaczyk sowie Torwart-Titan Slawomir Szmal aus der Bahn geworfen. Alle drei fehlten am Morgen vor dem Halbfinale beim Abschlusstraining, am Abend schleppten sie sich in die Halle. Blass und platt. Vor allem Szmal, der mit einer Quote von 39 Prozent bis dato ein überragendes Turnier abgeliefert hatte, fand gar nicht in die Partie. Bei den Dänen war dagegen wieder Joachim Boldsen an Bord. Der Flensburger hatte sich im Viertelfinale (42:41) gegen Island frühzeitig eine Sehne eingeklemmt und den dramatischen Verlauf nur als Zuschauer erlebt.

Polen mit Virus, Dänemark mit Boldsen - die Trümpfe waren verteilt. Doch das Team von Bodgan Wenta bewies erneut ein großes Herz. Mit 12:9 führten sie in der ersten Halbzeit, weil die dänische Abwehr Karol Bielecki nicht in den Griff bekam, der im Mittelalter auch ein brauchbares Katapult abgegeben hätte. Verlassen konnten sich die Polen zudem auf Adam Weiner, der im Schatten von Szmal die WM bislang nur als Tourist erlebte hatte. Aber gestern stand der Torhüter des Bundesligisten Wilhelmshavener HV im Rampenlicht. Weiner parierte mit großer Selbstverständlichkeit auch die harten Würfe von Lars Möller Madsen, der gegen Island noch mit einer unglaublichen Bilanz (9 Würfe/9 Tore) brilliert hatte. Wie sehr der reichlich unbekannte 2,05-Meter-Mann die Polen beunruhigt hatte, wurde an den hektischen Reaktionen von Wenta deutlich, der Madsen mit wilder Gestik erschrecken wollte.

Dänemark gegen Weiner, der zum besten Spieler gekürt werden sollte - dieses Duell nahm nach der Pause kuriose Züge an. Boldsen & Co warfen in den ersten 15 Minuten nur vier Tore. Weil sie in der Abwehr einmal mehr mit unglaublichem Einsatz kämpften, lagen sie dennoch nur 18:19 (46.) zurück. Die Dänen, die ihre Körper vor der WM mit einem Leichtathletiktrainer gestählt hatten, hatten an ihrem Torkreis eine Gummiwand hochgezogen.

Als Lars Christiansen zehn Minuten vor dem Abpfiff zum 21:21 ausglich, gab es kein Halten. Die dänischen Fans, die jeden Spielzug der Polen nun mit einem gellenden Pfeifkonzert zerhackten, holten ihre Helden endgültig aus dem Keller zurück. Doch zwei tolle Treffer von Per Leegaard und ein herrliches Kempa-Tor von Lasse Boesen reichten nicht. Die Polen um den bärenstarken Marcin Lijewski wussten immer eine Antwort. Als Bielecki - wer sonst - Sekunden vor dem Ende zum 26:26 traf, ging auch das zweite Halbfinale in die Verlängerung. Dann wand sich Kreisläufer Bartosz Jurecki wie ein Aal um die mächtige Beine von Boldsen und traf mit dem Pausenpfiff zum 29:27. Da wurde zum ersten Mal deutlich, dass auch polnische Fans in der Halle waren - die Dänen standen unter Schock.

Nun wachte Torhüter Kasper Hvidt endlich auf und Madsen traf. Mit zwei Würfen der Marke "Urgewalt" rettete er die Seinen in die zweite Verlängerung, in der die Polen allerdings die besseren Nerven bewiesen. Sören Stryger warf freistehend zwei Meter über das Tor, Tkaczyk überlistete Hvidt mit einem Kullerball - Kleinigkeiten entschieden letztlich ein irres Duell, das zwei Sieger verdient gehabt hätte.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 02.02.2007)


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