09.05.2008 | Champions League |
Dabei ist der Mann ziemlich müde. Als der THW Kiel vor zehn Tagen in Berlin nur zu einem glücklichen 27:26-Sieg kam, schien Karabatic die Kraft verlassen zu haben. Und im Heimspiel gegen Nordhorn wunderte sich THW-Coach Noka Serdarusic darüber, dass Karabatic sich ohne Proteste habe auswechseln lassen. "Das ist bezeichnend für seinen Fitnesszustand", meinte Serdarusic. Dennoch legte Karabatic diese monströse Leistung hin. Wie die Szene beim 20:23-Rückstand unter Zeitspiel, als er zwölf Meter vor dem Tor hochstieg und den Ball ins Tor schmetterte, degradierte den gegnerischen Torwart Arpad Sterbik, der zu den besten der Welt gehört, zu einem Statisten. Und brachte Kiel zurück auf die Siegerstraße. Karabatic, der wegen Sprunggelenksschmerzen seit Wochen kaum trainiert, hatte all dies prophezeit: "Natürlich bin ich müde, aber ich spiele die beste Saison, seitdem ich Handball spiele. Und wenn dies das Resultat ist, will ich immer so müde sein."
Der Rechtshänder, der im Sommer 2005 aus Montpellier an die Kieler Förde wechselte, verkörpert jedenfalls eine unfassbare Siegermentalität, explodiert immer im richtigen Moment - die 20 Titel, die er im Alter von 24 Jahren schon gesammelt hat, darunter sechs nationale Meisterschaften und zwei Champions-League-Triumphe, sind beileibe kein Zufall. Dass vor dem Duell der beiden besten Teams der Welt der spanische Meister als "Übermannschaft" und "Weltauswahl" gerühmt wurde, reizte Karabatic nur noch mehr. "Natürlich haben die einige gute Spieler, aber wir auch, und wir sind der Titelverteidiger." Dass die Fachwelt die Spanier als überragende Individualisten einstufte, machte ihn rasend. Er wollte unbedingt allen zeigen, dass er der beste Spieler ist. Und dass der THW das beste Team darstellt.
Gleichzeitig ist er ein wenig Sozialromantiker seines Sports. Als er im vergangenen Jahr ein finanziell traumhaftes Angebot aus Ciudad Real ablehnte und stattdessen bis 2012 in Kiel verlängerte, begründete er dies auch mit der fantastischen Stimmung in der Ostseehalle und in den anderen deutschen Hallen. "Mit dem THW habe ich meinen Traumverein und meine zweite Familie gefunden. Für mich stimmt hier alles: die Fans, die Halle, meine Kollegen, der Trainer, das Umfeld, die Stadt - es ist aus meiner Sicht alles absolut perfekt", sagte er.
Natürlich musste sich der THW Kiel auch strecken, um seinen Superstar zu halten. Als Manager Uwe Schwenker den Klubgesellschaftern die Konditionen für die Vertragsverlängerung vorlegte, musste manch einer von ihnen schlucken. Gut eine halbe Million Euro brutto jährlich, "das war eine neue Dimension", sagte Georg Wegner, der Deutsche Meister von 1962 und 1963. "Aber für mich war das angesichts seiner körperlichen und mentalen Stärke ein überschaubares Risiko", erklärt Schwenker. "Meine Philosophie ist ohnehin die: Wenn ein Spieler billig ist, dann ist er letztendlich doch teuer." Weil er den Klub nicht voranbringe. Das Investment Karabatic habe sich für alle Beteiligten gelohnt. Gleichzeitig aber weist Schwenker darauf hin, "dass auch Karabatic eine gut funktionierende Mannschaft braucht". Und ein solches Team ist Kiel, das am Sonntag mit der Titelverteidigung im wichtigsten Klubwettbewerb der Welt Geschichte schreiben kann.
(von Erik Eggers, aus den Kieler Nachrichten vom 09.05.2008)
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