27./28.04.2008 - Letzte Aktualisierung: 28.04.2008 | Bundesliga |
Update #3 | Spielbericht der KN, weitere Stimmen, Fotos und Spielbericht ergänzt... |
Mattias Andersson hatte mit sechs Paraden in den letzten 14 Minuten großen Anteil am knappen Sieg. |
Vid Kavticnik war mit 5/2 Toren bester THW-Schütze. |
Doch die Gastgeber fingen sich und kamen nun langsam besser ins Spiel. Sie gewöhnten sich auch an die Kieler 5:1-Abwehr mit dem vorgezogenen Dominik Klein, der den gegen den THW sonst oftmals zur Höchstform auflaufenden Christian Caillat völlig ausschaltete. Die Tore machten dafür aber andere: Dem starken polnischen Spielmacher Bartlomiej Jaszka gelang der erste Treffer, dank einiger Paraden von Stochl konnten El Fakharany und Markus Richwien gar auf 3:5 (12.) verkürzen, der THW konterte allerdings mit zwei schnellen Treffern von Lövgren und Karabatic zum 7:3.
Petr Stochl stellte den THW mit 24/4 Paraden vor riesige Probleme. |
Allerdings versprach die Halbzeitpause keineswegs eine Besserung im Kieler Angriffsspiel: Anspiele auf Marcus Ahlm wurden von den Berlinern stets clever unterbunden, oftmals führten sie auch zu Gegenstößen, die der starke Wilczynski immer wieder zu nutzen wusste. Zudem war die Siebenmeter-Schwäche zum THW zurückgekehrt, nur 5 von 10 Strafwürfen konnten die Kieler verwandeln. So scheiterte
Nikola Karabatic traf für den THW dreimal. |
Bartlomiej Jaszka traf für Berlin viermal. |
Doch die Kieler setzten nun alles auf eine Karte, Serdarusic brachte Börge Lund zur Stabiliserung der Abwehr und Mattias Andersson für Thierry Omeyer. Der Schwede führte sich nach dem 24:18 durch Jaszka auch gleich gut ein und leitete mit seinen Paraden die Aufholjagd der Kieler ein. Kavticnik per Siebenmeter, Börge Lund und Kim Andersson verkürzten schnell auf 21:24, nun nahm Lommel seine Auszeit.
Viktor Szilagyi traf in den letzten Minuten dreimal, darunter den Siegtreffer in der letzten Sekunde. |
Henrik Lundström erzielte in der Schlussphase zwei wichtige Treffer. |
Die entscheidende Szene: Viktor Szilagyi bekommt den Ball, wirft aus 12 Metern und überwindet Petr Stochl. |
Der THW Kiel verteidigt mit ganz viel Glück die Tabellenführung und kann damit weiterhin aus eigener Kraft deutscher Meister werden. Die nächste schwere Aufgabe wartet allerdings schon: Bereits am Mittwoch empfangen die Zebras den Tabellenfünften HSG Nordhorn - die Mannschaft, die dem THW am 1. Dezember 2007 die letzte Bundesliga-Niederlage zufügen konnte...
(Sascha Krokowski)
Riesenjubel bei den Zebras nach dem Sieg in letzter Sekunde. |
Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten
und die Nachbetrachtung der Kieler Nachrichten vom 29.04..
Es fällt schwer, etwas nach so einem Spiel zu sagen, denn so etwas gibt es nicht jeden Tag. Wir haben normal angefangen, nach fünf Minuten mit 3:0 geführt. In den ersten 30 Minuten war unser Engagement ordentlich.Nach fünf Minuten in der zweiten Halbzeit war es im Angriff ähnlich wie zuvor gegen Lemgo und Essen, danach gab es sogar noch eine "Steigerung". So lagen wir nach fünfzehn Minuten in der zweiten Halbzeit mit 6 Toren zurück, da war das Spiel fast schon entschieden. Wir hatten uns dann vorgenommen, hinten dichtzumachen und vorne volles Tempo, volles Risiko zu gehen. Irgendwie haben wir tatsächlich aufgeholt, dank Mattias Andersson und am Ende Viktor Szilagyi.
Wir hatten heute absoluten Dusel. Man sagt ja, wer so einen Dusel hat, dem kann nichts mehr passieren. Jedoch kann in den nächsten Wochen eine ganze Menge passieren.
[zur Leistung von Berlin:]
Eigentlich sage ich immer nur etwas zur Leistung meiner eigenen Mannschaft. Aber wenn ich sage, dass wir vorne schlecht gespielt haben, dann liegt dies auch an der guten Abwehr der Füchse.[auf die Frage, ob seine Mannschaft mit den Gedanken schon beim CL-Finale gegen Ciudad Real war:]
Wir denken nie an den übernächsten Gegner.
Was soll ich sagen nach so einem Spiel? Man kann sich zwar ärgern, aber es überwiegt die Freude, ein solches Spiel gegen die weltbeste Mannschaft gespielt zu haben.Petr Stochl hat uns sehr weitergeholfen. Aber wenn man dem THW den kleinen Finger reicht, dann nimmt er gleich die ganze Hand. Uns fehlt noch ein bisschen die Coolness - und ein Viktor Szilagyi, der zum Schluss mit drei Schlagwürfen trifft. Dennoch sind wir guten Mutes, dass wir auch in Zukunft unsere Heimstärke unter Beweis stellen können.
Nikola Karabatic im hbl.tv-Interview. |
[Haben Sie es sich so schwer vorgestellt?]
Ja, wir wussten, dass es schwer werden würde, dass Berlin einen guten Handball spielt und einen starken Torhüter hat, aber so hatten wir uns das nicht vorgestellt. Wir wussten, das würde ein enges Spiel, aber dachten nicht, bis zur letzten Sekunde. Stochl hat alles gehalten, das war unfassbar. In der ersten Halbzeit standen wir gut in der Abwehr, in der zweiten eigentlich auch, aber im Angriff haben wir viel zu viel verschossen. Wir müssen Viktor und Mattias danken, durch sie sind wir am Ende zurückgekommen.[Haben Sie noch Kraft?]
Das ist die Frage. Wir wollen alles geben. Es sind ja nur noch drei Wochen. Auch wenn wir totmüde sind, wollen wir alles geben, um kein schlechtes Gewissen zu haben. Mit ein bisschen Glück wird es klappen.
Konrad Wilczynski im hbl.tv-Interview. |
Es ist zu wenig, die Enttäuschung überwiegt. Wenn man 59 Minuten vorne liegt, hat man den Anspruch, das Spiel zu gewinnen. Wenn wir clever spielen, schaffen wir das auch, aber das ist halt die Klasse des THW. Wenn wir gewonnen hätten, hätten wir dem Kielern die Meisterschaft vermiest. Dennoch war es Werbung für den Handball.
Petr Stochl mit seinem Sohn im hbl.tv-Interview. |
Wir hatten heute die Chance, gegen Kiel zu gewinnen oder zumindest ein Unentschieden zu holen, wann bekommt man die wieder? Es war von uns bis zur letzten Minute eine große Leistung, aber die Niederlage ist schon ein wenig schade.[Zum letzten Wurf:]
Ich habe den Wurf spät gesehen. Ich wusste, dass Szilagyi flach werfen würde, weil er das schon zuvor zweimal gemacht hatte, war dann auch unten, aber es war einfach Pech. Für mich ist Kiel die beste Mannschaft der Welt. Sie werden die Meisterschaft gewinnen und auch die Champions League. Glückwunsch!
So etwas habe ich noch nicht erlebt. Mit so einem Spiel wird der THW Meister.
So etwas habe ich noch nie erlebt. Dass Stochl so stark halten kann, wusste ich. Von diesem Spiel können wir lernen, das bringt Moral für die letzten schweren Aufgaben.
Wir waren mit einem Unentschieden am Ende nicht zufrieden, deshalb sind wir volles Risiko gegangen. Natürlich war auch Glück im Spiel, es hat aber auch gezeigt, welche Charaktere in diesem Team stecken.
Wir haben uns sehr schwer getan, außerdem hat Berlins Torhüter sehr stark gehalten, aber wir haben nie aufgegeben, wichtig war, dass wir immer gekämpft haben.
In der zweiten Halbzeit haben wir uns in einen Rausch gespielt, da hat alles geklappt. Wenn man dann fünf Minuten gegen diesen THW nicht aufpasst, passiert so ein Desaster. Wir sind sehr traurig.
Aus den Kieler Nachrichten vom 28.04.2008:
Was für ein Spiel, welch' eine Dramatik, welche Wendung einer Partie, die gestern am frühen Abend nach "normaler" erster Halbzeit nur auf einen Ausgang hinauszulaufen schien: auf die überraschende Niederlage des Bundesliga-Tabellenführers bei Aufsteiger Füchse Berlin, der 30 Minuten lang über sich hinauswuchs und das wahrscheinliche Ende aller Hoffnungen auf die Wiederholung des THW-Triples zu besiegeln schien. Aber die Berliner hatten sich zu früh gefreut, die "Zebras" setzten zu einer fulminanten Aufholjagd an und feierten das nicht mehr für möglich gehaltene Happy-End. "Wir hatten Dusel", freute sich Trainer Noka Serdarusic und konnte das unverhoffte Glück kaum fassen.
Freudentaumel bei den "Zebras", Jubelorgien beim riesigen THW-Fanblock. Vergessen waren die Minuten, in denen sich die Gastgeber in einen wahren Spielrausch gesteigert hatten, vergessen die sensationellen Reflexe von Torhüter Petr Stochl, der mit 24 Paraden zum THW-Schreckgespenst avancierte.
Helden dieser unglaublichen Geschichte waren mit Torhüter Mattias Andersson und Rückraumspieler Viktor Szilagyi ausgerechnet zwei Akteure, die in den vergangenen Monaten eher im Schatten gestanden hatten. "Für mich war es zuletzt eine schwere Zeit, und es ist für jeden Sportler überragend, wenn er solch einen Moment erleben darf", sagte der Österreicher Szilagyi und schnappte nach Luft. "Ich freue mich, dass ich der Mannschaft noch etwas von dem zurückgeben konnte, was sie mir in den zurückliegenden Monaten gegeben hat."
Die 46. Minute: Kjetil Strand traf zur 23:17-Führung für Berlin. Rund 4000 Kieler Fans, die in der ersten Halbzeit die deutliche Stimmhoheit gewonnen hatten, wurden ob der schwachen Kieler Vorstellung ruhig, der Berliner Anhang stand Kopf, die Sensation war greifbar. Serdarusic zog seine letzte Karte, wechselte nacheinander Mattias Andersson, Henrik Lundström, Börge Lund und Szilagyi für die etablierten Kräfte ein. Ein Versuch, das Unmögliche noch zu schaffen. Und tatsächlich kämpften sich die Kieler heran. Tor um Tor. Die Abwehr packte fester zu. Was dennoch durchkam, landete meist an irgendeinem Körperteil des schwedischen Torhüters, der auch in Sachen Körpersprache frischen Wind brachte: Anderssons Becker-Faust schnellte nach jeder Parade Richtung Hallendecke. Gleichzeitig setzte sich endlich auch das bisher lahme Schwungrad im Angriff in Bewegung. Szilagyi düpierte den bis dahin großartigen Stochl mit einem Stemmwurf, Lundström traf nach Tempogegenstößen, Lund vom Kreis und Vid Kavticnik beendete die erneute Siebenmeter-Flaute (sechs von zehn Strafwürfen verworfen) mit zwei Erfolgen von der Strafwurflinie. In der 58. Minute jubelte der THW-Anhang über den 25:25-Ausgleich, der Krimi nahm seinen Lauf: Jaszka traf zur erneuten Füchse-Führung, Szilagyi zum Ausgleich, noch 56 Sekunden, die erneute Chance zum Berliner Sieg. Doch Markus Richwien scheiterte von außen an Mattias Andersson. Beim Versuch, sofort nach vorne zu spielen, griff Wilczynski zum Foul gegen Kim Andersson: Rote Karte, noch sechs Sekunden. Stefan Lövgren kam mit rotem Trikot als siebter Feldspieler, Mattias Andersson ging auf die Bank. Der Ball landete bei Szilagyi, Wurf aus zehn Metern, Aufsetzer. Stochl war dran, fällt aber mit Ball ins Netz. Die Halle, ein Durcheinander aus ungläubigen Gesichtern und jubelnden THW-Fans. "Wer so ein Spiel gewinnt, kann nur Meister werden", staunte Dominik Klein. Dem war nichts hinzuzufügen.
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 28.04.2008)
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