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11./13.10.2008 - Letzte Aktualisierung: 13.10.2008 Bundesliga

THW erklimmt nach Arbeitssieg bei MT Melsungen die Tabellenspitze

Bundesliga, 8. Spieltag: 11.10.2008, Sa., 15.00: MT Melsungen - THW Kiel: 32:39 (15:23)
Update #2 KN-Spielbericht, weitere Stimmen, Fotos und Spielbericht ergänzt...

Der THW Kiel hat nach dem siebten Sieg in Folge erstmals in dieser Saison die Tabellenspitze erobert: Durch einen insgesamt ungefährdeten 39:32 (23:15)-Erfolg bei der MT Melsungen dürfen sich die Zebras für mindestens 24 Stunden die Tabelle von ganz oben anschauen. Die Partie in Kassel entschieden die Kieler dabei dank einer starken Phase zum Ende der ersten Halbzeit frühzeitig für sich, Vid Kavticnik und Nikola Karabatic waren mit jeweils 7/1 Treffern die besten Schützen auf Seiten des THW.
Zahlreiche THW-Fans waren mit nach Kassel gereist.
Klicken Sie zum Vergrößern! Zahlreiche THW-Fans waren mit nach Kassel gereist.
Mit gleich zwei Fanbussen waren die Kieler Schlachtenbummler am Samstagmorgen gen Hessen gestartet, um ihren Verein in der nicht ausverkauften Rothenbach-Halle in Kassel an die Tebellenführung zu jubeln. Zusammen mit vielen einheimischen THW-Fans ergab dies eine Kulisse, die eine Lautstärke fabrizierte, die mit der der Gastgeberfans durchaus mithalten konnte - zumindest wenn die Trommler nicht alles übertönten.

Allerdings gab es in der Anfangsphase nicht viel zu bejubeln für Schwarz-Weiß: Melsungen erwischte den besseren Start, erspielte sich geduldig gute Einwurfmöglichkeiten, die dann zumeist auch konsequent genutzt wurden. Die Zebras hatten zunächst große Mühe, Schritt zu halten, profitierten aber von einem stark auftrumpfenden Kim Andersson, der mit drei Treffern, zwei herausgeholten Siebenmetern und vielen tollen Anspielen seine Mannschaft fast im Alleingang auf Tuchfühlung hielt.
Kim Andersson trumpfte in der  ersten Halbzeit groß auf.
Kim Andersson trumpfte in der ersten Halbzeit groß auf.
Mehr aber auch nicht, denn immer wieder legten die Gastgeber vor, immer wieder war es vor allem Anderssons slowakisches Pendant Daniel Valo, der mit seinen Treffern aus halbrechter Position die Roten in Führung brachte. So auch bei seinem Tor zum 9:8 in der 14. Minute. Die Partie war bis dahin "nur" schnell, aber nicht rasant und bezog die hohe Torquote aus den in der Anfangsphase kaum vorhandenen Torhüterleistungen auf beiden Seiten. Weder Omeyer noch Kelentric konnten sich groß auszeichnen.

Als MT-Regisseur Vladica Stojanovic ebenfalls die defensive Kieler Schwachstelle auf der Halbposition ausgemacht hatte und aus der Valo-Position zum 10:8 traf, reagierte THW-Trainer Gislason, beorderte Jicha aus dem Mittelblock auf diese Nahtstelle und Lund für Lövgren in die Abwehr. Mit Erfolg, die Deckung stand endlich sicherer: Der nächste Valo-Wurf verfehlte das Tor deutlich, ein Anspiel an Kreisläufer Klitgaard wurde unterbunden. Binnen 120 Sekunden sorgten auf der Gegenseite Jicha, Ahlm nach schönem Andersson-Anspiel und Klein per Gegenstoß für die erste THW-Führung.

Thierry Omeyer zeigte 15 Paraden und war immer dann zur Stelle, wenn es nochmal eng zu werden drohte.
Thierry Omeyer zeigte 15 Paraden und war immer dann zur Stelle, wenn es nochmal eng zu werden drohte.
Da Melsungens Goalgetter auf Rechtsaußen, der Grieche Savas Karipidis, nun endlich besser zur Entfaltung kam und Vid Kavticnik gleich zweimal aus aussichtsreicher Position scheiterte, glich Melsungen bei einem Lund-Gegentreffer noch zweimal aus, zudem waren die Hessen nach einer Zeitstrafe gegen Jicha in Überzahl. Doch statt die Initiative im Spiel zurück zu gewinnen, unterliefen den Gastgebern nun leichte Fehler: Ein Stürmerfoul von Karipidis, ein Fehlwurf von Abwehrchef Junillon - so sahen die Offensivbemühungen sechs Melsungener gegen fünf Kieler aus. Die Zebras hingegen trumpften vorne dank Andersson auch in Unterzahl groß auf: Mit einem angetäuschten Sprungwurf zog der Schwede gleich drei Abwehrspieler auf sich und hatte dann das Auge für den frisch eingewechselten und sträflich frei stehenden Nikola Karabatic, der das 13:12 markierte. Als auch noch Vid Kavticnik per Gegenstoß gar auf 14:12 erhöhte, nahm MT-Trainer Robert Hedin seine Auszeit.

Vid Kavticnik erzielte  7/1 Treffer, war besonders in der spielvorentscheidenden Phase nicht zu bremsen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Vid Kavticnik erzielte 7/1 Treffer, war besonders in der spielvorentscheidenden Phase nicht zu bremsen.
Doch trotz des schnellen Anschlusses durch Karipidis war Melsungen nun völlig von der Rolle. Gegen eine nun starke Kieler Abwehr mit einem sich steigernden Thierry Omeyer fehlte nun der Zug zum Tor, die nervösen Gastgeber schenkten den Ball auch mit einigen Fehlpässen schnell her. Sechs Minuten lang sollte den Hessen nicht ein Treffer gelingen, dem THW hingegen gleich deren sechs. Dreimal Kavticnik, zweimal Andersson, einmal Klein - nach 26 Minuten war beim Stand von 20:13 für die Kieler plötzlich ein komfortabler Vorsprung entstanden. Und dieser wurde zur Halbzeit gar noch auf 23:15 ausgebaut. Da Melsungen durch zwei späte Zeitstrafen zudem nur zu viert in den zweiten Durchgang starten durfte, schien sich nun sogar ein Debakel anzudeuten - obwohl die Gastgeber eine ganze Zeit lang sehr überzeugend agierten.

Dominik Klein hatte Mario Kelentric unglücklich im Gesicht getroffen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Dominik Klein hatte Mario Kelentric unglücklich im Gesicht getroffen.
Vielleicht wäre es auch zu einem Debakel gekommen, wenn Dominik Klein seine ersten Chancen nach Wiederanpfiff genutzt hätte. Doch gleich zweimal scheiterte der Nationalspieler von Linksaußen an Mario Kelentric, beim zweiten Wurf traf er den Kroaten auch noch unabsichtlich am Kopf. Plötzlich war Melsungens Torhüter, der vor dem Wechsel kaum einen Ball zu fassen bekam, hellwach. Reihenweise parierte er nun die Würfe der Kieler, kaufte insbesondere Kim Andersson zwei Gegenstöße ab und war auch zwei weitere Male gegen einen ob des Kopftreffers merklich verunsicherten Dominik Klein der Sieger. Als die beidseitig unglücklich pfeifenden Schiedsrichter Prang/Reichl dann auch noch Henrik Lundström wegen abgeblich absichtlichem Fußspiels auf die Strafbank verbannten, Stefan Lövgren einen Siebenmeter am Tor vorbei setzte und Andersson in Manndeckung genommen wurde, robbten sich die Gastgeber mit vier Treffern in Folge wieder auf 23:27 (43.) heran.

Nikola Karabatic, hier beim Strafwurf, machte mit seinen Treffern endgültig "den Sack zu".
Klicken Sie zum Vergrößern! Nikola Karabatic, hier beim Strafwurf, machte mit seinen Treffern endgültig "den Sack zu".
Obwohl die Partie zuvor bereits als vorentschieden galt, schien nun doch noch etwas zu gehen für die Gastgeber. Dies merkten nicht nur die MT-Fans auf der Tribüne, sondern auch THW-Übungsleiter Alfred Gislason, der die starke Phase der Nordhessen mit seiner Auszeit beendete. Denn nun übernahmen wieder seine Zebras das Kommando auf dem Parkett. Insbesondere die beiden Franzosen setzten jetzt Akzente: Thierry Omeyer parierte einen Siebenmeter von Karipidis ebenso wie Würfe von Landsmann Junillon und Tellander, während Karabatic mit drei Treffern in Folge zum 30:23 den endgültigen Knockout für die Melsungener herstellte. Insgesamt gelangen dem Welthandballer gar fünf Treffer binnen sechs Minuten - eine Leistung, die selbst die MT-Fans beeindruckt honorierten.

Letztlich stand ein souveräner Erfolg gegen lange Zeit ebenbürtige Nordhessen zu Buche, die in dieser Verfassung aber nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben dürften. Bereits in den letzten Spielminuten sah man auch beiden Mannschaften an, dass sie Kräfte für die kommenden Aufgaben sparen wollten. Denn während bei Melsungen am nächsten Wochenende durch einen Heimsieg gegen Aufsteiger Stralsund endlich eine positive Kehrtwende eingeleitet werden soll, geht es für den THW bereits am Dienstag um die nächsten Punkte auf dem Weg zur Meisterschaft. Zu Gast sind dann die Berliner Füchse, die zuletzt durch ein Unentschieden in Hamburg für eine weitere Überraschung sorgen konnten.

(Sascha Krokowski)

Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.

Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Alfred Gislason:
Ich bin froh, dass wir hier zwei Punkte mitgenommen haben. Wir haben die ersten zehn bis fünfzehn Minuten nicht so gut gespielt. Melsungen hat sehr viel Druck gemacht, auch unsere Abwehr stand nicht so gut. Was wir dann aber bis zur 30. Minute gespielt haben, war mit Abstand das Beste, was wir in dieser Saison bislang gezeigt haben.

Zur Halbzeit war es sicherlich ein gefährlicher Vorsprung für uns. Wir sind auch ein bisschen langsamer aus der Kabine gekommen, waren nicht so druckvoll wie im ersten Abschnitt. Wir wurden dann aber immer besser und besser, was auch nötig war, weil Melsungen bis zur 45. Minute sehr gut mitgespielt hatte und die Partie somit wieder offen war. Gott sei Dank konnten wir wieder zulegen, obwohl wir sehr viele freie Chancen vergeben haben.

[zur Einwechslung von Börge Lund:]
Seine Einwechslung war mitentscheidend für den Sieg, weil Stefan Lövgren und Filip Jicha Daniel Valo nicht in den Griff bekommen haben. Dies hat mit Börge besser geklappt, er hat uns mehr Qualität verliehen.

[auf die Frage, ob der Einsatz von Karabatic ein Risiko sei:]
Seine Einwechslung heute war notwendig. Nikola hat nur eine Einblutung, es ist nur eine muskuläre Sache. Laut unserer Ärzte sei ein Einsatz daher kein Problem. Nikola hat heute vorne viel Druck gemacht und auch hinten sehr gut gestanden.

[auf die Frage, ob die letzten Siege in Liga und Pokalwettbewerben bereits der Grundstein zu neuen Titeln seien:]
Wir haben ein schweres Programm gut gemeistert. Meiner Meinung nach werden wir immer besser, weil jetzt auch Nikola wieder reinkommt. Wir werden am Ende der Saison sehen, wo wir stehen. Unsere Konzentration gilt nun dem nächsten schweren Spiel gegen Berlin.

[gegenüber hbl.tv:]
Natürlich war es ein schwerer Start gegen Dormagen, aber danach wurde es immer besser und besser. Heute haben wir von der 10. bis zur 30. Minute überragend gespielt, großartig in der Abwehr gestanden und im Angriff ein gutes Spiel gemacht.

In der zweiten Halbzeit haben wie viele klare Chancen vergeben und mit dem komfortablen Vorsprung im Rücken einen Gang herausgenommen, aber gottseidank haben wir dann die Kurve gekriegt. Insgesamt ein sehr gutes Spiel von uns.

Ich habe eine super Mannschaft übernommen, die sehr lange mit Noka zusammengearbeitet hat, das hat mir natürlich das Arbeiten etwas leichter gemacht. Ich arbeite sehr gerne mit der Mannschaft und nach und nach sind wir auch ein eingespieltes Team.

MT-Trainer Robert Hedin:
Wir sind heute sehr gut gestartet, haben diszipliniert gespielt. Dann haben wir aber in Überzahl einfache Fehler gemacht, uns über die Schiedsrichter aufgeregt und somit sieben Tore in Folge kassiert. In der zweiten Halbzeit sah es wider Erwarten noch gut aus.

Ich bin zwar nicht damit zufrieden, dass wir verloren haben. Aber gegen den THW kann man verlieren.

[zur Leistung von Kim Andersson in der Anfangsphase:]
Seine Würfe waren schon Kanonenschläge. Er hat es am Anfang schon ein wenig übertrieben. (lacht)

[gegenüber hbl.tv:]
Es ist nicht schön zu verlieren, trotzdem haben wir ein gutes Spiel gezeigt. Bis zur 20. Minute haben wir ein gutes Spiel gemacht. Jetzt kommen die Spiele, die wir gewinnen können und müssen, und das werden wir auch tun.

THW-Rückraumspieler Nikola Karabatic gegenüber hbl.tv:
Natürlich sind wir sehr zufrieden, wir haben auswärts gewonnen. Melsungen hat eine starke Mannschaft, es ist schwer, hier zu gewinnen.

Es war ein gutes Spiel von uns, besonders in den letzten 20 Minuten der ersten Halbzeit haben wir sehr gut gespielt.

Mit meinem Ellenbogen geht es nicht so gut, aber man muss spielen, so ist der Handball.

[auf die Frage, ob der THW wieder Deutscher Meister wird:]
Ich hoffe es natürlich, aber das ist noch lange hin. Wir werden sehen. Es wird wieder spannend diese Saison...

[gegenüber den KN:]
Die Saison ist lang, ich muss auch verzichten können, denn manchmal wird alles zu viel. Ich hatte Schmerzen im Ellenbogen, aber es hat trotzdem viel Spaß gemacht. Wir hatten den Gegner sehr gut im Griff.

THW-Rückraumspieler Kim Andersson gegenüber den KN:
Ich bin überrascht, dass die MT so weit unten in der Tabelle steht. Kräfteverschleiß? Ich bin so fit wie nie und will einfach nur spielen. Heute habe ich gut getroffen.
MT-Torhüter Mario Kelentric gegenüber den KN:
Wenn der THW kommt, ist es ein Festival für die Zuschauer. Wir holten auf, weil Kiel auf die Bremse getreten und Kraft gespart hat. Und ich habe ein paar Bälle gehalten.
MT-Rückraumspieler Franck Junillon gegenüber den KN:
Nikola Karabatic ist der beste Spieler der Welt, "Titi" Omeyer der vielleicht beste Torwart. Ich war froh, gegen sie zu spielen. Aber gegen den THW braucht jeder 100 Prozent oder mehr. Das war nicht der Fall bei uns.

18. Spieltag: 11.10.08, Sa., 15.00: MT Melsungen - THW Kiel: 32:39 (15:23)

Logo MT Melsungen:
Kelentric (1.-17., 26.-60., 10 Paraden), Herold (17.-26., 1 Parade); Ehlers (n.e.), Junillon (1), Orzlowski, Klitgaard (5), Valo (9), Tellander (4), Tzimourtos (n.e.), Stojanovic (2), Karipidis (8/2), Vuckovic (3); Trainer: Hedin
Logo THW Kiel:
Omeyer (1.-56., 15/1 Paraden), Palicka (56.-60., 1 Parade); Lund (2), Andersson (6), Lundström (2), Kavticnik (7/1), Anic, Lövgren (3/2), Ahlm (4), Zeitz (2), Karabatic (7/1), Klein (3), Jicha (3); Trainer: Gislason
Schiedsrichter:
Uwe Prang (Bergheim) / Uwe Reichl (Köln)
Zeitstrafen:
MT: 4 (Valo (30.,33.), Klitgaard (30.), Vuckovic (53.));
THW: 6 (Ahlm (12.), Jicha (20.), Andersson (28.), Lundström (41.), 2x Zeitz (51.,59.))
Siebenmeter:
MT: 3/2 (Omeyer hält Karipidis (44.));
THW: 5/4 (Lövgren vorbei (40.))
Spielfilm:
1. Hz.: 1:0, 1:1, 3:1, 3:2, 4:2 (4.), 4:4, 6:4, 6:6 (10.), 7:6, 7:7, 8:7, 8:8, 10:8 (15.), 10:11 (17.), 11:11, 11:12, 12:12, 12:14, 13:14 (21.), 13:20 (27.), 14:20, 14:21, 15:21, 15:23;
2. Hz.: 16:23, 16:25 (34.), 17:25, 17:26, 19:26, 19:27 (37.), 23:27 (43.), 23:31 (46.), 24:31, 24:32, 25:32, 25:33, 28:33 (52.), 28:36 (54.), 29:36, 29:37, 31:37, 31:39, 32:39.
Zuschauer:
3730 (Rothenbach-Halle, Kassel)
Spielgraphik:
Spielgraphik

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 13.10.2008:

Gislason, der Puppenspieler

THW-Trainer bewies beim 39:32-Sieg in Melsungen viel taktisches Geschick - Rückkehr von Karabatic
Kassel - Wenn ein Marionettenspieler an Fäden ruckt und seine Puppen zum Leben erweckt, ist das pure Freude. Es ist nur sachtes Drehen und Ziehen, kleine Impulse, doch alles wirkt fantastisch. Alfred Gislason, Trainer des Deutschen Handball-Meisters THW Kiel, war am Sonnabend so etwas wie ein Puppenspieler, der beim 39:32 (23:15) in der Bundesliga bei der MT Melsungen alles richtig machte.

So blieb in der Kasseler Rothenbach-Halle der Eindruck, dass nun auch aus "Zebra"-Team und Trainer eine Einheit geworden sind.

Gislason, der Taktiker, hatte nach einer knappen Viertelstunde gesehen, was alle sahen. Wie sein Kapitän Stefan Lövgren auf der linken Abwehrseite kein Mittel fand gegen den Slowaken Daniel Valo, der immer wieder die Nahtstelle zwischen Lövgren und Filip Jicha aufriss. Als dann auch noch MT-Regisseur Vladica Stojanovic die rechte Seite für sich entdeckte und zum 10:8 traf (15.), reagierte Gislason. Jicha rückte auf Lövgrens Position, Börge Lund ersetzte den Schweden in der Abwehr und bildete fortan mit Marcus Ahlm ein steinhartes Abwehr-Zentrum. "Börge war der entscheidende Faktor. Mit ihm hat unsere Abwehr eine ganz andere Qualität", sagte Gislason. Der Isländer und seine Mannschaft wachsen ganz offensichtlich von Spiel zu Spiel zusammen. Gislason, der Motivator, streichelt, rüttelt seine Spieler, verteilt einen Klaps nach dem anderen, hat das Fäden-Gewirr seiner "Puppen" entwirrt und lässt sie nun mit sicherer Hand tanzen.

Gislason, der Analytiker, erkannte auch, woran es in Kassel im Angriff fehlte. Zwar sorgte die Einwechslung Lunds für Ballgewinne, Temposteigerung und beim 11:10 (17.) durch Dominik Klein für die erste Kieler Führung der Partie. Zwar zeigte Kim Andersson auf Halbrechts eine ganz vorzügliche Leistung mit fünf ansehnlichen Treffern vor der Pause (MT-Trainer Robert Hedin: "Gegen ihn war kein Kraut gewachsen"). Und auch Rechtsaußen Vid Kavticnik wurde seinem Ruf als "Mr. Zuverlässig" mit sieben Treffern wieder einmal mehr als gerecht. Doch aus dem Positionsspiel heraus fehlte gegen robuste, energetische und in der Tabelle bis dato unter Wert verkaufte Melsunger, bei denen der griechische Torjäger Savas Karipidis in dieser Phase auf Rechtsaußen glänzte, die entscheidende Note.

Also verhalf Gislason Nikola Karabatic zu einem weiteren Comeback (20.). Der Franzose spielte unter Schmerzen, schützte seinen lädierten linken Ellenbogen immer dann, wenn er doch einmal in der Abwehr aushelfen musste. Im Angriff agierte Karabatic jedoch wie entfesselt, band Abwehrspieler, riss Lücken. Nach seinem ersten von sieben Toren zum 13:12 (20.) zog der THW zur Pause auf 23:15 davon. Gislason stellte voller Euphorie fest: "Das Spiel meiner Mannschaft zwischen der zehnten und 30. Minute war mit Abstand das Beste, was ich in dieser Saison von ihr gesehen habe."

Stimmt, und nur weil nach der Pause die Konzentration im Abschluss in dem Maße nachließ wie sich Mario Kelentric im MT-Tor steigerte, wurde es beim 23:27 (43.) noch einmal knapp, indes nie gefährlich. Drei Tore in Folge von Karabatic, dazu ein Tor von Marcus Ahlm, der am Kreis immer besser in Fahrt kommt, und beim 31:23 (47.) war die Partie entschieden. Gislason, der Marionettenspieler, wirkte nun entspannter, blickte weniger sorgenvoll und ließ die Fäden etwas lockerer. "Zum Glück haben wir in der zweiten Halbzeit doch wieder zugelegt", sagte der 49-Jährige, für den "die Konzentration auf Berlin" längst begonnen hat. Sein Pendant, Melsungens Coach Robert Hedin, wäre über "zehn Punkte bis Weihnachten" froh. In Kassel waren seine Akteure nur Nebendarsteller im Puppentheater.

(von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 13.10.2008)


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