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04.07.2009 Interview

KN-Interview mit Uwe Schwenker: "Das war ein Schleudergang"

Aus den Kieler Nachrichten vom 04.07.2009:

Uwe Schwenker: "Der THW war mein Leben."
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Uwe Schwenker kommt pünktlich zum Termin, bestellt sich eine Cola und ist bereit für das erste große Interview seit Beginn der Handball-Manipulationsaffäre am 1. März. Seit Mittwoch steht der 50-Jährige nicht mehr in Diensten des THW Kiel, den er zwölf Jahre als Spieler und 17 Jahre als Manager prägte.
Kieler Nachrichten:
Für Sie ist eine lange Ära beim THW zu Ende gegangen. Wie ist Ihre Gefühlslage?
Uwe Schwenker:
Ich bin mit Leib und Seele THWer, durch meine Adern fließt schwarz-weißes Blut. Dieser Verein, für den ich 29 Jahre lang als Spieler, Trainer und Manager gearbeitet habe, war mehr als ein Job, der THW war mein Leben. Ich bin sieben Tage in der Woche für den Verein da gewesen. Es fällt mir unglaublich schwer zu realisieren, dass diese Zeit nun vorbei ist. Ich muss erst einmal Abstand gewinnen. Die letzten Monate habe ich im Schleudergang verlebt. Mein ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt. Entspannen kann ich erst, wenn auch das Verfahren abgeschlossen ist.
Kieler Nachrichten:
Gibt es Erlebnisse aus Ihrer Spielerzeit bei den "Zebras", die für Sie unvergesslich sind?
Uwe Schwenker:
Da gibt es so viele, dass ich keine einzelnen aufzählen möchte. Als ich 1980 aus Bremen gekommen bin, gab es auch zahlreiche andere Angebote, von Gummersbach und Minden beispielsweise. Aber meine damalige Freundin wollte unbedingt nach Kiel. Ich erinnere mich an Zeiten, als wir beim THW überlegt haben, ob wir künftig statt zwei, nun dreimal in der Woche trainieren sollen. Als ich Geschäftsführer wurde, hatte der THW umgerechnet einen Etat von 750 000 Euro, heute kratzt der Klub die 10-Millionen-Grenze und ist nach wie vor einer der Vorzeigeklubs in Europa.
Kieler Nachrichten:
Erinnern Sie sich noch an ihren ersten Tag als Manager?
Uwe Schwenker:
An das genaue Datum nicht, aber ich habe die Situation schon sehr hautnah miterlebt, als die Handballabteilung in eine GmbH ausgegliedert wurde. Ich wurde damals gefragt, ob ich mir vorstellen könne, drei bis vier Stunden in der Woche als Geschäftsführer auszuhelfen. Das konnte ich. Daraus ist dann schnell mehr geworden. Ich erinnere mich noch, wie ich mit Günther Dittmer (ehemaliger Buchhalter, Anm. d. Red.) wochenlang bis ein, zwei Uhr nachts vor Kartons mit 7000 Saisontickets gesessen habe, diese sortiert, kuvertiert und versendet haben. Es ärgert mich aber, in letzter Zeit immer wieder lesen zu müssen, dass der Verein nun endlich professionelle Strukturen bekommen soll. Die hatte er vorher auch und war damit Vorbild für viele andere Vereine.
Kieler Nachrichten:
Mit welchen Plänen sind Sie damals beim THW gestartet, nachdem Sie Ihren ehemaligen Mitspieler Noka Serdarusic als Trainer verpflichtet hatten?
Uwe Schwenker:
Eigentlich hatte Noka, der damals Trainer in Flensburg war, mich gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, in seiner Mannschaft zu spielen. Dafür fühlte ich mich aber zu alt. Ich habe ihm gesagt, dass wir den Spieß umdrehen, sobald ich in Kiel entscheiden darf. Ihn zu verpflichten, war der absolut richtige Schritt. Durch ihn ist der sportliche Bereich viel professioneller geworden. Wir haben uns lange sehr gut verstanden. Was Spieler und Transfers betraf, hatten wir die gleiche Philosophie.
Kieler Nachrichten:
Wie bewerten Sie die 15 Jahre mit Noka?
Uwe Schwenker:
Es war die beste Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt, eine unglaublich erfolgreiche Zeit mit einer Vielzahl von Titeln. Diese Zeit kann man nicht wegdiskutieren. Der THW ist dauerhaft in die europäische Spitze aufgestiegen. Aber es war genauso richtig, sich von ihm zu trennen. Es ging einfach nicht mehr. Meine private Situation (Schwenker trennte sich von seiner Frau, Anm. der Red.) hat übrigens nichts damit zu tun. Das hat Noka nicht interessiert.
Kieler Nachrichten:
Stimmen Sie der Einschätzung zu, dass die Trennung von Noka im Juni 2008 der Urknall für die Affäre gewesen ist?
Uwe Schwenker:
Spekulativ, aber möglich.
Kieler Nachrichten:
Welche Erinnerungen haben Sie an den 1. März, jenen Sonntag, an dem die Manipulationsvorwürfe gegen den THW und Sie öffentlich wurden?
Uwe Schwenker:
Ich wusste im ersten Moment überhaupt nicht, worum es ging. Ich bin von den Medien angesprochen worden, den Brief von Dieter Matheis (Aufsichtsrat der Rhein-Neckar Löwen, Anm. der Red.) kannte ich noch gar nicht. Ich war völlig konsterniert.
Kieler Nachrichten:
Gab es in den letzten Monaten Freunde in der Not?
Uwe Schwenker:
Ja, sehr viele. Aus dem engsten Bekanntenkreis, aber auch von den Kollegen in der Handballszene habe ich viel Zuspruch erhalten. Besonders aus dem Ausland, die können gar nicht nachvollziehen, was mit mir und dem Handball in Deutschland gerade passiert.
Kieler Nachrichten:
Sie haben am 6. April, nach THW-Angaben, Ihren Rücktritt eingereicht. Am Tag darauf hieß es dann von Georg Wegner, dies sei auf sanften Druck geschehen. Wie war es wirklich?
Uwe Schwenker:
Ich habe damals meinen Rücktritt nicht angeboten. Warum auch? Aber ich musste letztlich einsehen, dass ich gehen musste, um den Druck vom THW zu nehmen.
Kieler Nachrichten:
Wer die Affäre intensiv verfolgt hat, wird das Gefühl nicht los, dass die ganze Geschichte im Sande verlaufen könnte. Die Kieler Staatsanwaltschaft dürfte es schwer haben, Ihnen mit Hilfe von Schiedsrichtern Untreue nachweisen zu können. Was erhoffen Sie sich?
Uwe Schwenker:
Ich würde mich langsam mal wieder über positive Rückmeldungen freuen. Aber was hätte ich davon? Ein Makel wird an mir hängen bleiben. Rachegefühle gegen bestimmte Personen hege ich allerdings nicht, da ist eher eine große Portion Ohnmacht. Auch die Medien haben übrigens eine sehr unschöne Rolle gespielt. Mit Aufklärung hatte die Berichterstattung der vergangenen Monate nicht viel zu tun, da hat kaum noch einer sauber recherchiert und Fakten sortiert. Das war eine Kampagne gegen den Verein und mich. Eine, gegen die ich mich nicht wehren konnte.
Kieler Nachrichten:
Beim letzten Bundesligaspiel gegen Flensburg haben sich die Fans für Ihre Arbeit mit einem riesigen Transparent bedankt. In Kiel sind Sie nach wie vor sehr beliebt. Überrascht?
Uwe Schwenker:
Nein, denn ich hatte zu den Fans immer ein gutes Verhältnis. Es ist unglaublich, was ich beispielsweise während der Kieler Woche erlebt habe. Wildfremde Menschen haben mich in den Arm genommen, sich bedankt, teilweise mit Tränen in den Augen. Von den Fans habe ich unheimlich viel Zuspruch erhalten. Das berührt mich ungemein, schließlich habe ich nicht für die Offiziellen gearbeitet, sondern in erster Linie für den Verein und seine Fans. Und dafür haben sie ein gutes Gespür.
Kieler Nachrichten:
Von der THW-Führung kam bisher nichts. Kein Dank, kein Wort zum Abschied. Ist das normal?
Uwe Schwenker:
Dazu möchte ich mich nicht äußern.
Kieler Nachrichten:
Wie sieht Ihre Zukunft aus? Uli Derad hat gesagt, Sie würden für Fragen zur Verfügung stehen, was gut und richtig sei?
Uwe Schwenker:
Selbstverständlich stehe ich Uli Derad zur Seite, genauso wie dem THW, wenn es gewünscht ist. Und für Alfred Gislason bin ich sowieso immer da. Bis Ende August lasse ich aber erst einmal die Jalousien runter. Mir war es wichtig, zum Abschluss den Vertrag mit Filip Jicha (bis 2014, Anm. d. Red.) zu verlängern. Nach den Abgängen von Stefan Lövgren, Nikola Karabatic und Vid Kavticnik ist es unglaublich wichtig, dass Filip bleibt. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, noch einmal, dann zum dritten Mal, eine ganz neue Mannschaft auf die Beine zu stellen. 2013/2014 wäre dieser Zeitpunkt gewesen. Das hätte ich gerne erlebt und dann noch ein paar Jahre in Ruhe für den THW gearbeitet. Nun ist es anders gekommen. Was ich machen werde, ist völlig unklar. Ins Ausland zieht es mich nicht. Einige Bundesligisten haben angefragt, ob ich nicht für sie als Berater arbeiten könne. Aber das ist zu früh. Ich will das Verfahren abwarten. Ich bin sicher, dass ich dem Handball erhalten bleibe. Aber im Moment kann ich mir nicht vorstellen, für einen anderen Verein als den THW zu arbeiten.
(Das Gespräch führten Wolf Paarmann und Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 04.07.2009)


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