Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.09.2009:
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Knapp ein Jahr im Amt und schon einer der dienstältesten Angestellten des THW Kiel in der Führungsebene:
Alfred Gislason.
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Als
Alfred Gislason im Sommer 2008 nach Kiel kam,
sah die Handballwelt an der Förde noch ganz anders aus. Der Manager hieß
Uwe Schwenker, der Verein wurde von fünf Gesellschafter regiert
und der entlassene Trainer
Noka Serdarusic warf noch lange Schatten.
Zwölf Monate später hat der Rekordmeister sich einmal gehäutet und
Gislason ist in Rekordzeit eine Institution bei den "Zebras" geworden.
Mit THW-Trainer Alfred Gislason sprachen Wolf Paarmann und Reimer Plöhn
- Zebra-Journal:
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Herr Gislason, wie zufrieden waren Sie mit der Saisonvorbereitung?
- Alfred Gislason:
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Die ist sehr gut gelaufen, die Neuzugänge haben sich sehr schnell integriert.
Sie sind erst einige Wochen hier, trotzdem hat man das Gefühl, sie seien schon ewig dabei.
Ich denke, wir haben die richtigen Leute geholt. Ein bisschen schwierig ist, dass mein Landsmann
Aron Palmarsson noch nicht Deutsch spricht. Das wird er schnell nachholen müssen.
Außerdem hatten wir auf der Spielmacherposition ein Problem.
Börge Lund hat in den letzten beiden Jahren hier kaum im Angriff gespielt,
war lange verletzt und hatte zuletzt mit seinem operierten Knie Probleme.
Palmarsson wird noch einige Monate brauchen, um körperlich auf ein Niveau zu kommen,
das er für die Bundesliga benötigt. Mit Daniel Narcisse haben wir jemanden gefunden, der uns auf dieser
Position helfen kann.
- Zebra-Journal:
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Was trauen Sie dem THW Kiel zu?
- Alfred Gislason:
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Wir werden wieder um alle Titel mitspielen. In der Meisterschaft wird es schwer werden, an uns
vorbeizukommen. Aber: Die Konkurrenz ist stärker geworden. Der HSV Hamburg und die Rhein-Neckar Löwen
haben mächtig aufgerüstet. Gerade der HSV ist deutlich stärker geworden als in den vergangenen Jahren.
Der TBV Lemgo hat den Vorteil, nur einen Neuzugang integrieren zu müssen. Sie haben also eine eingespielte
Mannschaft. Mit diesen drei Clubs, werden wir um den Titel spielen. Allerdings - viele schreiben die SG Flensburg ab,
ich nicht. Die können für eine positive Überraschung sorgen. Ich bin mir sicher, dass die neue Mannschaft des
THW Kiel in der kommenden Saison den gleichen Standard erreichen wird wie die in der vergangenen.
- Zebra-Journal:
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Wen erwarten Sie in der Champions League ganz vorn?
- Alfred Gislason:
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Da ist Montpellier ein heißer Kandidat. Ich bin mir sicher, dass sie das Final Four der vier
besten Clubs in Köln erreichen werden. Veszprem traue ich auch viel zu. Die haben wir nun zweimal bei
Vorbereitungsturnieren erlebt. Eine tolle Mannschaft mit einem breiten Kader. Ciudad hat zwar
einige namhafte Abgänge zu verkraften, ist aber immer noch stark genug, um am Ende in Köln zu landen.
Außerdem rechne ich mit Celje. Mit Pajovic und
Zorman sind wichtige Leute zurückgekehrt. Klar, dass auch die deutschen Clubs, HSV Hamburg und die
Rhein-Neckar Löwen, zu den Top-Favoriten in der Champions League zählen.
- Zebra-Journal:
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Ist mit Narcisse der Kader nun zu groß geworden? Werden Sie einen Spieler streichen müssen?
- Alfred Gislason:
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Nein, dazu besteht kein Anlass Ich denke, der Kader hat die ideale Größe. Außerdem sieht
es so aus, als ob in der neuer Saison 16 Spieler auf der Bank sitzen dürfen.
Das würde uns entgegenkommen. Mit acht Leuten lässt sich vielleicht ein Turnier wie in Lüneburg
bestreiten, aber keine ganze Saison. Außerdem können wir mit diesem Personal das Tempo konstant auf
hohem Niveau halten. Das möchte ich erreichen, der Druck auf die Gegner soll durchgehend hoch sein,
die Pausen kleiner. Als Lund verletzt ausfiel, hatte ich mit
Jicha und
Ilic nur noch zwei Rechtshänder im Rückraum. Spielt
Jicha auf der Mitte, müssen beide gleichzeitig spielen. Da ist es nur
eine Frage der Zeit, wann einer ausfällt.
- Zebra-Journal:
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Mit dem SC Magdeburg und dem VfL Gummersbach erleben zwei Traditionsclubs gerade schwierige Zeiten.
Bei beiden Vereinen haben Sie als Trainer gearbeitet Wie geht es Ihnen, wenn Sie die derzeit traurigen Schlagzeilen lesen?
- Alfred Gislason:
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Das sind zwei verschiedene Fälle. Was in Gummersbach passiert, ist mir ein Rätsel.
Wo sind die Millionen geblieben? Sie haben Ablöse für mich, Ilic, Fazekas
und Sigurdsson kassiert. Trotzdem sind die Kassen leer. Ein Problem ist sicher die Halle, die
ist zu groß. Die Oberbergischen gehen offenbar nicht nach Köln, um dort Handball zu sehen.
Aber ich erinnere mich an mein letztes Spiel beim VfL, da war gegen Montpellier noch nicht einmal
die Eugen-Haas-Halle ausverkauft, und hier passen nur 2000 Zuschauern rein. Ganz anders
ist das Fanpotenzial in Magdeburg. Da liegt die Misere eindeutig in der Misswirtschaft. Da kämpft auf
der Führungsebene seit drei, vier Jahren jeder gegen jeden. Viele Sponsoren sind inzwischen genervt
abgesprungen, investieren ihr Geld lieber in die zweite Mannschaft und die Jugend. Was
in Magdeburg passiert, ist eine Katastrophe, das tut mir wirklich sehr weh.
- Zebra-Journal:
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Sind die Probleme von Gummersbach und Magdeburg nicht ein Indiz dafür, dass die Schere
in der Bundesliga immer größer wird? Wäre es eine Lösung, die Liga um zwei Clubs zu verkleinern?
- Alfred Gislason:
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Nein, davon halte ich nichts. Für einen Verein wie den THW Kiel, bei dem alle Heimspiele
ausverkauft sind, wäre das keine Lösung. Ich sehe auch nicht, dass die Schere zwischen einigen
Top-Klubs und dem Rest immer größer wird. Daran sind aber auch die Vereine nicht unbeteiligt.
Viele wollten zu viel, haben alles riskiert, um einen Titel zu gewinnen. Dabei haben sie überzogen.
Mein Eindruck ist, dass sich eine Zwei-Klassengesellschaft entwickelt hat. Zur oberen Hälfte gehören
aber inzwischen auch Vereine wie FA Göppingen oder MT Melsungen. Sie haben sehr solide gearbeitet
und einen starken Kader. Auch hier werden gute Gehälter bezahlt.
- Zebra-Journal:
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Hat sich für Ihre Arbeit nach dem Wechsel in der THW-Führung etwas grundlegend geändert?
- Alfred Gislason:
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Das vergangene Jahr werde ich so schnell nicht vergessen, das, ganze Theater um die Manipulationsaffäre
hat sehr an den Nerven gezerrt. Auch weil Dinge verbreitet wurden, die oft weit unter die Gürtellinie gingen.
Uwe Schwenker ist zwar nicht mehr dabei, aber nach wie vor habe
ich einen guten Kontakt zu ihm. Das muss man auch verstehen. Wir sind gleichaltrig,
haben früher gegeneinander gespielt, danach uns gut verstanden und sind Freunde geworden und
geblieben. Jetzt ist Uli Derad da, der hat das bisher alles sehr gut hinbekommen.
Es geht auch nicht um Personen, sondern in erster Linie um das Wohl des THW. Und da sind wir weiter auf einem guten Weg.
- Zebra-Journal:
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Sie haben in Kiel einen Vertrag bis Juni 2011 unterschrieben. Denken Sie darüber nach, in Kiel zu verlängern?
- Alfred Gislason:
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Ja, erste Gespräche haben wir bereits geführt. Ich habe hier unglaublich viel Spaß
und das Glück, aus meinem Hobby einen Beruf zu machen. Handball ist mein Leben geworden. Trainer in
Kiel zu sein, ist ein Privileg. Ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass
das nicht selbstverständlich ist. Zu Kiel gibt es keine Alternative. Das ist der beste Club
der Welt, wo sollte ich suchen? Sicher ist, dass ich so lange wie möglich hier bleiben möchte.
(Mit THW-Trainer Alfred Gislason sprachen Wolf Paarmann und Reimer Plöhn,
aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.09.2009)
Das sagt Gislason zu den Neuzugängen
- Peter Gentzel:
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Schön, dass er bei uns ist. Er ist bereits seit Jahrzehnten ein Weltklasse-Torhüter
und eine gute Ergänzung zu Thierry Omeyer,
haben beide doch ein sehr unterschiedliches Spiel. Er ist 40 Jahre alt, macht aber einen deutlich
jüngeren Eindruck. Super, wie er sich durch die Vorbereitung gekämpft hat.
- Momir Ilic
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Von seiner Einstellung her ein Traumhandballer. Ein Arbeitstier, das immer alles gibt.
Er hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert, das wird ihm auch in Kiel gelingen.
Ein Teamspieler mit einem tollen Charakter. Im Mittelblock plane ich zunächst mit vier Spielern,
Momir ist einer davon. Die anderen sind
Börge Lund, Filip Jicha und
Marcus Ahlm.
- Daniel Narcisse
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Ein absoluter Weltklassespieler. Er ist ein super Schütze, ein genialer Anspieler.
Zudem sind ihm Starallüren fremd, er ist ein total bescheidener Typ und wird sich nahtlos
in die Mannschaft einfügen. Daniel ist ein kompletter Spieler, kann Angriff
und Abwehr spielen. Vorne ist er sehr vielseitig einsetzbar, kann Mitte, linker Rückraum oder auch Linksaußen spielen.
- Aron Palmarsson
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Eines der größten Talente, die es im Handball gibt. Wenn er hart arbeitet
und auf dem Teppich bleibt, dann kann er einmal ein ganz Großer werden. Er wird zwar oft mit
Nikola Karabatic verglichen, aber ich sehe das anders. Er ist ein
anderer Typ, eher einer, der spielerisch versucht, zum Erfolg zu kommen. Einer wie
Stefan Lövgren.
- Hendrik Pekeler
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Er ist das größte deutsche Talent auf der Kreisläuferposition und hat er eine sehr gute
Jugend-WM gespielt. Für seine Zukunft ist es wichtig, dass er regelmäßig mit Spielern wie
Marcus Ahlm oder Igor Anic trainiert.
So kann er sich entwickeln. Das war in der vergangenen Saison kaum der Fall, da der TSV
Altenholz im Abstiegskampf steckte, ihn dringend brauchte und er höchstens fünf Mal bei uns trainieren
konnte. Das ist zu wenig. Es macht mehr Sinn, wenn er für den THW II in der Regionalliga spielt und
dann regelmäßig bei uns trainieren kann. Wenn er 19 ist, müssen wir uns vielleicht ein anderes Konzept überlegen.
- Christian Sprenger
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Er hat ein riesiger Potenzial. Von ihm erwarte ich, dass er auch in der
Nationalmannschaft ein fester Bestandteil wird. Ich sehe ihn hier vor dem Lemgoer Florian Kehrmann.
Christian wird eher mit dem Löwen Patrick Grötzki und seinem Vereinskollegen
Tobias Reichmann um Einsätze kämpfen. Bei ihm muss ich mich an das Jahr 2003 erinnern.
Damals musste ich mich als Trainer des SC Magdeburg zwischen ihm, dem Nachwuchsmann, und
Christian Schöne entscheiden. Sprengi hat gesagt, dass es nicht schlimm wäre,
wenn es Schöne wäre. Er hätte sowieso vor, eines Tages in Kiel zu spielen.
- Tobias Reichmann
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Er hat leider doppeltes Pech gehabt. Durch die unklare Vertragssituation in der vergangenen Saison musste
er noch ein Jahr in Magdeburg bleiben. Die Verantwortlichen dort waren so verärgert über seinen Wechsel,
dass sie ihn in die zweite Mannschaft verbannt haben. Das Jahr fehlt ihm. Dazu kam noch der Kreuzbandriss.
Aber er ist ein Riesentalent mit einer unglaublichen Sprungkraft. Ich denke, er und Sprengi
werden sich optimal ergänzen.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.09.2009)