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Der deutsche Meister und Champions-League-Sieger 2010
auf dem Rathausbalkon.
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Nach dem
27:24-Erfolg des THW Kiel am Samstag beim TV Großwallstadt
gab es bereits kein Halten mehr auf dem Kieler Rathausplatz: Rund 8.000 Fans feierten
beim Public Viewing den neuen und alten deutschen Meister. Als die "Zebras"
Stunden später aus Aschaffenburg in der Handball-Hauptstadt eintrafen, war die
Anhängerschar gar auf gut 25.000 angewachsen. Diese machte zusammen mit der Mannschaft die
Nacht zum Tag und feierte eine große "Champions-Party", von der THW-Fans noch lange
reden werden.
Lesen Sie auch den
Spielbericht zum Spiel in Großwallstadt
und den
KN-Kommentar zur Meisterfeier.
Weitere Fotos vom Spiel und der Meisterfeier finden Sie
hier in unserer Galerie.
Aus den Kieler Nachrichten vom 07.06.2010:
Mit Kapitän Gislason auf großer Fahrt zu den Fans
Feier-Marathon startete mit Verspätung - "Betreuer-Gott" Roland Breitenberger verabschiedet
Aschaffenburg. Aufgeregt hetzte THW-Aufsichtsratsmitglied
Klaus Elwardt durch die Aufräumarbeiten
in der Aschaffenburger Arena. "Wo ist Alfred Gislason,
der Bus wartet, wir sind zu spät." Am Ende war das ehemalige THW-Idol selbst
Letzter, Gislason, aufgehalten durch die
Pressekonferenz, hatte auf entgegengesetzter Seite der Arena den Bus
angesteuert, vor Elwardt.
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Anett Sattler und die Bierdusche in der THW-Umkleidekabine.
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Um kurz nach 21 Uhr wollten die "Zebras" in Kiel-Holtenau landen,
endlich mit den heimischen Fans gemeinsam die Heldentaten der
vergangenen Wochen feiern. Die pünktliche Busabfahrt zum Flughafen
Egelsbach aber verzögerte sich um mindestens eine Stunde: Bierduschen,
Interviews, Damenbesuch in der Kabine. Sport1-Moderatorin Anett Sattler
wird ihren Abstecher in die THW-Umkleide lange in Erinnerung behalten.
Als sie die Tür mit ihrem Kamerateam öffnete, blickte sie auf den braunen
"Sixpack" von
Daniel Narcisse, auch die entblößten
Oberkörper der anderen "Zebras" dürften ihr gefallen haben. Wenig später
war sie pitschnass. Wie ein begossener Pudel stand sie mittendrin zwischen
den Männern,
Filip Jicha hatte das Startsignal mit
einem Guss aus der Meisterschale gegeben, die anderen gossen nach. Ihren
Job bewältigte die Blondine, eine ehemalige Kreisläuferin, dennoch souverän,
das imponierte auch ihren "Peinigern".
Der Bus setzte sich doch noch in Bewegung, auf den Weg gebracht von unzähligen
winkenden THW-Fans, die den 700-Kilometer-Trip nach Nordbayern für ihre
Handball-Helden gerne auf sich genommen hatten. Frisch geduscht, das
neue T-Shirt (Totaler Handball Wahnsinn)
über die Körper gestreift, ging es
auf die Zielgeraden einer langen Handball-Saison. Bei der Tour de
France ist die Schlussetappe durch Paris die Kür nach langer Leidensfahrt.
Die "Zebras" lassen sich einfach fallen, genießen das Ende von Druck und Stress,
sind nur noch euphorisiert, glücklich - oder nachdenklich.
Bier und andere Flüssigkeiten flossen in Strömen, altbekanntes Liedergut
wird mit letzten Kräften herausgeschmettert - aber es ging auch sentimental
zu. Abschied von "Betreuer-Gott"
Roland Breitenberger.
Seit 1997 ist der gebürtige Badener Mädchen für alles, Seelentröster und
Zuverlässigkeit in Person. Einen Präsentkorb gab's zum Abschied, viele
Umarmungen und auch Tränen. Warum der Rücktritt zu diesem Zeitpunkt?
"Horst Köhler will nicht mehr, dann kann ich auch nicht bleiben", lautete
die Antwort, gewürzt mit typischem
Breitenberger Humor.
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Der THW Kiel im Anflug.
©
Christian Robohm |
Die Dornier 328 von der "welcome air" startete kurz vor 21 Uhr, die Stimmung
stieg. Unterstützt von der sehr geduldigen Stewardess erklärte
Filip Jicha seinen Mitspielern die
Sicherheitsvorschriften, Manager
Uli Derad
nahm Platz in der Pilotenkabine, dann hob die Maschine ab. Eine Stunde
später lag Hamburg unter den "Zebras". Die Lautstärke der Gesänge schwoll
an. "In Hamburg sagt man Tschüs", war zu hören. Eine Anspielung auf die
Meisterschale?
Die Förde mit traumhaften Bildern vom beginnenden Sonnenuntergang rückte
in den Fokus, schnell drehte der Pilot zwei Extraschleifen um den in hellem
Scheinwerferlicht liegenden Rathausplatz, dann die Landung in Holtenau.
Es ist kurz vor 22 Uhr. Staunen bei Kapitän Marcus Ahlm
und Co. Schon hier warteten rund 1500 Menschen, um den Meister zu empfangen.
Lauter Jubel brandete auf, als die Spieler nach und nach aus der kleinen
Turbo-Prop-Maschine stiegen, die Schale präsentierten.
Flugs zogen sich die "Zebras" hinters Flugzeug zurück, kehrten
als weiß gekleidete Matrosen, Kieler Jungs, zurück.
Alfred Gislason trug die Kapitänsmütze.
Der Autokorso suchte seinen Weg durch die begeisterte Menge, die
Triumphfahrt zum Rathausplatz, dort wo über 20 000 Menschen
auf ihre müden Handball-Helden warteten, begann - Startschuss
für die letzte und "härteste" Party-Etappe.
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 07.06.2010)
Aus den Kieler Nachrichten vom 07.06.2010:
Die Jungs sind wieder zu Hause
THW-Fans warteten geduldig auf ihre Helden - Rathausplatz war neun Stunden lang eine schwarz-weiße Partymeile
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Der THW Kiel landet in Holtenau - und wird von rund
1.500 Fans empfangen.
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Kiel. Echte Fans müssen leiden können, heißt eine Fußballweisheit.
Echte Zebra-Fans müssen warten und feiern können, heißt der Umkehrschluss
für den THW. Und sie können es. Am letzten Spieltag
empfingen rund 25 000 Kieler ihre Mannschaft - der Rathausplatz
war da schon seit sieben Stunden eine schwarz-weiße Partymeile.
"Jungs, kommt bald wieder, bald wieder nach Haus." Es lag ein
sehnsuchtsvolles Warten am letzten Spieltag über dem Kieler
Rathausplatz. Die Fans wollten ihre THW-Jungs feiern, die
sich noch auf "Abenteuer-Seefahrt" in Großwallstadt befanden,
um dort den letzten Schatz, die Meisterschale, abzuräumen.
Anders als in Freddy Quinns Schlager war das Warten aber nicht
melancholisch, sondern ungeduldig euphorisch.
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Ganz vorne im Autokorso: Kapitän Marcus Ahlm,
Top-Torjäger Filip Jicha und die reiche Beute
einer fantastischen Saison.
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Für Barbara Kleinmann (43) und Helmut Glockner (67) begann das
Ausharren um viertel vor vier Uhr nachmittags, 45 Minuten vor
Spielanpfiff, zehn Meter von der Großleinwand entfernt, inmitten
von rund 5000 THW-Fans - auf zwei Campingstühlen.
"Noch werden wir belächelt, aber hinterher vermiete ich den
Stuhl", sagt Helmut Glockner lachend. Keine Meisterschaftsfeier
der vergangenen fünf Jahre haben er und seine Kollegin ausgelassen.
"Das ist einfach nett", sagt Barbara Kleinmann und trötet, wie um
es zu unterstreichen, ausgelassen in ihre selbst gebastelte
schwarz-weiß geringelte Vuvuzela. "Hach, noch neun Minuten."
Kleinmanns Blick fällt auf ihre Zebra-Armbanduhr. Man wartet
in Häppchen - auf den Anpfiff, die Halbzeit, das Eintreffen der
Mannschaft und auf die Party.
Auf der Hinfahrt aus Eutin haben beide schon die Verletztensituation
erörtert und sich inhaltlich auf das letzte Spiel vorbereitet.
"Mensch Helmut, ich hab doch noch die Kajalstifte", fällt
Kleinmann ein, und ehe der Kollege sich wehren kann, ziert
ein THW-Schriftzug seine Wange. Ein Tröten und Hupen, als würden
fünf Color-Lines gleichzeitig ablegen, unterbricht ihr Gespräch:
Anpfiff, die Fans auf dem Rathausplatz pusten ihre Begeisterung
durch Plastikrohre in die Luft.
Der schwache Start des THW drückt aber zunächst auf die Stimmung.
"Oh, Scheibenkleister", "Ich fass es nicht" und "rein damit!" ist
immer wieder zu hören. Kleinmann beißt sich auf die Lippe, Glockner hält
sich den kleinen Finger - ein Tor von
Filip Jicha
löst die ganze Anspannung. "Das schaffen die", sind sich die beiden nach
der Halbzeit sicher. Und ein paar Schockmomente (Gegentore, Fouls,
Bildschirmausfall) später ist das Ende des Wartens auf die Meisterschaft
absehbar. "Drei Minuten, drei Tore", betet Kleinmann und Glockner ergänzt
philosophisch beruhigend: "Zeit vergeht." Minutenlanges "Oh, wie ist das
schön"-Singen feiert den Abpfiff. Überglücklich packen Kleinmann und
Glockner ihre Stühle ein: "Wir trinken jetzt nen Sekt drauf - und warten auf
die Mannschaft."
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Bis weit nach Mitternacht feierten die Fans auf dem brechend vollen
Rathausplatz.
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Mindestens drei Stunden soll das dauern. Die Fans lassen sich von den
Bierinseln verpflegen und mit Musik beschallen. Je näher man der Bühne
kommt, desto jünger das Publikum. Hier ist der Hot-Spot der Party,
hier ist man den Helden am nächsten. Lina Horn (16) und ihre
Freunde finden die Stimmung "supergut", und Alina Schmidt (17)
hofft lachend, "dass sich die Jungs ausziehen". Einmal Abklatschen
würde Nadine Michaelis (18) genügen, sie wartet seit halb acht an der
Absperrung vor der Rathaustür. Fast dreieinhalb Stunden später ist der
Platz um sie herum voll mit Menschen: Rund 25 000 Fans blicken auf das
Rathaus, ein Lichtpegel kündet von der nahenden Ankunft. Die Bässe
werden lauter, die Freiräume enger. Der Boden klebt, der Pegel steigt.
Das "oh, oh oh oh oh ooooh"-Gegröhle der "White Stripes" nudelt fast
wie beim Sprung einer Platte, als endlich die Schale über den
Köpfen auftaucht. Unter dem erlösten Geschrei der Menge treten
Ahlm,
Jicha
und Co in Matrosenkluft einzeln an die Balustrade, umweht von
schwarz-weißen Konfettischnipseln. Das Warten hat ein Ende. Es ist,
als würde die Stadt Kiel mit kindlicher Begeisterung eine Schneekugel
schütteln und staunend deren Inhalt betrachten: Die Jungs sind
wieder zu Haus.
(von Esther Alves, Reimer Plöhn, Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 07.06.2010)
Deutscher Meister Momir Ilic gegenüber den KN:
Wer das hier erlebt hat, wird alles dafür tun, so
schnell wie möglich wieder einen Titel zu gewinnen.
Deutscher Meister Christian Zeitz gegenüber den KN:
Es ist viel zu umständlich, jedes Mal den THW auf der Schale
einzugravieren. Wir sollten einfach nur Striche machen.
THW-Geschäftsführer Uli Derad gegenüber den KN:
Ich habe Bilder von den anderen Meisterfeiern
gesehen, aber was hier passiert, ist einfach
unglaublich, nicht zu beschreiben. Sensationell,
wie wir schon am Flughafen empfangen wurden. Kiel
ist die Welthauptstadt des Handballs. Ich bin
begeistert von den Fans, aber auch von der Mannschaft.
Sie ist auch durch die Niederlagen in Balingen
und Gummersbach gereift und eine echte
Mannschaft geworden.
THW-Co-Trainer Ole Viken gegenüber den KN:
Ich habe an dieser Mannschaft nie gezweifelt.
Ihr Wille, zu gewinnen, ist größer als bei anderen Mannschaften.
Sie glauben einfach aneinander.