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14.09.2010 Mannschaft

Zebra-Journal: "Ich wollte dem Verein etwas zurückgeben"

Marcus Ahlm über den Start als Kapitän

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 27.08.2010:

Marcus Ahlm.
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Trainingshalle in Russee, Dezember 2008. Wo, das weiß Marcus Ahlm noch genau. An welchem Tag ihn Alfred Gislason fragte, ob er Kapitän des THW Kiel werden möchte, erinnert der 32-Jährige dagegen nicht mehr. Nur, dass er sofort zusagte. "Ich wollte nach diesen vielen Jahren beim THW etwas an den Verein zurückzahlen", sagt Ahlm, der im Juli 2003 aus Ystad kam, um am Kreis Nachfolger von Magnus Wislander zu werden.
Keine leichte Aufgabe, aber in die Fußspuren von Stefan Lövgren zu treten, der acht Jahre lang die Binde getragen hatte, war die schwierige. Auch in der Nationalmannschaft hatte Ahlm den "Löwen" als Kapitän abgelöst, damals, als sein Rücken ihm noch erlaubte, für Schweden bei den großen Turnieren zu spielen. "Ich habe viele Jahre mit Stefan gespielt, das war auch für meine Aufgabe als Kapitän eine gute Schule." Was er anders macht als Lövgren, der sogar bei neuen Handyverträgen den Kollegen unter die Arme griff? "Löwe hat sich wirklich um alles gekümmert, das mache ich in dieser Form nicht." Die Zeiten hätten sich in den vergangenen Jahren aber auch sehr geändert, sagt er. Die Anforderungen an die Aktiven seien durch das viel schnellere Spiel und das stark gestiegene Medieninteresse deutlich höher geworden. "Jeder von uns ist heute gefordert, mehr auf sich selbst aufzupassen."

Dinge, von denen die Kollegen mehr verstehen,, überlässt er auch gerne ihnen. So bestellen beispielsweise Dominik Klein und Filip Jicha seit der vergangenen Saison die Sportausrüstung für die Mannschaft. "Sie kennen sich im adidas-Sortiment viel besser aus als ich."

Der zweifache Vater legt allerdings großen Wert darauf, dass Bewährtes erhalten bleibt. Die einheitliche Anzugsordnung beispielsweise, die der THW schon in der Außenwirkung von vielen anderen Teams abhebt. Der Spielerkreis nach dem Abpfiff. Die Disziplin. "Es sind Kleinigkeiten, aber ich halte es beispielsweise für wichtig, dass alle rechtzeitig zum Frühstück erscheinen." Die Mannschaft zählt, Ausnahmen gibt es - nicht. Auch nicht für die Superstars. Es sind diese Kleinigkeiten, die den THW in jenes Team verwandelt haben, das zuletzt sechsmal in Folge Meister wurde, das viermal in Folge ins Finale der Champions League einzog. "Mir war es wichtig, dass wir an Dingen wie diesen festhalten. Auch ihnen verdanken wir unseren Erfolg."

Ahlm ist aber auch ein Typ, der sich über den Handball und dessen Zukunft Gedanken macht. Der weiß, dass Ergebnisse alleine nicht reichen, um seinen Sport populärer zu machen. So akzeptierte er, dass das gemeinsame Auslaufen nach den Spielen mittlerweile durch die zahlreichen Interviewwünsche zerstückelt wurde. "Für uns als Mannschaft ist das natürlich schade", sagt Ahlm. "Aber es würde auch keinen Sinn machen, darauf zu bestehen."

Nein, bereut habe er es noch keinen einzigen Tag, Kapitän des THW Kiel geworden zu sein. Auch nicht in jenen Tagen nach den denkwürdigen Niederlagen in Balingen (23. Dezember 2009/37:39) und dem bitteren Aus im Viertelfinale um den DHB-Pokal am 7. Februar 2010 beim VfL Gummersbach (28:35). Balingen, so Ahlm, sei keine Katastrophe gewesen. "Solche Spiele hat es in der Geschichte, des THW immer wieder gegeben. Das war zwar sehr bitter, kann aber passieren." Und Gummersbach? Das, so Ahlm, sei "viel schlimmer" gewesen. In jenem denkwürdigen Spiel in der Eugen-Haas-Halle hätten sie ihre Disziplin verloren. Den Unterschied. "Da war auf einmal alles verschwommen." Hatte die Mannschaft nach dem Abschied von Stefan Lövgren, Nikola Karabatic und Vid Kavticnik ein zu großes Loch zu stopfen? "Innerhalb der Mannschaft haben wir darüber nicht viel diskutiert," sagt der 114-fache Nationalspieler. "Aber es war sehr wichtig, dass der Verein damals Daniel Narcisse verpflichtet hat. Das hat uns einen Schub gegeben." Aber hatte der THW nach dem Abschied dieses Trios ein Problem mit der Hierarchie, die zu Lövgrens Zeiten in Stein gemeißelt war?

Ahlm denkt lange nach, bevor er darauf antwortet. Auszuschließen sei das nicht, sagt er schließlich. "Es kann sein, dass das der Grund gewesen ist." Auch im Herbst 2009 hätte die Disziplin nicht immer gestimmt. Nicht jeder, so Ahlm, habe sich auf und neben dem Spielfeld an die Regeln gehalten. Aber die Ergebnisse hätten trotzdem gestimmt. Bis Gummersbach kam. "Das war ernüchternd für Mannschaft und Verein." In zahllosen Gesprächen hätten sie Art und Weise der Niederlage besprochen.

Unter anderem sei es für die Neuzugänge aufklärend gewesen, was bei einem Verein wie dem THW von ihnen erwartet wird. Hier, wo nicht nur Handball gespielt, sondern in der Stadt gelebt wird. "Wir sind in diesen Tagen wieder eine Einheit geworden." Eine, die Spiele auch dann gewinnt, wenn der Rückstand unaufholbar scheint. So wie im "Final4" in Köln, als sie gegen den FC Barcelona und Ciudad Real nahezu hoffnungslose Situationen begradigten. Öder der für die Meisterschaft so entscheidende 32:25-Sieg in Hannover, als die Hausherren schon 14:11 (26.) führten. "Wir wussten in diesem. Spiel aber, dass wir gewinnen, wenn wir unsere Disziplin nicht verlieren." Verloren sie nicht. In Gummersbach geschah es zum letzten Mal.

"Marcus ist der Richtige"

Filip Jicha, stellvertretender Spielführer des THW Kiel:

"Ein Kapitän muss ein Freund, aber auch ein Anführer sein. Das macht Marcus sehr gut, seine Ruhe, seine analytische Art hat allen viel geholfen. Er hat dieses Amt schließlich in einem schwierigen Jahr übernommen, alles war neu. Neue Mannschaft, neues Umfeld, sogar die Geschäftsstelle ist umgezogen. Dass er in Köln den Champions-League-Pokal in die Höhe recken durfte, war der Lohn für seine Arbeit. Vor allem nach dem Gummersbach-Spiel war er von morgens bis abends unterwegs und hat sehr viele Gespräche geführt. Marcus war und ist der optimale Mann für diesen Job, auch weil er auf dem Feld die entsprechenden Leistungen bringt."

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 27.08.2010)


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