Aus den Kieler Nachrichten vom 19.07.2011:
St.-Gilles-les-Bains. Seit der Ankunft des THW Kiel
hat La Reunion neben dem Cratere le Dolomieu einen
zweiten aktiven Vulkan. Trotz der paradiesischen
Umgebung brodelt
Alfred Gislason, der Trainer des
Handball-Rekordmeisters. Ist es der fehlende Assistent?
Der neue Geschäftsführer? Oder die jüngste
Kritik von
Christian Zeitz an seinem Führungsstil?
Mit
Alfred Gislason sprach KN-Redakteur Wolf Paarmann.
- Kieler Nachrichten:
-
Herr Gislason, wie geht es Ihnen?
- Alfred Gislason:
-
Gut, ich habe ein paar erholsame Wochen hinter mir. Auch
wenn ich viele Handball-Telefonate führen musste. Mehr, als ich erhofft hatte.
- Kieler Nachrichten:
-
Einige werden sich um den ehemaligen Co-Trainer Ole Viken
gedreht haben. Hat Sie sein plötzlicher Abschied überrascht?
- Alfred Gislason:
-
Nein, wir beide haben schon vor sechs Monaten darüber
gesprochen. Ein Grund war, dass seine Frau nach Norwegen
gehen wollte, weil sie dort als deutsche Ärztin leichter
einen Job findet. Und Ole hatte ein Angebot, in seiner Heimat
als Fitness-Trainer zu arbeiten. Sein Weggang ist schade, weil er mich sehr entlastet
hat.
- Kieler Nachrichten:
-
Wird Raul Alonso, der bislang für
die Jugendarbeit zuständig war, sein Nachfolger?
- Alfred Gislason:
-
Wir haben viel in den Nachwuchs investiert, und Raul,
der hier eine sehr gute Arbeit leistet, würde dann fehlen.
Erst einmal werde ich ohne Assistenten arbeiten. Ole hat
sich ja auch nicht um taktische Dinge gekümmert, sondern
um die Athletik. Und bevor er kam, habe ich zwölf Jahre lang alles allein gemacht,
Taktik und Kraft.
- Kieler Nachrichten:
-
Klaus Elwardt hat mittlerweile
den erkrankten Manager Uli Derad
ersetzt. Wie war Ihr Verhältnis zu Derad und welche Erwartungen
haben Sie an seinen Nachfolger?
- Alfred Gislason:
-
Klaus war schon als Aufsichtsrat
unglaublich aktiv und hat dabei quasi halbtags
wie ein Geschäftsführer gearbeitet. Das ist eine sehr gute
Lösung. Uli? Ich habe alles getan,
um ihm zu helfen und nicht gegen ihn gearbeitet.
Privat hatten wir wenig miteinander zu tun, aber ich habe
auch wenig Zeit für Privates.
- Kieler Nachrichten:
-
Wie zufrieden Sie sind mit dem Zustand der Mannschaft?
- Alfred Gislason:
-
Sehr. Sicher, nicht jeder ist hier in einer Super-Form angekommen.
Aber ein Vorteil einer kurzen Pause ist, dass
die Spieler kaum an Fitness verlieren können. Etwas unsicher
bin ich mir, was Dominik Klein angeht. Ihm hat ein Zeckenbiss
offenbar Probleme bereitet.
- Kieler Nachrichten:
-
Im September beginnt der Prozess
gegen Uwe Schwenker, Ex-Manager des THW, und
Noka Serdarusic, den ehemaligen
Trainer. Befürchten Sie durch dieses bundesweite Medienereignis
Auswirkungen auf die Mannschaft?
- Alfred Gislason:
-
Nein. Ich hoffe nur, dass diese Geschichte bald vorbei ist.
Auch auf mein Verhältnis zu Uwe wird der Prozess keinen
Einfluss haben. Ich bin nicht der Typ, der alle paar Jahre
seinen Freundeskreis auswechselt. Und meine Beziehung
zu Uwe werfe ich nicht einfach so weg.
- Kieler Nachrichten:
-
Christian Zeitz hat im jüngsten
"Zebra-Journal" gesagt, Ihr Führungsstil sei zu demokratisch
gewesen und Sie hätten ihn erst nach einem Gespräch
mit Vertretern der Mannschaft geändert.
- Alfred Gislason:
-
Das ist lächerlich. Meinen Stil habe ich in den vergangenen
15 Jahren nicht geändert. Profi-Handball ist keine Demokratie.
Ich rede mit Spielern viel über Taktiken, um zu sehen,
ob Sie sie verstehen. Das gilt besonders für Christian,
der sich bei Videoanalysen nie zu Wort meldet. Weil ich so
viel mit ihm geredet habe, hat er immerhin so viele Taktiken
verstanden, dass wir am Ende Zweiter wurden und nicht
Dritter. Vielleicht habe ich aber mit meiner Art, mit Spielern
umzugehen, den einen oder anderen überschätzt.
- Kieler Nachrichten:
-
Was erwarten Sie von Ihrer Mannschaft in der kommenden
Saison?
- Alfred Gislason:
-
Einige müssen sich mehr mit dem eigenen Spiel beschäftigen.
Das Rotationssystem, das wir spielen wollen, ist in erster
Linie Kopfsache. Egoismus ist fehl am Platz. Es ist
mir lieber, einer wirft drei Tore in drei Versuchen als acht in
15. Was ich am Ende erwarte? Eine Saison ohne Meisterschaft
ist unbefriedigend.
(Das Gespräch führte Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 19.07.2011)