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04.08.2012 Handball international

Kieler Nachrichten: "Ein großer Betrug an Kim"

Die plötzlich arbeitslosen Handballer aus Kopenhagen wollen sich Olympia nicht verderben lassen

Aus den Kieler Nachrichten vom 04.08.2012:

Real Madrid, Halbfinalist in der vergangenen Champions-League-Serie, hat zwar knapp 600 Millionen Euro Verbindlichkeiten. Dass der spanische Rekordmeister deshalb einfach so von der Fußball-Landkarte verschwindet, ist dennoch undenkbar. Kein Wunder bei einem Umsatz von 480 Millionen in der Saison 2010/2011. Im Handball ist genau das geschehen: AG Kopenhagen gibt es nicht mehr.
Die dänischen Handballer machen in London allerdings nicht den Eindruck, als wollten sie sich von der Insolvenz des Champions-League-Halbfinalisten von ihrer "Mission Medaille" abbringen lassen. Drei Spiele haben sie absolviert, drei Siege stehen zu Buche. Nach dem 26:25 am Donnerstagabend über Serbien machte Rene Toft Hansen unmissverständlich klar: "Kopenhagen ist in unserer Mannschaft kein Thema." Für ihn persönlich müsste es dies auch nicht sein, denn der Kreisläufer hat den Pleite-Club aus der dänischen Hauptstadt verlassen und in der deutschen Handball-Hauptstadt beim THW angeheuert, doch so leicht steckt auch ein Zwei-Meter-Mann eine solche Geschichte nicht weg: "Ich bin sehr enttäuscht und traurig, ich habe von diesen Problemen gar nichts gewusst. Gleichzeitig bin ich aber auch froh, in Kiel spielen zu dürfen."

Den umgekehrten Weg ist wie berichtet Kim Andersson gegangen. Man könnte auch sagen: Das ist ganz dumm gelaufen. Seinen bis 2013 laufenden Vertrag bei den "Zebras" hat er aufgelöst und in Kopenhagen für vier Jahre unterschrieben. Nun ist der Schwede erst einmal arbeitslos und sein Berater fassungslos. "Das ist ein großer Betrug an Kim. Kopenhagen hätte ihn niemals holen dürfen", schimpft Jochen Bergener. "Doch jetzt ist der schöne Plan Dänemark gestorben", klagt Bergener und muss sich auf die Suche nach einem neuen Arbeitgeber für seinen Mandanten begeben.

Der will erst nach den Spielen entscheiden, ob er den Mittelklasse-Club in Ystad verstärkt oder einen anderen oder seine Qualitäten nicht lieber noch einmal bei einem europäischen Topverein zur Geltung bringt. Nach der 32:33-Niederlage am Donnerstagabend gegen Island - Andersson traf sechsmal, stand aber im Schatten der "Kieler" Isländer Aron Palmarsson (9) und Gudjon Sigurdsson (7) - wirkte er genervt: "Zu diesem Thema sage ich hier gar nichts mehr. Ich konzentriere mich jetzt auf Olympia." THW-Legende Magnus Wislander meinte: "Kim ist mit fast 30 in einem schönen Alter, da kann er in Ruhe überlegen. Es würde mich nicht überraschen, wenn er in Schweden spielen würde. Nicht unbedingt in Ystad. Wenn er ins Ausland geht, dann alleine. Seine Familie wird im Haus in Ystad bleiben."

Mikkel Hansen ist in einer ähnlichen Lage wie Andersson. Das Rückraum-Ass der Dänen hat am Dienstag erfahren, dass er den Status eines Arbeitslosen besitzt. Das jedoch ist nur ein vorübergehendes Missgeschick, und der 24-Jährige macht auch nicht den Eindruck, als würde ihn das sonderlich beeindrucken. Am Mittwoch weilte er in Wimbledon, um die Tennisspielerin Caroline Wosniacki zu unterstützen. Anschließend sagte er: "Ich mache mir hier über dieses Thema überhaupt keine Gedanken. Ich bin in London, um eine Medaille zu gewinnen und Spaß zu haben. Alles andere ergibt sich später."

Das ist keine typisch dänische Lockerheit, sondern eher Hansens realistischen Chancen auf dem Arbeitsmarkt geschuldet. Nationaltrainer Ulrik Wilbek: "Mikkel kann sich seinen Verein aussuchen." Außerdem sei Hansen auf Gold fokussiert: "Der lässt sich nicht ablenken." Wilbek stört an Kopenhagens Pleite ("Ich habe es geahnt, aber nicht gewusst") nur, dass sein Land nun im Club-Handball international keine Rolle mehr spielen wird. "Wir hatten 30 Jahre lang keinen europäischen Topverein, deshalb ist das sehr schade." Dafür ist das Nationalteam stark. Auch dank Mikkel Hansen. Gegen Serbien war er mit sieben Toren bester Schütze.

(von Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 04.08.2012)


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