|
Kaum ein Durchkommen: Mit einer starken Abwehrleistung legten die Kieler den Grundstein für
den klaren Erfolg in Balingen.
©
HBL |
Der THW Kiel hat für mindestens drei Tage
die Tabellenführung in der DKB Handball-Bundesliga übernommen.
Am Mittwochabend feierten die "Zebras" einen zu keiner Zeit
gefährdeten 34:22 (16:6)-Kantersieg beim HBW Balingen-Weilstetten.
Bereits nach zwanzig Spielminuten führten die Kieler dank einer
starken Abwehrleistung und einem glänzend aufgelegten
Thierry Omeyer mit 12:2, erfolgreichster
Torschütze beim THW war
Marko Vujin
mit 6/2 Treffern.
Kieler Abwehrbollwerk von Beginn an
Als Balingens starker Rechtsaußen Florian Billek in der
21. Spielminute im rechten Rückraum hochstieg und mit seinem
Wurf
Thierry Omeyer überwand,
brandete riesiger Jubel auf in der ausverkauften Balinger
Sparkassen-Arena. Warum? Es war das erste Feldtor der
völlig überforderten Hausherren gegen einen THW, der das
Mitleid mit dem ersatzgeschwächten Gegner in der Kabine
liegen gelassen hatte. Von Beginn an zogen die "Zebras"
ein wahres Abwehrbollwerk auf,
Filip Jicha
an der Spitze der 3:2:1-Deckung machte es den HBW-Spielgestaltern
Felix König und Benjamin Herth nahezu unmöglich, einmal einen
schnellen Spielzug zu organisieren. Und da sich mit dem Österreicher
Roland Schlinger vor wenigen Tagen auch noch der letzte Balinger
Spieler der Kategorie "für die einfachen Tore" ins Lazarett
eingereiht hatte, vermochte die Mannschaft von Dr. Rolf Brack
keinerlei Torgefahr zu verbreiten. Dieser ließ mit Theuerkauf und
dem eigentlichen Linksaußen Frank Ettwein zwar die meiste Zeit
mit gleich zwei Kreisläufern agieren, doch das Duo war von der
konzentriert verschiebenden Kieler Abwehr zunächst ebenfalls
komplett abgemeldet. Und da zudem
Thierry Omeyer
einen guten Tag erwischt hatte und die Verlegenheitswürfe von
Häfner, Herth, Ettwein und Billek entschärfen konnte, nahm das
Grauen aus Sicht der Balinger schnell seinen Lauf. Nur zweimal,
jeweils nach Siebenmetern von Benjamin Herth in der 6. und 9. Spielminute,
musste Kiels Franzose zwischen den Pfosten im ersten Drittel
der Partie hinter sich greifen - mehr als die halbe Miete dafür,
dass die ungleiche Partie bereits vor eben diesem ersten
Feldtor durch Billek bereits entschieden war.
12:2 nach zwanzig Minuten
Denn der THW wusste größtenteils auch im Angriff zu
überzeugen.
Christian Sprenger eröffnete
den Torreigen, und
Ekberg per Strafwurf
sowie
Zeitz mit einer schönen Einzelleistung
legten ein 3:0 vor, ehe Herth seinen ersten Siebenmeter verwandelte.
Und nach dem 2:4 durch Herth drehten die Kieler erst so richtig auf:
Filip Jicha antwortete postwendend per
schneller Mitte zum 5:2, und nach einem Steal des Tschechen
erhöhte
Sprenger per Gegenstoß mit einem
tollen Leger.
Palmarsson per Durchbruch,
danach der mittlerweile für
Jicha gekommene
Narcisse per Gegenstoß zum 8:2 - der THW
war nicht zu stoppen. Auch nicht von einer Auszeit Dr. Bracks, der
mit dem Ex-Kieler
Wessig, Milosevic,
Skvaril, Billek und Liniger zwar neues Personal im Angriffsspiel
testete, die enorme Fehlerzahl aber nicht reduzieren konnte.
So erhöhten der einmal mehr spielstarke
Palmarsson,
Narcisse mit einem gewaltigen Sprungwurf
und der mittlerweile für
Zeitz gekommene
Vujin gar auf 12:2, ehe Florian Billek
endlich dem Balinger Albtraum ein Ende bereiten konnte.
Und immerhin: Bis zum Ende der ersten Halbzeit schafften es die
Gastgeber, den Rückstand nicht noch weiter anwachsen zu lassen.
Benjamin Herth und Christoph Theuerkauf gelangen bis zum Pausenpfiff
noch zwei weitere Feldtore, aber besonders die etwas nachlassende
Konzentration im Kieler Aufbauspiel war ausschlaggebend dafür, dass
der Kieler Vorsprung beim Seitenwechsel weiterhin "nur" zehn Tore
betrug.
THW erhöht auf 18:6
Die Balinger Spieler bekamen von Dr. Rolf Brack eine Kabinenpredigt
geliefert, die selbst einige Zuschauer gehört zu haben glaubten.
Eine Besserung schien sich direkt nach Wiederanpfiff aber nicht
einzustellen, denn der THW Kiel - jetzt mit
Gudjon Valur Sigurdsson
für
Dominik Klein und
Patrick Wiencek
am Kreis - erhöhte durch einen
Jicha-Dreher
und einen Treffer
Ekbergs vom Kreis
auf 18:6.
Balingen mit 5:1-Lauf
Thierry Omeyer hatte wenige
Sekunden später bereits seinen Feierabend nach zehn Paraden
und dementsprechend einer Quote von sagenhaften 62,5 Prozent gehaltener
Würfe. Dass HBW Balingen-Weilstetten im Anschluss innerhalb von
nicht einmal drei Spielminuten einen 5:1-Lauf startete und damit
die eigenen Fans plötzlich aus der Lethargie risse, lag am allerwenigsten
an
Andreas Palicka. Denn der Schwede
sah sich plötzlich einer Reihe von Gegenstößen gegenüber, nachdem
die "Zebras" im Angriff mehrere Bälle leichtfertig verdaddelten
und das Rückzugsverhalten schleifen ließen. Ein Doppelschlag des
flinken Billek, ein Konter Ettweins nach
Palmarsson-Fehlpass,
zwei unbedrängte Würfe von Theuerkauf und König - plötzlich stand
es nur noch 19:11 für den THW und
Alfred Gislason
nahm wutentbrannt seine Auszeit.
THW lässt nichts mehr anbrennen
Nach Wiederanpfiff versuchte es Balingen mit einer extrem
offensiven Abwehr, und
Marko Vujin
scheiterte zweimal am jungen Paul Bar. Doch glücklicherweise
war nun auch
Andreas Palicka hellwach,
seine Parade sowie die Treffer durch
Jicha
per Gegenstoß und
Ekberg per Siebenmeter
zum 21:11 (40.) erstickten die kurz aufflammende Euphorie bei den Gastgebern
und ihren Anhängern im Keim.
Der Rest der Partie ist schnell erzählt: Der Kieler Vorsprung pendelte
sich zwischen neun und 14 Treffern ein, beide Mannschaften boten noch
sehenswerte Aktionen. Beim HBW Balingen-Weilstetten drückten besonders
Torhüter Paul Bar und Rechtsaußen Florian Billek, desöfteren auch per
Co-Produktion, der zweiten Halbzeit den Stempel auf. Beim THW zeigte
besonders Patrick Wiencek einmal mehr seine
Offensivqualitäten, aber auch der immer wieder am Kreis lauernde
Rechtsaußen Niclas Ekberg und der in der
Schlussphase aufdrehende Marko Vujin
zeigten ansprechende Leistungen. Der Serbe setzte per Siebenmeter auch
den Schlusspunkt zum 34:22-Endstand einer Partie, in der die "Zebras"
für die kommenden Pflichtspiele ein wenig Kräfte sparen konnten.
Am Samstag in Celje
Durch den elften Erfolg im zwölften Spiel und nun 23:1 Punkten
haben die "Zebras" zumindest bis Samstagabend die Tabellenführung
in der DKB Handball-Bundesliga übernommen. Die Rhein-Neckar
Löwen (22:0) können am Wochenende aber mit einem Heimsieg über
die Füchse Berlin wieder vorbeiziehen. Die Handballer des THW
Kiel müssen sich aber bereits ab morgen auf die "VELUX EHF
Champions League" konzentrieren, denn in den kommenden Tagen
stehen die beiden Gruppenspiele gegen RK Celje Pivovarna Lasko
an. Schon am kommenden Sonnabend (16.30 Uhr, live auf Eurosport)
sind die Kieler beim slowenischen Vizemeister gefordert, daher
verzichtet die Mannschaft auch auf die Heimreise und reist
bereits am Donnerstagmorgen von Stuttgart aus über Graz nach
Celje. Das Rückspiel in der Sparkassen-Arena wird am kommenden
Mittwoch, den 21. November um 19 Uhr angepfiffen, im
Vorverkauf sind noch Tickets in allen Preiskategorien aus dem
nicht genutzten Gästekontingent verfügbar.
(Sascha Krokowski)
Bitte lesen Sie auch
HBW-Trainer Dr. Rolf Brack:
Wir müssen der Realität ins Auge schauen, wir spielen gegen
die beste Abwehr und dem bestn Angriff der Welt. Ich hatte
nicht viel Zeit zum Einspielen mit den neuen Spielern. So sehe
ich das Positive: vor allem die Zuschauer, die bei nur vier
Toren immer noch hinter der Mannschaft standen. Positiv war
auch, dass der Torhüter in der zweiten Halbzeit zwölf gehaltene
Bälle hatte.
Meine Halbzeitansprache war sehr emotional.
Wir hatten 17 technische Fehler in der ersten Halbzeit.
Personelle Probleme hin oder her, es waren auch etablierte
Spieler, die nicht ihr Können abriefen. Die kämpferische
Einstellung war okay, es gibt aber noch viele Probleme in
der Abwehr. Ein großes Kompliment an Kiel.
Unsere taktischen Möglichkeiten werden noch nicht umgesetzt,
hier sind wir sehr begrenzt. Wir müssen aus der personellen
Situation das Beste machen. Ich hatte die letzten 15 Minuten
sechs Spieler auf dem Feld, die vor sechs Monaten noch nicht
bei uns waren. Jetzt haben wir noch Zeit zum Arbeiten, aus
dem Vorhandenen was zu machen.
Erst einmal bin ich immer zufrieden, wenn wir aus Balingen
abreisen und wir beide Punkte mitnehmen. Ich war zufrieden
mit der Abwehr, in der zweiten Halbzeit war ich sehr unzufrieden,
besonders zu Beginn, als wir vier Tore hintereinander bekamen.
Aber insgesamt war ich sehr zufrieden vor allem mit der Abwehr.
HBW-Geschäftsführer Bernd Karrer:
Meine Gefühlswelt ist wesentlich besser als letzte Woche in
Tübingen. Ich hatte vor dem Spiel zwei Bedenken: ein großes
Minus im Torverhältnis und eine weitere Verletzung - mit dem
Resultat: keine Verletzung und mit dem Ergebnis bin ich zufrieden.
Wir haben den THW gern hier, weil sie sehr sympathisch rüber
kommen, weil sie sehr fair sind, das haben auch unsere
Zuschauer honoriert - wir wünschen dem THW alles Gute.
- HBW Balingen-Weilstetten:
-
Putera (1.-30., 5/1 Paraden),
Bar (31.-60., 10 Paraden);
König (1),
Foth,
Herth (3/2),
Milosevic,
Tubic,
Ettwein (1),
Theuerkauf (4),
Wessig,
Häfner (2),
Skvaril (1),
Billek (8),
Liniger (2/2);
Trainer: Brack
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-34., 10/1 Paraden),
Palicka (34.-60., 6 Paraden);
Sigurdsson (2),
Sprenger (3),
Ahlm,
Wiencek (3),
Ekberg (5/2),
Zeitz (1),
Palmarsson (4),
Narcisse (4),
Ilic (1),
Klein (1),
Jicha (4),
Vujin (6/2);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Nils Blümel / Jörg Loppaschewski
- Zeitstrafen:
-
HBW: 2 (Brack (48.), Foth (58.));
THW: 2 (Ahlm (28.), Ilic (57.))
- Siebenmeter:
-
HBW: 5/4 (Omeyer hält Herth (23.));
THW: 5/4 (Putera hält Ekberg (26., Nachwurf verwandelt))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:3 (5.), 1:3, 1:4, 2:4 (9.), 2:12 (20.), 3:12, 3:14 (24.), 4:14, 4:15, 5:15,
5:16, 6:16;
2. Hz.: 6:18, 9:18 (35.), 9:19, 11:19, 11:21, 12:21 (41.),
12:22, 13:22, 13:24 (46.), 14:24, 14:27, 15:27, 15:29 (52.),
16:29, 16:30, 18:30 (55.), 18:31, 19:31, 19:32, 21:32,
21:33, 22:33, 22:34.
- Zuschauer:
-
2239 (ausverkauft) (Sparkassen-Arena, Balingen)
Aus den Kieler Nachrichten vom 15.11.2012:
Im lockeren Trab zum Sieg
THW schwingt sich durch ein 34:22 in Balingen zum neuen Tabellenführer auf
Balingen. Souverän hat der THW
Kiel gestern in Balingen gewonnen.
Mit einem 34:22 (16:6)-Erfolg setzte sich der Rekordmeister
gegen chancenlose Schwaben durch - und ist nun wieder Tabellenführer.
"Ohne Sechs kann man ein Spiel nicht gewinnen", meinte HBW-Trainer
Rolf Brack, "das ist nicht nur im Skat so." Vor allem nicht, wenn es gegen
den Branchenriesen aus Schleswig-Holstein geht, der seine Pflichtaufgabe
beim württembergischen Low-Budget-Klub souverän,
aber unspektakulär
löste.
"Wenn man beim THW nicht aufpasst, dann geht es ganz
schnell", hatte der Balinger Kommandogeber seine Rumpftruppe vor den Kieler Kontern
gewarnt. Und so versuchten die stark ersatzgeschwächten Schwaben mit langen
Angriffen, "das Ergebnis im Rahmen zu halten", so Brack. Das aber
gelang überhaupt nicht. Während der Außenseiter
gegen die massive 3:2:1-Abwehr keine Mittel fand, nutzte
der THW seine Chancen souverän und führte
nach sechs Minuten mit 4:1. Benjamin Herth hielt die Schwaben mit
seinen zwei Siebenmeter-Toren kurzeitig
Schlagdistanz (2:4/ 8.). In der Folgezeit fand
der Balinger Fusionsklub offensiv nicht
mehr statt, fiel nach einem Kieler 5:0-Lauf vorentscheidend mit
2:9 zurück (13.).
Auf der Gegenseite nagelte Thierry Omeyer
seinen Kasten zu. Egal, welche Wurfvariante der Tabellenzwölfte
auch versuchte, der Franzose war schon in
der richtigen Ecke. Vor dem 36-Jährigen arbeitete die Kieler Abwehr
hervorragend, stellte den Balinger Rückraum kalt und ließ keine
Anspiele an den Kreis zu. Erst nach 20 Minuten gelang den Schwaben durch Florian
Billek das erste Feldtor! Ein Gegentreffer
ohne ernsthafte Konsequenzen für die Kieler, die den Zehn-Tore-Vorsprung
konservierten (4:14/ 24.). "Das war ein ganz schwacher Auftritt
meiner Mannschaft", urteilte Brack. Und so blieb es eine einseitige
Angelegenheit. "Mehr als ein Klassenunterschied,
aber Kiel ist auch die beste Mannschaft der Welt", so der HBW-Coach weiter,
"aber sechs Tore in einer Halbzeit sind
nicht ligatauglich."
Auch nach dem Seitenwechsel blieb Balingen-Weilstetten zunächst
nur die Statistenrolle. Kiel trotzte dem Drei-Tage-Spielrhythmus
mit einer ebenso konsequenten wie konzentrierten Vorstellung. Mit drei
Kontertoren betrieben Billek und Frank Ettwein
etwas Ergebniskosmetik (9:18/ 34.), doch entscheidend kamen
die Schwaben nicht heran, zumal
THW-Coach Alfred Gislason früh die Grüne
Karte zückte. Die einminütige Ansprache des Isländers zeigte
Wirkung: Filip Jicha und Niclas Ekberg
stellten den alten Zehn-Tore-Abstand wieder
her (11:21/ 39.).
Dennoch: Der HBW präsentierte sich nun
als adäquater Spielpartner, obwohl im stehenden
Angriff weiterhin nur wenig zusammenlief. Kiel tat nicht
mehr als nötig, baute trotzdem den Vorsprung
auf 30:17 (53.) aus. Brack war dennoch
nicht unzufrieden. Nach einer emotionalen
Pausenansprache habe seine Mannschaft besser gespielt, meinte
er und fügte süffisant hinzu: "Im Vergleich zu
den ersten 30 Minuten haben wir nach der Pause überragend gespielt."
Ein konträres Fazit zog sein Gegenüber:
"In der ersten Halbzeit war ich sehr zufrieden mit der Abwehr
und der Leistung meiner Mannschaft. Das kann ich von den
zweiten 30 Minuten nicht behaupten. Meine
Spieler haben nachgelassen.
Das kann man sich in Balingen eigentlich
nicht erlauben."
Die Kieler haben mit dem zehnten Saisonsieg vorerst die Tabellenführung
übernommen und fiebern nun dem Spitzenspiel bei den Rhein-Neckar Löwen
am 28. November entgegen. In Mannheim wird sich zeigen, ob die
Bundesliga wieder einen Alleingang der Zebras befürchten muss.
(von Marcus Arndt, aus den Kieler Nachrichten vom 15.11.2012)