Aus den Kieler Nachrichten vom 03.04.2013:
Brünn. Die tschechische Handball-Nationalmannschaft trifft
morgen (17 Uhr/Eurosport ab 17.15 Uhr) in Brünn auf
Deutschland. Anlass ist die Qualifikation zur EM 2014, in
der beide Nationen hinter Montenegro (4:0) punktgleich (2:2)
auf den Plätzen zwei und drei liegen. Am Sonntag treffen sich
beide Nationen in Halle/Westfalen (14.20 Uhr/WDR) zum Rückspiel.
Unsere Zeitung sprach mit dem tschechischen Kapitän
Filip Jicha (THW Kiel).
- Kieler Nachrichten:
-
Sie sind nach dem 30:27-Sieg gegen den HSV Hamburg
am Sonnabend schnell verschwunden. Warum?
- Filip Jicha:
-
Ich bin direkt nach Prag geflogen, um mich dort mit einigen Kollegen
wie Daniel Kubes (Melsungen, d. Red.) und
Petr Stochl (Berlin) zu treffen. Wir haben über die Zukunft des
tschechischen Handballs diskutiert, dazu fühlen wir uns alle
verpflichtet. Im Sommer wählt unser Verband einen neuen Präsidenten,
das ist für uns alle ein richtungsweisender Termin.
- Kieler Nachrichten:
-
Bisher wurde die Nationalmannschaft Ihres Landes von den Funktionären
sehr stiefmütterlich behandelt. Besteht Hoffnung, dass sich das ändert?
- Filip Jicha:
-
Es muss, und wir bieten den Dialog an. Viele von uns spielen in der
besten Liga der Welt, bei sehr professionellen Clubs. Wir haben schon
alles miterlebt, dieses Fachwissen sollte unser Verband nutzen. Sogar
Jan Filip, der in der Schweiz lebt und gar nicht mehr mit uns spielt,
ist zu dem Treffen gekommen. Würde mich jemand fragen, würde ich ihn
für eine wichtige Funktion vorschlagen.
- Kieler Nachrichten:
-
Was würde es für Ihre Karriere in der Nationalmannschaft bedeuten,
wenn sich nichts ändert?
- Filip Jicha:
-
Dann hat es für mich eigentlich auch keinen Sinn mehr. Ich habe mir
vorgenommen, diese Saison zu Ende zu spielen. Danach kann es gut sein,
dass ich zurücktrete. Meine Freizeit ist knapp bemessen. Ich habe zwei
Kinder, an die muss ich auch denken.
- Kieler Nachrichten:
-
Was erwartet die deutsche Mannschaft im Hinspiel in Brünn?
- Filip Jicha:
-
Wir fühlen uns hier sehr wohl. Vor viereinhalb Jahren haben wir hier
in der Qualifikation für die EM 2010 sogar gegen Frankreich gewonnen,
wir müssen uns also nicht verstecken. Brünn liegt sehr zentral, es
können also Fans aus allen Teilen der Republik kommen. Und das werden
sie auch.
- Kieler Nachrichten:
-
Haben Spiele gegen Deutschland einen besonderen Stellenwert?
- Filip Jicha:
-
Klar. Für viele von uns ist Deutschland eine zweite Heimat geworden,
wir haben dort viele Freunde, mit Alois Mraz hat einer von uns sogar
eine deutsche Frau. Wir freuen uns auf die Spiele. Außerdem liegt der
Druck nicht bei uns. Es ist ein Unterschied, ob ein Spiel gewonnen
werden muss. Oder es gewonnen werden kann.
- Kieler Nachrichten:
-
Sie können, die Deutschen müssen?
- Filip Jicha:
-
So sehe ich das. Von uns wird nicht viel erwartet, in Deutschland
ist die Erwartungshaltung nach der guten WM
aber sehr gestiegen. Wir wollen lange mithalten, die Deutschen ärgern.
Sie sind klarer Favorit.
- Kieler Nachrichten:
-
Hat Sie die Leistung der Deutschen, die in Spanien Fünfter geworden
sind, überrascht?
- Filip Jicha:
-
Absolut. Vor dem Turnier hatte ich ihnen wenig zugetraut und uns
in den Quali-Spielen gegen Deutschland deutlich mehr. Aber bei der
WM sind sie eine Einheit geworden. Sie haben
gemeinsam ein Ziel verfolgt und Handball mit Spaß gespielt. Das hat
mir sehr gut gefallen.
- Kieler Nachrichten:
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Nun wird mit Oliver Roggisch der Abwehrchef und Kapitän ausfallen.
Vorteil Tschechien?
- Filip Jicha:
-
Schwer zu sagen. Zunächst einmal tut es mir für ihn leid, diese
Spiele hätten mit Olli stattfinden sollen. Er ist ein Typ, der
eine Mannschaft führt. In dieser Funktion wird er sicherlich
fehlen. In der Deckung spielt Deutschland mit ihm aber immer wieder
auch verrückte Dinge. Ich hatte bislang keine großen Probleme gegen
eine Abwehr mit Roggisch.
- Kieler Nachrichten:
-
Fällt in diesen beiden Spielen eine Entscheidung darüber, wer zur
EM fährt?
- Filip Jicha:
-
Ich denke schon. Wenn eine Mannschaft beide Spiele gewinnt, dürfte
sie es geschafft haben. Aber auch der Verlierer hat noch gute Chancen.
Wir spielen zu Hause gegen Montenegro (22:23 im Hinspiel, d. Red.)
und Deutschland traue ich zu, in Montenegro (Hinspiel 27:31) zu
gewinnen.
(Das Gespräch führte Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 03.04.2013)