|
Am Ende jubelten die Magdeburger mit ihren Fans.
©
HBL |
Nach 17 Siegen in Folge hat es den THW Kiel in der DKB Handball-Bundesliga
am 9. Spieltag wieder erwischt: Beim stark ersatzgeschwächten, aber
unerbittlich kämpfenden SC Magdeburg unterlagen die "Zebras" am Mittwochabend
verdient mit 31:34 (13:16). Auch 10/6 Treffer von
Filip Jicha
konnten die Niederlage im Hexenkessel GETEC-Arena letztlich nicht verhindern.
Bei den Gastgebern ragte Nationalspieler Stefan Kneer mit neun Toren heraus.
Magdeburg ohne sechs
In der Magdeburger GETEC-Arena hatten in dieser Saison bereits
die SG Flensburg-Handewitt (27:29) und die Rhein-Neckar Löwen
(31:31) Punkte liegen lassen. Dennoch ging der neu formierte
THW Kiel als Favorit in die Partie, denn beim SCM fielen mit
den Spielmachern Michael Haaß und Marko Bezjak, Linkshänder
Andreas Rojewski, Linksaußen Yves Grafenhorst und den abwehrstarken
Kreisläufern Kjell Landsberg und Marco Oneto gleich sechs
Stammspieler aus. Somit rückten einige Akteure der in der
3. Liga spielenden "YoungsterS" in den Fokus: Kreisläufer
Tim Willi Ackermann stand ebenso auf dem Spielberichtsbogen
wie die Rückraumspieler Maximilian Janke und Bert Hartfiel,
die sogar in der Magdeburger Startformation standen.
THW-Coach Alfred Gislason konnte
erstmals in der Saison richtig aus dem Vollen schöpfen, auch wenn
einige seiner Spieler angeschlagen in die Partie gingen.
Aron Palmarsson durfte von Beginn
an Regie führen, neben ihm starteten Filip Jicha
und Marko Vujin, Gudjon Valur Sigurdsson
und Christian Sprenger auf den Außenbahnen,
Rene Toft Hansen am Kreis und
Andreas Palicka zwischen den Pfosten.
Ausgeglichene Anfangsphase
Dass es trotz der personellen Notlage bei den Gastgebern
alles andere als eine leichte Partie für den THW Kiel werden
würde, dafür sorgten alleine schon die 6.330 Zuschauer in der
nahezu ausverkauften GETEC-Arena, die ihre Mannschaft schon weit vor
dem Anpfiff lautstark unterstützten. Dennoch hatten die "Zebras"
den besseren Start: Gleich im ersten Magdeburger Angriff schnappte
sich
Palmarsson den Ball und schickte
Landsmann
Sigurdsson zum 0:1 auf die
Reise. Der Kieler Linksaußen erzielte nach feinem
Vujin-Anspiel auch den zweiten Kieler
Treffer vom Kreis. Jedoch zeigte Magdeburg schnell, dass man
sich keineswegs zu verstecken brauchte: Nationalspieler Stefan
Kneer glich jeweils postwendend per Sprungwurf aus, und nach
Vujins Hüftgeschoss zum Kieler 3:2
sorgten Musche und ein Weber-Gegenstoß nach
Jicha-Fehlpass
beim 4:3 sogar für die erste Führung der Grünen. Die GETEC-Arena
stand Kopf.
Duell der Angriffsreihen
Die "Zebras" behielten allerdings zunächst die Partie im Griff.
Jicha antwortete per schneller Mitte
zum 4:4, und nachdem Kneers Wurf an den Pfosten donnerte und
Palicka gegen Hartfiel parierte,
hatten
Sprenger mit einem feinen Leger
sowie
Vujin aus zehn Metern das
Ergebnis auf 6:4 (9.) für die Kieler gestellt. Es war eine rasante,
von den Angriffsreihen bestimmte Anfangsphase, weder die beiden
6:0-Defensivreihen noch die Torhüter konnten Akzente setzen.
Dies änderte sich aber schlagartig nach Palmarssons
Treffer zum 7:5: SCM-Trainer Frank Carstens brachte Dario Quenstedt
für den glücklosen Eijlers zwischen die Pfosten, und mit dem
Magdeburger Eigengewächs im Tor wuchs das Selbstvertrauen in der
Abwehr der Gastgeber. Toft Hansen gelang
zwar noch das 8:6 für die "Zebras", doch nach zwei Treffern des
erst vor dem Wochenende reaktivierten Jugendkoordinators Bennet
Wiegert konnten die Sachsen-Anhaltiner egalisieren. Alfred Gislason
versuchte seinerseits, mit einem Torhüterwechsel sowie dem
Umstellen auf eine 3:2:1-Deckung Impulse zu setzen. Doch gegen
unermüdlich kämpfende Magdeburger mit einem famos aufspielenden
Stefan Kneer und Bartosz Jurecki am Kreis war dies nicht genug.
Durch zwei Paraden Quenstedts gegen Vujin
und den unglücklich agierenden Palmarsson
bekamen die Gastgeber langsam Oberwasser, durch einen Strafwurf und
einen Gegenstoß nach einem technischen Fehler Jichas
lag der SCM plötzlich mit 11:9 (18.) vorne.
Magdeburg erarbeitet sich Pausenführung
Gislason stellte weiter um, brachte
zunächst kurzfristig
Wael Jallouz
für
Jicha und wenig später
Rasmus Lauge für
Aron Palmarsson.
Und nachdem
Vujin in Unterzahl den
11:12-Anschluss markierte und
Sjöstrand
erstmals Sieger gegen Kneer blieb, hatten der Rekordmeister
die Chance zum Ausgleich. Doch wieder machte der nun furios
aufspielende Quenstedt den Kielern einen Strich durch die
Rechnung: Der 24-Jährige parierte vor der Pausensirene
nicht nur gegen
Sigurdsson und
Lauge, sondern entschärfte auch
noch zwei Strafwürfe von
Vujin
und
Ekberg samt Nachwurf. Die
GETEC-Arena war spätestens nach dem frechen Treffer Webers,
zum 14:11, der einen bereits verloren geglaubten Ball noch aus
dem Kieler Kreis fischte und energisch abschloss, endgültig
zu einem Tollhaus geworden, Fans und Mannschaft glaubten an
den Heimsieg, zumal der Drei-Tore-Vorsprung auch bis zur
Pausensirene Bestand hatte.
THW gelingt Ausgleich nach Wiederanpfiff
Laut sollte es zugegangen sein in der Kieler Kabine, bereits
nach fünf Minuten kehrten die "Zebras" aufs Parkett zurück,
um eine erneute erfolgreiche Aufholjagd zu starten. Die
Vorzeichen standen nicht schlecht, zumal die Magdeburger die
zweiten dreißig Minuten in Unterzahl beginnen mussten, nachdem
die Schiedsrichter
Baumgart/Wild
kurz vor dem Seitenwechsel dann doch einmal dazu durchringen
konnten, für die harte Gangart in der Magdeburger Deckung eine
Zeitstrafe zu verteilen. Und tatsächlich:
Vujin
und
Jicha per Strafwurf verkürzten
auf 15:16, und nach einer weiteren Zeitstrafe gegen Wiegert war
der SCM nach 36 Minuten durch den vierten
Toft-Hansen-Treffer zum 18:18
wieder gestellt. In der Abwehr gelang dann
Filip Jicha
ein Steal, doch im Kampf um den freien Ball zog er gegen
Weber den Kürzeren - Musche wackelte den einzigen nicht
bereits aufgerückten Kieler
Toft Hansen
aus und traf zum 19:18 für die Magdeburger. Statt der
ersten Kieler Führung gewannen die Gastgeber ihr kurzzeitig
verloren geglaubtes Selbstvertrauen zurück.
Magdeburg legt wieder vor
|
Bartosz Jurecki setzte wichtige Treffer in der
Schlussphase.
©
HBL |
Und so spielten sich die Magdeburger langsam in einen Rausch.
Matthias Musche gelang es,
Marko Vujin
weitestgehend aus dem Spiel zu nehmen, Quenstedt sorgte in
wichtigen Momenten immer mal wieder für eine wichtige Parade,
und Stefan Kneer war vorne überhaupt nicht mehr zu stoppen.
Rückte die Kieler Abwehr einmal energischer gegen den Nationalspieler
heraus, fand Kneer in Bartosz Jurecki zudem einen dankbaren Abnehmer.
Auch kam beim THW zunehmend Pech dazu: Als
Vujin
beispielsweise nach seinem krachigen Treffer zum 21:22 auf dem
Parkett liegen blieb, ließen die Schiedsrichter weiterspielen -
die Unordnung in der Kieler 5:0-Abwehr nutzte Musche zum postwendenden
23:21. Und nachdem
Palmarsson einen Wurf
über den Kasten zirkelte und einmal mehr Kneer auf 24:21 erhöhte,
war der Magdeburger Drei-Tore-Vorsprung aus dem ersten Durchgang
wieder hergestellt.
THW gleicht erneut aus
Immerhin klappte beim THW aber das Spiel über den Kreis:
Rene Toft Hansen, der nun zusammen
mit
Patrick Wiencek im Mittelblock
stand, traf entweder selbst oder holte einen Strafwurf heraus.
Und vom Siebenmeterstrich blie
Filip Jicha
stets cool und hielt die Schwarz-Weißen in der Partie. Auch die
Kieler Deckung stand nun ein bisschen gefestigter und zwang die
Schiedsrichter dazu, desöfteren das passive Vorwarnzeichen zu
geben. So scheiterte Kneer aus Bedrängnis, und nachdem
Wiencek ein
Jicha-Anspiel
artistisch mit einer Hand annahm und vollstreckte und wenig
später eine Zeitstrafe gegen Hartfiel sowie einen Siebenmeter
herausholte, den
Jicha zum 24:24-Ausgleich
nutzte, schien das Momentum doch wieder auf die Seite der Kieler
zu wandern.
Indes - Magdeburg ließ nicht locker: Fabian van Olphen tankte
sich in Unterzahl durch die Kieler Deckung, traf zum 25:24 und
provozierte obendrein eine Zeitstrafe gegen den mittlerweile
gnadenlos ausgepfiffenen Vujin. Da
Sigurdsson und Sprenger
mit ihren Wurfversuchen an Quenstedt scheiterten, sorgten Jure Natek
per Hüftwurf und Tim Hornke von außen sogar wieder für das 27:24
für die Sachsen-Anhaltiner.
Kneer und Janke setzen entscheidende Treffer
Alfred Gislason nahm seine Auszeit,
stellte noch einmal auf eine 3:2:1-Deckung um, nachdem er zuvor
bereits
Andreas Palicka zurück ins Tor
beordert hatte. Dieser blieb gegen Stefan Kneer Sieger, und
nachdem
Filip Jicha einen Hartfiel-Pass
anfing und seinen Gegenstoß energisch zum 26:27-Anschlusstreffer
abschloss, waren auch neun Minuten vor Schluss noch immer beide
Punkte für den THW greifbar. Allerdings spielten die Gastgeber
bei diesem Vorhaben nicht mit. Obwohl
Andreas Palicka
zweimal gegen Natek parierte, obwohl
Christian Zeitz
zwei wichtige Anschlusstreffer setzte - der SCM hatte immer eine
passende Antwort parat. Bartosz Jurecki nutzte den sich durch die
weiter aufrückende Kieler Abwehr bietenden Raum konsequent durch
seine Tore zum 28:26 und 29:27, Kneer schraubte sich mit seinem
mittlerweile achten Treffer zum 30:28 hoch. Und nachdem den Kielern
in der Hektik bei der schnellen Mitte ein technischer Fehler
unterlief, sorgte "Youngster" Janke dreieinhalb Minuten vor Schluss
mit seinem frechen 31:28 für einen Jubelorkan. Magdeburg war dicht
vor der Überraschung, die nach Kneers Treffer zum 32:29 bei angezeigtem
Zeitspiel 120 Sekunden vor Schluss konkrete Formen annahm.
Der THW deckte nun offensiv, kam durch
Toft Hansen
zum 30:32-Anschluss. Doch als sich dann erneut Maximilian Janke
durchsetzte und 49 Sekunden vor Schluss für die Entscheidung sorgte,
gab es für Spieler und Fans kein Halten mehr.
Am Samstag in Porto
Nach dem Bilderbuchstart mit 16:0 Punkten wurde die neu formierte
"Zebra-Herde" in Magdeburg auf den Boden der Tatsachen zurück
geholt. Es wartet noch immer viel Arbeit auf
Alfred Gislason
und seine Mannschaft, die sich trotz der Pleite aber weiterhin
an der Tabellenspitze der DKB Handball-Bundesliga befindet. Viel
Zeit zum Verarbeiten der Niederlage haben die Kieler indes nicht,
denn bereits am Samstagabend sind sie in der "VELUX EHF Champions League"
bereits wieder gefordert. In Portugal treffen die "Zebras" auf den
dortigen Meister FC Porto Vitalis, Eurosport überträgt die Partie
(Anwurf: 21.15 Uhr deutscher Zeit) live.
(Sascha Krokowski)
Lesen Sie bitte auch
Ich bin sehr enttäuscht, dass wir die Null nicht gehalten haben.
Aber der Sieg war verdient. Wir waren in der Abwehr nicht gut genug.
SCM-Trainer Frank Carstens gegenüber den KN:
Durchaus ein seltenes Ereignis, vom Trainer des THW Kiel
beglückwünscht zu werden. Wir haben nur sechs technische
Fehler gemacht, uns ist heute auf den Punkt alles gelungen.
THW-Kreisläufer Rene Toft Hansen gegenüber den KN:
Wir sind selbst schuld, unsere Abwehr stand heute viel zu
schlecht. Wir waren einfach zu nett.
THW-Kapitän Filip Jicha gegenüber den KN:
Das Gerede von David gegen Goliath war Quatsch, das wussten wir
vorher. Es war klar, dass es eine solche Partie werden würde.
Wir haben in Magdeburg verloren, das kann passieren. Punkt.
SCM-Spielmacher Bennet Wiegert gegenüber den KN:
Wir waren von der Qualität her nicht besser, aber unsere Emotionen
waren heute vorzeigemäßig. Da sieht man, welche Dämme man brechen kann.
THW-Kreisläufer Patrick Wiencek gegenüber Sport1:
Wir haben heute nicht das gespielt, was wir spielen wollten
und verdient verloren. Das ist ja oft so im Handball:
Die Mannschaft, die mehr fightet, gewinnt das Spiel - und das
war heute Magdeburg. Wir haben am Wochenende ein schweres
Spiel in Porto, da müssen wir anders auftreten.
In der Bundesliga kann man sich nicht erlauben, lange dem
Spiel hinterherzuschauen, wir müssen nach vorne gucken.
SCM-Torhüter Dario Quenstedt:
gegenüber Sport1:
Wir haben die Ausfälle gut kompensiert, Landsberg ist ausgefallen,
die anderen sind in die Bresche gesprungen. Wir haben die Woche
super trainiert, Frank [Carstens] hat uns gut auf Kiel vorbereitet.
gegenüber den KN:
Der Schlüssel zum Erfolg war die extrem aggressive und
harte Abwehr. Ich weiß nicht, wie oft heute der
Mannschaftsarzt vom THW Kiel auf dem Feld gewesen ist.
SCM-Linksaußen Matthias Musche gegenüber Sport1:
Wir hatten nichts zu verlieren, haben einfach Vollgas gegeben.
Wenn es dann erstmal läuft, ist sowas wie heute möglich.
- SC Magdeburg:
-
Eijlers (1.-11. und bei drei Siebenmetern, keine Parade),
Quenstedt (11.-60., 12/2 Paraden);
Wiegert (2),
Kneer (9),
Janke (2),
Musche (4),
Hartfiel (2),
van Olphen (1),
Hornke (2),
Natek (2),
Ackermann (n.e.),
Weber (6/1),
Jurecki (4);
Trainer: Carstens
- THW Kiel:
-
Sjöstrand (12.-47., 8 Paraden),
Palicka (1.-12., 47.-60., 4 Paraden);
Toft Hansen (6),
Sigurdsson (3),
Sprenger (1),
Wiencek (1),
Ekberg (1/1),
Lauge,
Zeitz (2),
Jallouz,
Palmarsson (1),
Klein (n.e.),
Jicha (10/6),
Vujin (6);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Fabian Baumgart / Sascha Wild
- Zeitstrafen:
-
Magdeburg: 4 (Janke (30.), Wiegert (35.), Jurecki (43.), Hartfiel (46.));
THW: 2 (Toft Hansen (21.), Vujin (46.))
- Siebenmeter:
-
Magdeburg: 1/1;
THW: 9/7 (Quenstedt hält Vujin (25.) und
Ekberg (30.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:1, 1:1, 1:2, 2:2, 2:3, 4:3 (6.), 4:6, 5:6, 5:7 (10.), 6:7, 6:8, 8:8, 8:9,
11:9 (18.), 11:10, 12:10, 12:11 (22.), 14:11, 14:12, 15:12 (28.), 15:13, 16:13;
2. Hz.: 16:15, 17:15, 17:16, 18:16, 18:18 (36.), 20:18, 20:19, 21:19, 21:20 (40.),
22:20, 22:21, 24:21, 24:24 (46.), 27:24, 27:26 (51.), 28:26, 28:27, 29:27 (55.),
29:28, 31:28, 31:29, 32:29, 32:30, 33:30, 33:31, 34:31.
- Zuschauer:
-
6.330 (GETEC-Arena, Magdeburg)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 10.10.2013:
THW erlebt in Magdeburg blaues Wunder
SCM ohne sechs Stammspieler zum 34:31
Magdeburg. Es ist passiert: Nach acht Siegen verlor
Handballmeister THW Kiel in einem leidenschaftlich
geführten Spiel beim SC Magdeburg (31:34/13:16) sein
erstes Saisonspiel. Die von zahlreichen Verletzungen
geplagten Hausherren ließen sich von einem phantastischen
Publikum zu einer Leistung antreiben, die
ihnen keiner zugetraut hatte.
Die Halle war mit 6330 Zuschauern gut gefüllt, doch die
Stimmung zunächst nur eine gedämpfte. In einer Umfrage
des MDR hatten die meisten Fans, mit Bier in der Hand und
rot-grünem Schal um den Hals den Wunsch geäußert, nur
knapp zu verlieren. Die Ordner scherzten, dass sie alle
ein Trikot unter ihren roten Jacken tragen würden. Für
den Fall, dass Trainer Frank Carstens kurzfristig weiteren
Personalbedarf haben sollte. Was nicht ausgeschlossen war,
schließlich hatte sich mit Abwehrchef Kjell Landsberg
kurzfristig ein sechster Stammspieler abgemeldet. Jure
Natek, tags zuvor noch ans Bett gefesselt, spielte trotz
eines grippalen Effekts mit, Bennet Wiegert, der seine
Karriere vor Monaten beendete, kam auch vorbei. Der
31-Jährige arbeitete am Vormittag noch auf der
Geschäftsstelle, am Abend trug er die "15", das Trikot
seines verletzten Freundes Yves Grafenhorst. Wiegert, der
bereits nach zehn Minuten eingewechselt wurde, gab den
Mittelmann. "Benno kann das", wusste Alfred Gislason,
der einst mit Wiegert die letzten großen Titel der Magdeburger
gewonnen hatte - die Meisterschaft 2001, die Champions
League 2002.
Während die Hausherren mit zwei Nachwuchsspielern starteten,
präsentierten die Zebras ihre breiteste Brust. Erstmals in
dieser Saison begann Kiel mit Aron Palmarsson.
Der Isländer sollte dem Angriffsspiel Struktur geben, dafür
sorgen, dass die Hoffnungen auf ein Wunder auch solche bleiben
sollten - Hoffnungen. Aber: Gefüttert durch die Tore des
überragenden Nationalspielers Stefan Kneer und Wiegert hielt der
SCM mit, auch, weil Andreas Palicka
nicht ins Spiel fand. 8:7 (14.) für den THW stand es, als
Johan Sjöstrand für ihn eingewechselt
wurde.
Weil den Kielern im Angriff nicht viel gelingen wollte, ihnen
zunehmend leichte Fehler unterliefen, beendete der SCM einen
Gegenstoß nach dem anderen erfolgreich. Als Gislason
(18.) zur Auszeit bat, saß im weiten Rund keiner mehr - die
Hausherren führten 11:9, das Wunder nahm Formen an. Auch, weil
die Unparteiischen der SCM-Deckung sehr raue Umgangsformen
gestatteten. Besonders Kreisläufer Rene Toft Hansen
durfte von den Rot-Grünen als Sandsack und Klettergerüst genutzt
werden. In den letzten Sekunden der ersten Halbzeit setzten
Baumgart/Wild erstmals einen Magdeburger auf die Strafbank, den
folgenden Siebenmeter von Niclas Ekberg
parierte allerdings der starke Dario Quenstedt - Magdeburg führte zur
Pause mit drei Toren, die Halle tobte, die Fans hofften.
Quenstedt war auch der Held, als Magdeburg im Mai 2011 letztmals
gegen Kiel gewann.
Doch die Zebras behielten die Nerven, robbten sich durch drei
Jicha-Treffer (darunter zwei Siebenmeter)
wieder ran, in der 37. Minute stand es 18:18. Die Fans standen
längst wie eine Wand hinter ihrer Mannschaft, die Schiedsrichter,
wahrlich keine Zebra-Freunde, waren nun nur noch "Schieber". Mit
diesem Rückenwind zogen die Carstens-Schützlinge auf 24:21 (42.)
davon, steckten einen Ausgleich (24:24) weg, um sich, getragen von
der grandiosen Kulisse, erneut mit drei Toren abzusetzen (27:24/48.).
Die Kräfte schwanden, auf der Mitte stand nun der 21-jährige Max
Janke, doch ausgerechnet er, sonst in der "Zweiten" (3. Liga) zu
Hause, traf zum 31:28 - die Vorentscheidung in einer Atmosphäre,
die an alte Zeiten in Magdeburg erinnerte, an die höllischen.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 10.10.2013)