19./21.09.2005 - Letzte Aktualisierung: 21.09.2005 | Bundesliga |
Update #1 | KN-Vorbericht ergänzt |
Das Team von MT Melsungen.
©
MT |
Die Euphorie in Nordhessen ist dementsprechend groß, musste die Region doch nach dem zweijährigen Intermezzo des TV Eitra in der höchsten Spielklasse ganze zehn Jahre auf Erstliga-Handball verzichten. Der Verein zog daher um aus der kleinen Melsunger Stadtsporthalle in die 22 Kilometer entfernte Rotenburger Meirotels-Halle, die den 1500 Dauerkartenbesitzern und insgesamt maximal 2400 Zuschauern Platz bietet (siehe auch Gegnerdaten MT Melsungen).
In der neuen Halle fühlt sich das heimstarke Team - in der letzten Saison verloren sie zu Hause nur eine Partie - offenbar pudelwohl: Am ersten Spieltag wurde der VfL Pfullingen/Stuttgart mit 23:20 nach Hause geschickt, eine Woche später gelang gar ein 30:27-Überraschungssieg gegen den HSV Hamburg. Mit getanktem Selbstvertrauen trat Melsungen am vergangenen Freitag in der Magdeburger Bördelandhalle an, brachte die Gladiators des SCM an den Rande einer Niederlage und verlor nach 29:28-Führung das Spiel erst in der Schlussphase mit 29:32. Mit 4:4 Punkten liegt der Aufsteiger, der sich als Saisonziel einen optimistischen 12. Platz gesetzt hat, also zunächst völlig im Soll (siehe Tabelle und Gegnerkurve MT Melsungen).
Ein hohes Tempo und die offensivste Abwehr der Liga - Melsungen spielt fast durchweg mit 4:2-Deckung und Dopplung des ballführenden Angreifers - sind Markenzeichen und Erfolgsrezept der Mannschaft um Trainer Dr. Rastislav Trtik. Für diese kräfteraubende Taktik greift der Trtik, bis zur letzten Saison zudem Nationaltrainer Tschechiens, auf gleich sechs Länderspiel-erfahrere Landsmänner zurück - allen voran die beiden Spielmacher Petr Hazl sowie Neuzugang Alexandr Radcenko, der Hazl bereits im Nationalteam beerbte. Ebenfalls neu im Team ist der Slowake Daniel Valo im rechten Rückraum, der vom BSV Bern Muri in die Bundesliga wechselte und sich in der Vorsaison mit 239 Treffern Platz 2 der schweizer Torjägerliste sicherte. Zudem wurde der griechische Auswahlspieler Grigorios Sanikis vom Ligakonkurrenten Kronau/Östringen für den linken Rückraum verpflichtet, er ist mit 21 Toren in der noch jungen Saison bester Torschütze bei Melsungen, dicht gefolgt von Valo, der nach seinen acht Treffern gegen Magdeburg 19 Treffer auf seinem Konto hat. Zwischen den Pfosten steht ab dieser Saison der bundesligaerfahrene Torwart-Oldie Zoran Djordjic, der nach dem Zwangsabstieg von Wallau/Massenheim damit weiterhin in Hessen erstklassigen Handball spielen darf.
Ein Wiedersehen mit der Ostseehalle feiert zudem Linksaußen Karsten Wöhler, der drei Jahre für den THW spielte, zwei Meisterschaften und zum Abschied das legendäre "Tripel 1998" feiern durfte - mit Spielern aus der aktuellen "Zebra-Herde" spielte er allerdings nicht mehr zusammen.
Die Schiedsrichter der Partie am Mittwoch sind Jens und Volker Kaiser (Varel/Bad Zwischenahn).
(Sascha Krokowski)
Lesen Sie auch den living sports-Vorbericht, den Zebra-Journal-Artikel und die living sports-Kurzgeschichte über Melsungens Djordjic.
Lesen Sie auch den KN-Vorbericht zum Spiel.
Dieser Vorbericht wird wie gewohnt ständig aktualisiert...
Den meisten norddeutschen Handball-Fans war das hessische Melsungen bislang wohl nur als eine von vielen Autobahnabfahrten an der A7 bekannt. Doch das soll sich nun ändern. Seit dieser Saison zählt der MT Melsungen aus der 15.000 Einwohner zählenden Kleinstadt an der deutschen Fachwerkstraße und dem Fluss Fulda zum Oberhaus des deutschen Handballs. Die Mannschaft, die seit 1992 in der 2. Bundesliga Süd für Furore sorgte, stieg als Meister mit nur sechs Minuspunkten auf und verbreitet als zweite Mannschaft neben der HSG Wetzlar hessisches Flair in Deutschlands höchster Spielklasse.
Dass Hessen als Frohnaturen gelten, ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Grund zum Freuen hatte das Team von Trainer Dr. Ratislav Trtik dann auch gleich am ersten Spieltag der noch jungen Saison. Melsungen begrüßte den VfL Pfullingen-Stuttgart, der nur aufgrund der Lizenzentzüge des TUSEM Essen und der SG Wallau-Massenheim in der ersten Liga verbleiben durfte. Die so wichtige Feuerprobe gelang und der Aufsteiger gewann das Spiel gegen den Ligakonkurrenten verdient mit 23:20 (11:7). Damit war das ein Start nach Wunsch für das von der vergangenen Saison noch erfolgsverwöhnte Publikum. Coach Ratislav Trtik nahm den Sieg mit zufriedener Gelassenheit auf: "Wir haben unsere Pflicht erfüllt und können nun befreiter aufspielen." Mit dem Start hat die Mannschaft gezeigt, dass sie ihrem Saisonziel, die Klasse zu halten, durchaus gerecht werden könnte.
Dass die Region auf Handball gewartet hat, zeigt unter anderem der Wechsel von der heimischen Melsunger Stadtsporthalle in die 22km entfernte Meirotel-Halle in Rotenburg/Fulda, weil dort die doppelte Menge an Zuschauerkapazitäten vorhanden ist. 1.000 Dauerkarten konnten abgesetzt werden und das Auftaktspiel zeigte trotz der nicht ganz ausverkauften Halle, dass Interesse an den Handballern aus Melsungen vorhanden ist. "Zugegeben, wir hatten mit etwas mehr Gästen gerechnet, gerade weil es sich um das erste Spiel als Erstligist handelte. Doch wenn man die äußeren Faktoren betrachtet und vor allem den Vergleich mit den anderen sieben Spielorten des Eröffnungsspieltages anstellt, können wir mit dieser Bilanz sehr zufrieden sein" sagte Bernd Kaiser aus dem MT-Management nach der Begegnung. Beim zweiten Heimspiel gegen die Handballer vom HSV waren über 2.000 Zuschauer dem Ruf des Melsunger Erfolgs gefolgt. Und sie wurden für ihre Untersützung belohnt. Der Aufsteiger spielte die Hanseaten fast schwindelig und ließ zu keiner Zeit den Gedanken aufkommen, dass er gerade erst seine Premieren in der ersten Handball-Bundesliga gefeiert hatte.
Das Erfolgsrezept von Trainer Ratislav Trtik ist die 4:2-Abwehr, die dem generischen Rückraum das Leben schwer macht. Wie auch schon gegen die Pfullinger spielte sein Team gegen den HSV in der Abwehr sehr agil und konnte die Rückraumtätigkeit der Hamburger immens stören. Zur Schlussviertelstunde der zweiten Halbzeit drehte die Mannschaft nach einem Rückstand noch einmal auf und fuhr mit geballter Kraft den zweiten, vom Papier her ein wenig überraschenden Heimsieg ein.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra")
13 Jahre zweite Handball-Bundesliga waren genug. Und sollen es vorerst auch bleiben. "Wir wollen uns langfristig in der ersten Liga etablieren", sagt Martin Lüdicke, Geschäftsführer der MT Melsungen Spielbetriebs-und Marketing-GmbH. Für die erste Saison im Handball-Oberhaus hat sich der Aufsteiger keineswegs bescheiden den zwölften Platz zum Ziel gesetzt.
Dabei soll der Meistermacher der letzten Saison der Garant des (zitterfreien) Klassenerhalts der kommenden Spielzeit sein. Rastislav Trtik nämlich, mittlerweile "nur" Coach der Nordhessen, nachdem der 44-Jährige in der Aufstiegssaison auch noch die tschechische Nationalmannschaft unter seinen Fittichen hatte. Auch an dessen Erfolgsrezept wird festgehalten.
"Wir setzen weiterhin auf unsere Spielphilosophie. Sie war attraktiv, effektiv, und da mit können wir uns auch in der 1. Liga durchsetzen", kündigt der Doktor der Pädagogik eine Fortsetzung des Tempohandballs an, der bei den Fans eine nie gekannte Euphorie auslöste.
Eine Kraft raubende, aber den Gegner stets zermürbende 4:2-Deckung mit ständiger Dopplung des Ballführenden. Die ermöglichte mindestens 70 eigene Schnellangriffe pro Spiel, was bei einer Effektivität von knapp über 50 Prozent fast stets zum Sieg reichte.
Diese "positive Besessenheit der Abwehr" (Balingens Trainer Rolf Brack) bekam in der Vorbereitung bereits der künftige Klassenkamerad TBV Lemgo zu spüren, dem der Südmeister beim Sparkassencup völlig überraschend ein 32:32-Remis abrang. "Das bringt natürlich Selbstbewusstsein, doch wir bleiben auf dem Boden", freute sich der Tscheche über diesen Coup.
Seine wichtigste Erkenntnis: Der MT-Coach kann auf eine starke Bank zurückgreifen, weil mittlerweile jede Position doppelt (Erstliga reif) besetzt ist. Das ist auch sechs Neuzugängen geschuldet, die allesamt in sein Konzept passen. Daniel Valo etwa, der vom Schweizer Erstligisten Bern Muri an die Fulda stieß, hat seine Qualitäten nicht nur als Wurf gewaltiger Rückraumschütze, sondern auch als Anspieler und bei der zweiten Welle.
Und von den technischen Fähigkeiten eines Grigoris Sanikis konnten sich die MT-Fans bei der einzigen Heimniederlage ihres Teams gegen Mitaufsteiger Kronau/Östringen überzeugen, den der griechische Nationalspieler Richtung Melsungen verließ. Der weißrussische Nationalspieler Ivan Brauko wird auf der Linksaußenposition dem Bundesliga erfahrenen Ex-Kieler Karsten Wöhler Konkurrenz machen.
Selbst auf der Mittelposition, die in der Aufstiegsposition mit dem ehemaligen Regisseur der tschechischen Nationalmannschaft, Petr Hazl, optimal besetzt schien, gibt es künftig Gedränge. Dank Alexandr Radcenko, Hazls Nachfolger auf internationalem Parkett, der bereits in seinen ersten Einsätzen bei seinem neuen Arbeitgeber seine kreativen Fähigkeiten unter Beweis stellte. Auch im Tor gingen die Nordhessen auf Nummer sicher und angelten sich mit Zoran Djordjic (von Zwangsabsteiger SG Wallau/Massenheim) einen der besten und erfahrensten Schlussleute der Handball-Bundesliga.
Investitionen, die zu einer moderaten Aufstockung des Ein-Millionen-Euro-Etats geführt haben (auf ca. 1,5 Millionen), die durch neue Sponsoren und den Umzug in die benachbarte Meirotelshalle, die 2400 Zuschauer fasst, aufgefangen wird. Fast 1500 Dauerkarten sind schon verkauft, was dafür spricht, dass sich die Aufstiegseuphorie in eine immense Vorfreude auf die erste Liga verwandelt hat. Natürlich in der Hoffnung, dass dort die MT Melsungen mit ihrem unorthodoxen Spielsystem für Furore sorgt.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 02.09.2005:)
Obwohl dem MT Melsungen nur ein verhältnismäßig kleiner Etat von geschätzten 1,5 Millionen Euro zur Verfügung steht, konnte die Verantwortlichen einige interessante Spieler an die Fulda geholt werden. Der bekannteste der insgesamt sieben Neuzugänge ist wohl Torhüter Zoran Djordjic.
Der gebürtige Serbe kam von der SG Wallau/Massenheim, bei der er acht Jahre lang die etatmäßige Nummer eins war und immer als starker Rückhalt galt. Trotz seiner bereits 38 Jahre spielt Djordjic noch immer auf hohem Niveau und kann mit seinen größtenteils jüngeren Kollegen durchaus noch mithalten. Das Besondere an dem Nationalspieler ist allerdings der Zug zum gegnerischen Tor. Sind ihm seine Vorderleute im Angriff nicht aktiv genug, nimmt er den Ball auch schon mal selber in die Hand und spielt als siebter Mann im Feld mit. So konnte er sich vergangene Saison bei seinem alten Klub Wallau mit fünf Toren in die Torschützenliste eintragen. Neben seinen guten Leistungen während des laufenden Spiels konnte er auch bei ruhenden Bällen seine Klasse zeigen und seinem Ruf des Siebenmeterkillers gerecht werden. Im Spiel gegen Pfullingen kam der Ball dreimal vom Strafpunkt nicht an ihm vorbei. Auch gegen den HSV Hamburg avancierte Djordjic mit seinen zahlreichen Paraden zum uneingeschränkten Matchwinner.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra")
Aus den Kieler Nachrichten vom 21.09.2005:
Die Mittelhessen, die zum ersten Mal in einem Pflichtspiel auf den THW treffen, haben die sie in die Erste Liga begleitenden Vorschusslorbeeren bereits nach vier Spieltagen bestätigt. "Wie Kronau ist auch Melsungen kein echter Aufsteiger. Die Mannschaft hat mehr Qualität und wird mit dem Abstiegskampf nichts zu tun bekommen", schüttete Heiner Brand höchstes Bundestrainer-Lob über das Team des ehemaligen tschechischen Nationaltrainers Dr. Rastislav Trtik aus. MT werde den Sprung ins Tabellenmittelfeld schaffen, prophezeit Brand.
Mit dem Aufsteiger kommen sechs aktuelle tschechische Nationalspieler nach Kiel, außerdem kehrt Karsten Wöhler, von 1995 bis 1998 Linksaußen bei den Zebras, an seine ehemalige Wirkungsstätte zurück. Wöhlers kämpferische Qualitäten sind bekannt. Sie fügen sich trefflich ein in den speziellen Defensiv-Stil, den Trtik seinem Team verordnet hat. Indianer-Abwehr wird diese 4:2-Variante despektierlich genannt. Dabei ist mindestens ein MT-Terrier auf der Jagd nach Ball führenden Angreifern. Außerdem werden zwei gegnerische Spieler hauteng gedeckt. Die bisherigen Jagdtrophäen: Skalps vom HSV Hamburg (30:27) und Pfullingen (23:20) schmücken Melsungens Gürtel. Am Wochenende schaffte Titelaspirant Magdeburg nach 28:29-Rückstand erst kurz vor Schluss die Flucht zum glücklichen 32:29-Sieg in eigener Halle.
Eine schwer zu spielende Mannschaft, warnt Manager Uwe Schwenker. "So etwas begegnet einem zweimal im Jahr - immer wenn's gegen Melsungen geht." Stefan Lövgren lässt sich nicht einschüchtern. "Ich freue mich drauf", sagt Kiels Kapitän. "Wir müssen konzentriert und cool agieren, dann werden wir diese Abwehr knacken." Wenn zudem die eigene Abwehr mit dem Torhütern stehe, "sollten wir Melsungen auch über Tempogegenstöße den Zahn ziehen."
Ob der Schwede von Beginn an dabei ist, dürfte sich erst heute entscheiden. Lövgren plagt eine Oberschenkelzerrung. Außerdem bangt Trainer Noka Serdarusic um Nikola Karabatic (Bänderdehnung im Fuß) und Vid Kavticnik (Pferdekuss). Dass die Zebras die Forderung von Schwenker ("Ein Sieg ist Pflicht") trotzdem in die Tat umsetzen werden, davon ist Lövgren fest überzeugt. "Wir haben genug Spieler mit sehr viel Klasse."
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 21.09.2005)
(19./21.09.2005) | Ihre Meinung im Fan-Forum? |