19./21.05.2007 - Letzte Aktualisierung: 21.05.2007 | Bundesliga |
Update #3 | KN-Bericht, Stimmen und Spielbericht ergänzt... |
In der seit Wochen ausverkauften Porsche Arena in Stuttgart, nur wenige Meter entfernt vom Gottlieb-Daimler-Stadion, in dem der VfB Stuttgart wenige Stunden zuvor zum dritten Mal deutscher Fußballmeister wurde, erwartete die Zebras allerdings von Beginn an ein heißer Kampf. Frisch Auf Göppingen, "Angstgegner" der Saison 2004/2005, wollte mit einem Sieg die Chance auf den neunten Tabellenplatz erhalten, der für die Teilnahme am EHF-Cup berechtigt. Und so gingen die ebenfalls ersatzgeschwächten Grün-Weißen von Beginn an ein hohes Tempo, das die Kieler aber mitgingen. Es waren gerade einmal drei Minuten gespielt, da hatten beide Mannschaften auch schon ebensoviele Tore auf ihrem Konto. Die Gäste legten vor, Frisch Auf antwortete aber prompt. Durch einen Doppelschlag von Linders und Zeitz gingen die Zebras dann 5:3 in Führung, aber nachdem Galia einen Strafwurf von Nikola Karabatic parieren konnte, glichen die Baden-Württemberger wieder aus.
Diese versuchten mit dem vorgezogenen Michael Schweickardt gegen Karabatic, den Franzosen aus dem Spiel zu nehmen. Dies gelang aber nur bedingt, immer wieder boten sich Freiräume auf Linksaußen für Henrik Lundström, die dieser mit einem Doppelschlag zum 7:5 für die Kieler nutzte. Als der schwedische Nationalspieler dann per Tempo-Gegenstoß gar seinen Hattrick und das 8:5 perfekt machte, hofften die Kieler auf einen einigermaßen geruhsamen Abend. Doch Göppingen ließ sich nicht aus dem Konzept bringen, kämpfte sich durch Kraus und Rajkovic wieder auf 7:8 heran. Selbst die bereits zweite Zeitstrafe für Manojlovic konnten die Zebras nutzen, um die Führung entscheidend auszubauen, wenig später vergab Christian Zeitz einen Bigpoint, als er beim Stand von 11:9 einen Gegenstoß an die Latte warf - statt des 12:9 verkürzte der auffällige Weltmeister Michael Kraus auf 10:11.
Was auch immer die Kieler versuchten: Sie konnten die Gastgeber nicht abschütteln. Kim Andersson gelang im ersten Durchgang nicht viel, die Abwehr stand nicht so sattelfest und Thierry Omeyer hatte noch nicht die Form der zweiten Halbzeit gegen Magdeburg erreicht. Auch die Umstellung auf eine 5:1-Deckung mit dem vorgezogenen Dominik Klein, um die Kreise von Spielmacher Michael Kraus zu stören, schaffte es nicht, sich von Frisch Auf abzusetzen. Göppingen hatte immer eine Antwort parat und blieb bis zum Seitenwechsel dran - Kiel führte 18:17.
Anwurf zu den zweiten 30 Minuten hatten die Gastgeber, und Michael Schweickardt nutzte dies zum 18:18-Ausgleichstreffer. Die zweite Zeitstrafe gegen Dragos Oprea ließ den THW wieder hoffen, in Überzahl ein kleines Torepolster aufzubauen, doch nach dem bereits siebten Treffer von Henrik Lundström schafften Kraus und Rajkovic in Unterzahl gar die erste Führung für die Gastgeber. Besonders Vukasin Rajkovic auf Halblinks lief nun zu großer Form auf und brachte sein Team noch zweimal in Führung, Kavticnik und der sich nun im zweiten Durchgang enorm steigernde Christian Zeitz glichen aber jeweils aus - nach 35 Minuten stand es 22:22.
Dann trat Michael Schweickardt zum zweiten Mal zum Siebenmeter an - diesmal allerdings gegen Henning Fritz, was den jungen Spieler offenbar aus dem Kobnzept verbrachte: Sein Wurf verfehlte das Kieler Tor, Nikola Karabatic und erneut Christian Zeitz hingegen brachten "Schwarz und Weiß" im Gegenzug wieder mit 24:22 (36.) in Führung. Die Halle spürte, dass der THW nun das Spiel entscheiden wollte, Frisch Auf mobilisierte die letzten Kräfte, um ins Spiel zurück zu finden. Manojlovic und zweimal Kreisläufer Manuel Späth hielten die Gastgeber auch noch auf Kurs, die Anzeigetafel zeigte in der 41. Spielminute ein 26:25 aus Kieler Sicht an.
Noka Serdarusic beorderte nun Henning Fritz zwischen die Pfosten, und vorne platzte nun endlich der Knoten bei Kim Andersson. Er erzielte gleich zwei Treffer in Folge zum 28:25 und machte die Göppinger damit nur nervöser. Auf der Gegenseite lief Henning Fritz zu weltmeisterlicher Form auf, parierte zweimal spektakulär, während Kavticnik und Lundström auf 30:25 (44.) erhöhten. Als nach Schweickardts Tor Christian Zeitz und Kim Andersson gar das 32:26 erzielten, schien der Sieg greifbar nahe.
Erneut war es Michael Schweickardt, der per Tempo-Gegenstoß seine Mannschaft hoffen ließ, diese Hoffnung aber in der Abwehr durch seine erste Hinausstellung gleich wieder platzen ließ. In Überzahl wirbelten die Kieler ihre resignierenden Gegner nun förmlich auseinander, zweimal Karabatic und einmal Kim Andersson erhöhten auf 35:27 (52.) - die Entscheidung!
In den Schlussminuten konnte sich Michael Kraus nochmals mehrfach in Szene setzen und sorgte zumindest dafür, dass es keinen Kantersieg für die Zebras gab. Diese kamen aber zu einem hochverdienten 39:32-Sieg, die letzten beiden Treffer der Partie erzielten die beiden Spieler, die dieser Partie am meisten den Stempel aufgedrückt hatten: Christian Zeitz und Nikola Karabatic.
Nur wenige Minuten nach dem Jubel über den 27. Bundesliga-Saisonsieg gab es schließlich noch einen großen Grund zur Freude: Das Endergebnis aus Mannheim trudelte ein, der HSV Hamburg hat erstmals seit dem 22. Oktober 2006 wieder ein Ligaspiel verloren und damit bei deutlich schlechterem Torverhältnis und zwei Punkten Rückstand auf den THW einen großen Rückschlag erlitten. Für die Kieler bedeutet dies: Bereits nächsten Samstag - ausgerechnet in der Flensburger Campushalle - kann der Traum vom Triple wahr werden!
(Sascha Krokowski)
Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.
Es war ein verdienter Sieg des THW. Wir haben gekämpft - es war ein großes Spiel. Der Vorsprung, den Kiel sich herausgearbeitet hat, kam durch sechs technische Fehler unsererseits. Dies wurde bestraft, denn so etwas ist für Kiel eine Einladung für leichte Tore. In der zweiten Halbzeit waren wir ausgepowert. Wir müssen Ruhe bewahren und auch unsere Chancen besser heraus arbeiten.
Wir sind in der ersten Halbzeit schwer ins Spiel gekommen. Kraus hat sehr viele Aktivitäten gehabt. In der zweiten Halbzeit haben wir mit einer 5:1-Abwehrformation versucht, Kraus zu stören. Danach haben wir uns wieder auf 6:0 zurückgezogen. Der Knackpunkt in diesem Spiel war für mich, dass Fritz zwei freie Bälle gehalten hat und Göppingen dadurch nervöser wurde. Sie haben für ihre Chancen nicht mehr so viel gearbeitet.[auf die Frage, ob dies der Schritt zur Meisterschaft war:]
Ich weiß es nicht. Ich habe schon mal gesagt, dass ich sehr überrascht bin, wozu meine 7 Spieler in der Lage sind. Ich sagte zu Beginn, wir werden ein paar Spiele gewinnen, aber glücklicherweise haben wir bis jetzt nur ein Spiel verloren. Wir müssen bis nächste Woche warten. Wer weiß, was noch passiert.
Unglaublich, was diese Mannschaft leistet. Um das zu beschreiben, finde ich gar keine Superlative mehr. Ich hebe normalerweise keinen Einzelnen heraus, diesmal mache ich eine Ausnahme: Was Nikola Karabatic seit Wochen leistet, ist einfach sensationell. Für mich war es schön, in einer wichtigen Phase des Spiels eingewechselt worden zu sein, und der Mannschaft helfen zu können.
Ich habe versucht, Karabatic zu stoppen. Das ist mir auch ganz gut gelungen, aber komplett ausschalten lässt sich so ein Spieler nicht. Wir spielen seit Wochen am Limit, haben unsere Kraftreserven völlig aufgebraucht. Kiel war auch platt, aber wenn beide Mannschaften kaputt sind, zeigt sich eben die unterschiedliche Klasse. Ich freue mich für Fritz, dass er spielen durfte. Das gönne ich ihm.
So lange wir als Mannschaft aufgetreten sind, konnten wir auch mithalten. In den letzten zehn Minuten ist das Kollektiv auseinander gefallen, und jeder hat es auf eigene Faust versucht. Ich glaube, dass Kiel jetzt Meister wird. Das werden sie sich nicht mehr nehmen lassen.
Aus den Kieler Nachrichten vom 21.05.2007:
"Jetzt haben wir zwei Matchbälle", freute sich Uwe Schwenker, der alle Glückwünsche mit Blick auf das schwere Restprogramm aber energisch abwehrte: "Man kann nicht einfach davon ausgehen, dass wir in Flensburg gewinnen." Am letzten Spieltag (2. Juni) erwarte der Meister zudem die starke HSG Nordhorn, die sich noch für die Champions League qualifizieren könne. Kategorie "harte Nuss" also.
Trotzdem, die Art und Weise wie die Zebras ihren fünften Sieg in Folge feierten, ließ keinen Zweifel daran, dass sie ihr Schicksal nicht mit Schalke 04 teilen werden. Denn der gerupfte THW-Kader hatte in der ausverkauften Stuttgarter Porsche-Arena, in der Göppingen inzwischen seine Heimspiele gegen die großen Namen austrägt, wieder einmal Erstaunliches geleistet.
Da der HSV Hamburg zeitgleich gefordert war, ließ sich Uwe Schwenker - auf der THW-Bank sitzend - per SMS über die Zwischenstände unterrichten. Die Mannschaft erfuhr die Zahlen in der Halbzeit. Da führte Kiel mit 18:17, Hamburg lag 12:16 zurück. In der Halbzeit, die der völlig ausgepumpte Nikola Karabatic mit heftigen Magenkrämpfen auf der Toilette erlebte. Doch der 23-Jährige rappelte sich noch einmal auf. Ihm und seinen Kollegen war klar, was bei diesen Ergebnissen die Stunde geschlagen hatte.
Doch Göppingen blieb ein zäher Gegner. Der flinke Weltmeister Michael Kraus, gegen den die THW-Deckung einfach kein Rezept fand, hielt die Seine lange auf Augenhöhe mit den Gästen. In einem zerfahrenen Spiel zweier ausgequetschter Mannschaften fiel die Entscheidung nach knapp 40 Minuten. Kiel wackelte, führte aber mit 27:25 und profitierte in dieser Phase von der hohen Fehlerquote der Schwaben. Dann kam Henning Fritz für den glücklosen Thierry Omeyer, lenkte einen Wurf des Serben Nikola Manoljovic an den Pfosten und Kim Andersson warf sein 200. Bundesliga-Tor (28:25). Dann scheiterte der junge Tim Kneule freistehend an Fritz, Michael Schweikardt knallte den Ball im Tiefflug an die Latte und Henrik Lundström traf nach einer doppelten Drehung am Torkreis akrobatisch zum 30:25. Danach lagen die Nerven der Hausherren blank. So warf Torhüter Martin Galia, "THW-Alptraum" der Vergangenheit und Tschechiens Handballer des Jahres der Gegenwart, zunächst einen Ball in die Hände von Kim Andersson, später in die von Fritz. Auflösungserscheinungen einer Mannschaft, die geglaubt hatte, Kiel zu besiegen, indem sie Karabatic besiegt. Mit Schweikardt als Sonderbewacher sollte der THW-Dynamo abgeschaltet werden. Doch Karabatic warf trotzdem neun Tore und seine starken Nebenleute Christian Zeitz und Kim Andersson (zusammen 16 Tore) nutzten es konsequent aus, dass ihnen weniger Aufmerksamkeit beschert wurde.
Vielleicht wäre eine DVD dieses Kieler Sieges auch ein später Trost für die SG Flensburg, die nach dem verlorenen Champions-League-Finale mit sich gehadert hatte, Karabatic nicht in Manndeckung genommen zu haben. So leicht, das wurde am Sonnabend noch einmal deutlich, ist auch das letzte THW-Aufgebot nicht zu besiegen. Auch, weil es sich jedes Mal selbst überrascht.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 21.05.2007)
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