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29.05.2008 Mannschaft / Medien

"Handball-Magazin": Grantler im Wandel

Im erfolgreichsten Jahr des THW Kiel zeigt der Trainer Zvonimir Serdarusic völlig neue Seiten

Von Frank Heike, aus dem "Handball-Magazin" 05/2008:

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Irgendetwas ist anders an ihm. Es ist die Jacke. Ein dunkelblauer, modischer Marken-Blouson. Eigentlich trägt Zvonimir Serdarusic auf Pressekonferenzen immer ein Polohemd; entweder mit langen oder mit kurzen Ärmeln. An diesem Abend ist es das Longsleeve-Modell, nur eben die Jacke drüber, und Serdarusic sieht modischer aus, besser, irgendwie cool. Serdarusic lacht, als HSV-Manager Peter Krebs scherzt, er wisse gar nicht, wohin mit dem Geld aus den Zuschauereinnahmen (die Arena war zweimal nacheinander ausverkauft). Serdarusic neigt den Kopf zu Krebs, man sieht seine Grübchen. Er hört zu. Er ist ganz entspannt, aber nicht nur, weil sein THW Kiel vor einer halben Stunde einen wertvollen Punkt beim HSV erkämpft hat. Serdarusic ist in diesen Tagen unabhängig von Ergebnissen locker. Seit Wochen, ja Monaten schon kann man eine Metamorphose beobachten. Der alte Griesgram hat sich gewandelt. Neuerdings sitzt ihm der Schalk im Nacken. Er, der mit den Medien selten bis nie länger spricht (abgesehen von den Kieler Nachrichten), scheint Gefallen an Pressekonferenzen zu finden. Er scherzt auf eine hintersinnige Weise, er kommentiert halblaut Fragen, die für den Kollegen gedacht sind.
Doch wer ihn verärgert, bekommt die volle Ladung Zorn zu spüren. Da hat sich Serdarusic nicht verändert: Eine Hamburger Boulevardzeitung hat drei Kieler Spieler als brutal gebrandmarkt und ihr Bild mit dem Titel "Täter" versehen. Als Serdarusic den Reporter nach dem Spiel im Kabinengang sieht, raunt er ihm im Vorbeigehen bedrohliche Sätze zu. Da greift der alte Schutzreflex: wenn einer von außen das Rudel attackiert, dann kann der alte Wolf immer noch heftig zubeißen. Doch das böse Gesicht sieht man immer seltener.

Als jemand nach dem Champions-League-Triumph im Hinspiel gegen Barcelona fragt, wie Manolo Cadenas denn gedenke, den THW im Rückspiel zu bezwingen, sagt Serdarusic vor sich hin: "Das möchte ich auch gern wissen." Die, die es gehört haben, grinsen. Als jemand nach dem Remis gegen den HSV fragt, wer denn bestimmt habe, Filip Jicha die Siebenmeter werfen zu lassen, sagt Serdarusic: "Das habe ich entschieden. Die anderen haben bewiesen, dass sie es nicht können." Gelächter. Als jemand fragt, warum er gegen Barcelona so energisch gecoacht habe, sagt Serdarusic: "Alle sagen immer, ich stehe wie ein Stück Holz am Rand. Ich wollte zeigen, dass in dem alten Kerl noch Leben ist." Das steht am nächsten Tag in allen Zeitungen.

Früher folgten auf ganz normale Fragen ablehnende Antworten verbunden mit einer Körpersprache, die dem Journalisten zeigte, dass dieser keine Ahnung habe. Es war das Modell Huub Stevens: Einschüchterung. Jetzt nutzt Serdarusic die Bühne für hintersinnige Statements, blumige Wortspiele, Bilder, Metaphern. Es gab sogar eine Art Homestory im Flensburger Tageblatt: einen Spaziergang mit der Autorin um sein Angelrevier am Schulensee. Hinter dem Trainer Serdarusic blitzte der Mensch auf. Was ist passiert?

Serdarusic wird im September 58, 15 Jahre arbeitet er nun beim THW. Er hat alles erreicht im Vereinshandball. Serdarusic ist ein Mann mit eingebauten Abstandshaltern geblieben. Den quatscht man nicht einfach von der Seite an. Er ist die große Respektsperson. Aber trotzdem ist die Situation an diesem Abend im April günstig, mal nachzufragen: "Herr Serdarusic, Sie sind so milde gestimmt in den letzten Wochen, was ist los?" Lächelnd schaut er und sagt: "Sehen Sie, ich habe mich von der Medienarbeit erholt. Ich habe lange nicht mit den Medien gesprochen. Es gab keine Interviews, keiner hat meine Nummer, keiner ruft mich an. Jetzt habe ich wieder Lust." Väterlich drückt Serdarusic meinen Arm, doch das ist kein Zeichen für Nähe. Es ist das Zeichen zum Aufbruch. Er hat genug zu diesem Thema gesagt und möchte auch keine Nachfrage. Akzeptiert.

Mehr als ein Jahr hat Serdarusic also gebraucht, um sich von dem Interview mit der Sportbild im März 2007 zu erholen. Damals hatte er den formschwachen WM-Helden Henning Fritz beim THW als Nummer drei auf die Bank gesetzt. Die Sportbild fragte nach und druckte dann ein Aufsehen erregendes Interview, in dem Serdarusic seinen Torwart scharf kritisierte.

Serdarusic behauptet, dass er einen Teil der abgedruckten negativen Äußerungen über Fritz so nie getan habe. Auch das Magazin sieht sich im Recht: Das Band mit allen Aussagen lagere bei der Sportbild, heißt es, das Interview sei in der abgedruckten Form von Serdarusic genehmigt worden. Die beiden Formen der Wahrheit stehen sich unvereinbar gegenüber. Seitdem ist Sendepause zwischen Trainer und Reporter. Serdarusic sagt: "Warum sollte ich noch mit einem Journalisten reden, der wissentlich etwas schreibt, was ich nie gesagt habe?" In der Folge bekamen auch (fast) alle anderen nur noch Häppchen von ihm. Das übliche Gerede nach der PK: vorbei. Mal eben anrufen, das macht bei Serdarusic sowieso keiner. Die Kontaktaufnahme geht so: Fragen formulieren, aufschreiben und an eine mehr oder weniger geheime Faxnummer schicken. Das Papier kommt dann in seinem Haus in Russee an. Es nutzte nichts, zu sagen, dass man für seine Probleme mit anderen Medien doch nichts könne: Serdarusic blieb konsequent. Kein Noka für alle in einem Jahr voller THW-Triumphe.

Es gab zuletzt eine Phase, da kriselte es in Kiel. Die Spieler wollten nichts sagen, sie machten nur Andeutungen oder runzelten die Stirn. Und es ist in der Tat schwer, herauszubekommen, worum es wirklich ging. Der THW Kiel war ja sportlich unangefochten in den Monaten Februar und März. Trotzdem war die Stimmung schlecht. Es gab Kritik am Trainer aus dem Kreis der Gesellschafter. Er kümmere sich nicht um Sponsoren und Medien. Serdarusic interessiert das nicht. "Weder der Presse noch den Sponsoren gehört ein Teil von mir", sagt er. Es knirschte auch bei dem alten Ehepaar Schwenker/Serdarusic. In der Auseinandersetzung zwischen Manager und Trainer ging es um Privates. Und um die Sätze Serdarusics, er habe die Hoffnung aufgegeben, der im Sommer verpflichtete Kreisläufer Igor Anic werde dem THW irgendwann weiterhelfen können. "Eine unglückliche Äußerung", sagt Uwe Schwenker. Der THW könne nicht nur fertige Spieler kaufen, es sei Serdarusics Aufgabe, junge Spieler zu entwickeln: "Es wird kein Spieler geholt, den Noka nicht will." In Kiel ging das Gerücht um, Serdarusic sei unzufrieden, würde hinschmeißen. Doch Trainer und Manager sprachen sich aus. Hinterher wirkten beide erleichtert. Und wenn man sie jetzt sieht, scheint es die Sorgen nie gegeben zu haben.

Ein reinigendes Gewitter? Schwenker sagte den Kieler Nachrichten: "Ich habe mir noch keine Gedanken über einen Noka-Nachfolger gemacht. Er ist immer noch heiß. Hat er einen Titel gewonnen, denkt er schon an den nächsten. Aber auch seine Zeit ist endlich. Eines ist aber klar: Egal, wer sein Nachfolger wird, er tritt in sehr große Fußstapfen." Serdarusic selbst weiß ja, dass er den THW braucht wie der THW ihn: "Wir haben in Kiel ein Umfeld, das es mir möglich macht, Erfolge auf meine Art zu erzielen. Ich werde aus Kiel nicht mehr weggehen."

Als es in Kiel weitgehend im Verborgenen kriselte, kümmerte sich Serdarusic intensiv wie immer um die Mannschaft. Das ist seine Lieblingsarbeit, jeden Tag: die Mannschaft. Für ihn bräuchte es gar nichts anderes zu geben. Wer zuhört, wie die Profis schwärmen, selbst ganz neue wie Jicha oder Börge Lund, wie Nikola Karabatic von seinem Trainer spricht, der weiß, dass dieser knorrige Typ ein großes Herz hat. Neben seinem Sachverstand natürlich. Und seinen Motivationskünsten. "Nokas Ansprachen vor dem Spiel sind die besten, die man sich vorstellen kann. Danach kann man gar nicht schlecht spielen", sagt Dominik Klein. Was sagt er denn? Klein lächelt. Keine Chance auf eine Antwort. Man sollte bei der nächsten Gelegenheit Serdarusic selbst fragen.

(Von Frank Heike, aus dem "Handball-Magazin" 05/2008)


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