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31.07.2009 Mannschaft / Vorbereitung

Kieler Nachrichten: Der neue Mut zum Dialog

Trainingslager in Lingen: THW-Trainer Alfred Gislason diskutiert mit seinen Spielern über Taktik

Aus den Kieler Nachrichten vom 31.07.2009:

Lingen - Ob er zufrieden mit dem Verlauf der Saisonvorbereitung ist? Alfred Gislason, Trainer des Handballmeisters THW Kiel, muss nicht lange überlegen. "Nein, nicht besonders." Er bescheinigt seiner Mannschaft im Trainingslager in Lingen zwar eine hohe Leistungsbereitschaft. Aber personelle Probleme hätten das Optimum verhindert.
So knickte das Knie von Henrik Lundström unter der intensiven Laufbelastung zusammen, der Rücken von Igor Anic zwickte und Dominik Klein fiel wegen Schweinegrippe gar ganz aus. Auch der Isländer Aron Palmarsson, der bei der Jugend-WM in Tunesien heute gegen Kroatien um die Goldmedaille spielt, hätte ihm gefehlt. "Das ist nicht nur für ihn bitter. Durch diese Terminierung der Turniere verpassen alle jungen Bundesligaspieler die Vorbereitung in ihren Klubs. Das ist sehr unglücklich."

Immerhin hätte Palmarsson für die Junioren-WM in Ägypten (6. bis 19. August) abgesagt, der 19-Jährige wird am Wochenende in Kiel erwartet. Positiv sei, so Gislason, dass Marcus Ahlm wieder im Vollbesitz seiner Kräfte ist. "Im letzten Jahr konnte er zur gleichen Zeit wegen seiner starken Rückenbeschwerden kaum mitmachen."

Der Historiker hat sich viele Gedanken über sein erstes Jahr als THW-Trainer gemacht. Einer: "Ich bin stolz darauf, aber manchmal kommt es mir immer noch unwirklich vor, dass ich jetzt hier bin." Ein anderer: "Ich hätte damals das Lauftraining intensivieren müssen, da war ich zu vorsichtig." Daraus hat der 49-Jährige gelernt und seinen Spielern einen Fitnessplan für den Sommer und den Hinweis mitgegeben, dass es ab dem 20. Juli im läuferischen Bereich "knallhart zur Sache" gehen werde. "Die meisten haben gut zugehört, aber nicht alle", sagt der 190-fache Nationalspieler, der nicht nur das Tempospiel erneut beschleunigen will. "In erster Linie möchte ich, dass meine Spieler fitter und damit gesünder in die Saison starten."

So ließ er alle im Sportinstitut der Kieler Uni auf persönliche Grenzen untersuchen, jeder erhielt in Lingen ein maßgeschneidertes Programm. Gislason setzt auf Kooperation. "Wenn mir einer sagt, er kann nicht mehr, dann akzeptiere ich das."

Dialog - das ist in Lingen das Zauberwort. Immer wieder unterbricht Gislason in der Kiesberghalle die Aktionen, um sich mit seinen Spielern zu besprechen. "Ich möchte wissen, was sie von dieser oder jener Taktik halten", sagt er. "Wer sich bei einem Spielzug unwohl fühlt, kann ihn auch nicht hundertprozentig durchziehen." Deshalb müsse er zwar nicht zwangsläufig die Strategie ändern, aber vielleicht für diese Variante einen Spieler einsetzen, dem sie besser liegt.

Als er 1991 seine Trainerkarriere bei dem isländischen Klub KA Akureyri begann, hat er diese Dialoge nicht geführt. "Um meine Unsicherheit zu überspielen, bin ich viel autoritärer aufgetreten. Das ist auch heute noch das Problem vieler junger Trainer." Diese Strategie ließe sich aber nicht lange durchhalten. "Wer nichts von seinem Fach versteht, kann das mit Autorität nicht lange verbergen." Der Isländer meldete sich deshalb zwei Jahre aus der Nationalmannschaft ab, weil seine Fragen als persönliche Angriffe missverstanden wurden.

Gislason, der sich diesbezüglich stark von seinem Vorgänger Noka Serdarusic unterscheidet, will den Dialog auch aus einem zweiten Grund: Wer antwortet, der hat vorher auch zugehört.

Bei Kaffee und Kuchen zeigt er im Hotel "Zum Märchenwald" jeden Nachmittag Videos, die er aus den THW-Spielen der vergangenen Saison zusammengeschnitten hat. Um das Gedächtnis der Mannschaft aufzufrischen, die mit diesen Taktiken das Double gewann. Aber auch, um sie mit ihnen auf ihre weitere Verwendung zu überprüfen. Die Spieler sollen verstehen, warum etwas gemacht wird. Warum beispielsweise die richtige Ernährung, ein Steckenpferd Gislasons, so wichtig ist. "Mein Ziel ist es, einen Haufen Trainer auszubilden."

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 31.07.2009)


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