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10.09.2009 Mannschaft

Zebra-Journal: Die THW-Seele ist 62 Jahre alt

Betreuer Roland Breitenberger startet bei den "Zebras" in seine 13. Saison

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.09.2009:

Roland Breitenberger.
Klicken Sie zum Vergrößern! Roland Breitenberger.

Lingen, 29. Juli, ein Uhr morgens - Roland Breitenberger balanciert ein Tablett durch die dunklen Gänge des Hotels "Zum Märchenwald". Alle schlafen, bis auf einen: "Rolli" wartet auf die Physiotherapeuten, die auf dem Weg ins Trainingslager des THW Kiel sind. Er hat an alles gedacht: Weizenbier, Gläser, drei Zimmerschlüssel.
Wenn Dennis Missling und Karsten Krannig mitten in der Nacht ankommen, werden sie erwartet. "Nach so einer langen Fahrt freuen die Jungs sich auf ein Bier", weiß Breitenberger, der in seine 13. Saison als Betreuer des Rekordmeisters geht. Mit dem Tablett in der Hand erinnert der 62-Jährige an den Butler James im Silvester-Klassiker "diner for one". Langsamer Schritt, der Oberkörper nach vorne gebeugt. "Ich habe seit Jahren starke Rückenschmerzen", meint der gebürtige Badener. "Aber die wären nicht geringer, wenn ich zu Hause auf der Couch sitzen würde. Also kann ich auch arbeiten."

Wahrscheinlich würden die Spieler auch die Wasserkisten für ihn tragen, sollte er eines Tages nicht mehr können. Als seine Frau Ruth jüngst ihren 50. Geburtstag feierte, verriet ihr Kreisläufer Igor Anic, dass "Rolli" für ihn eine Art Opa sei. Eine Vaterfigur, aber eine nicht so strenge, ein Opa eben.

THW-Kapitän Marcus Ahlm:
"Leute wie er tragen einen Verein. Schön, dass es im Profisport auch einen Menschen wie ihn gibt. Er kümmert sich um die kleinen Dinge, die so unglaublich wichtig sind und ist immer für ein Gespräch zu haben - ob im Ernst oder im Spaß."
THW-Trainer Alfred Gislason:
"Er ist für den THW inzwischen eine feste Einrichtung, ein echtes Urgestein. Es ist wichtig, dass es ihn gibt."
Ex-Zebra Viktor Szilagyi:
"Wenn wir gegen Kiel spielen, freue ich mich immer besonders, Marcus Ahlm und Rolli zu treffen. Ein ewig Junggebliebener, der auch noch Kontakt zu Spielern hält, die nicht mehr beim THW spielen."
Ob er mit den Spielern befreundet ist? "Nein", sagt Breitenberger, der sich unter dem Dach seines Reihenhauses in Altenholz ein schmuckes THW-Museum eingerichtet hat. "Aber wir haben ein sehr kollegiales Verhältnis." Beneiden würde er sie nicht, schließlich hätte er deutlich mehr Freizeit als sie. "Das wäre mir zu stressig. Aber ich bewundere sie für ihre Leistung." Er sei stolz darauf, Spielern wie Wislander, Olsson, Szilagyi oder Lövgren betreut zu haben. "Es kommen und gehen jedes Jahr Spieler. Aber der Geist bleibt und der ist ein besonderer." In zwölf Jahren in THW-Diensten hätte er nur drei erlebt, die nicht ins Kollektiv gepasst hätten: Andreas Rastner, Mike Bezdicek und Lars Krogh Jeppesen.

Der Rentner blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Er machte eine Lehre als Werkzeugmacher, arbeitete als Polizeiwachtmeister in der schwäbischen 6000-Seelen-Gemeinde Güglingen ("da gab es nur den Chef und mich"), um dann Detektiv in einem Warenhaus zu werden. "Die Bezahlung war besser, die Dienstzeiten bei den damaligen Ladenöffnungszeiten noch entspannter und in einer Uniform habe ich mich nie wohlgefühlt."

36 Jahre arbeitete Breitenberger als Detektiv, schnappte schätzungsweise 6000 Diebe und lief sich den Rücken kaputt. "Ich habe einmal mit einem Schrittzähler abgemessen, wie viele Kilometer ich jeden Tag gelaufen bin - es waren zwölf."

Als Detektiv mit einer feinen Nase fiel er eines Tages Rolf Körting auf, Warenhauschef von plaza Kiel und Mitglied im THW-Beirat. Er holte ihn im Oktober 1979 als Detektiv nach Kiel, drei Jahre später vermittelte er den leidenschaftlichen THW-Fan als Betreuer. Seine bitterste Niederlage? Da muss "Rolli" nicht lange überlegen, "Als wir 2000 das Finale in Barcelona verloren haben, heulten in der Kabine alle wie die Schlosshunde. Ich auch."

Breitenberger, der selbst als A-Jugendlicher in der nordbadischen Auswahl den Kreisläufer gab, ist keiner, der sich mit den Siegern sonnt. "Die stehen zu Recht im Rampenlicht, ich will da gar nicht hin."

Er kümmert sich lieber um die Dinge, die keiner sieht. Um Trikots, Wasser und seitdem die Cola bei den "Zebras" wieder salonfähig ist, auch um die. 48 Dosen Cola an einem Sonntag? Kein Problem für Breitenberger, der dann die Kieler Tankstellen abklappert. Im friesischen Varel/Obenstrohe hatte er im vergangenen Jahr bereits die Weichen gestellt, um die Spieler diesmal im Trainingslager mit Cola versorgen zu können. Pech für ihn, dass der THW seine Pläne ändern musste, weil das Hotel Insolvenz anmeldete.

Wenn es sein muss, riskiert er für die Spieler sogar seine Gesundheit. So geschehen im Jahr 2000 in Zagreb, als er bei einem Bankett für Michael Menzel Zigaretten bestellte. Der Rechtsaußen wollte verhindern, dass Noka Serdarusic, der neben ihm saß, von seiner Sucht erfuhr. Als die Kellnerin die Schachtel brachte und der THW-Trainer die Stirn runzelte, schnappte sich Breitenberger gedankenschnell eine Zigarette. "Ich habe vorher sieben Jahre lang nicht geraucht, seitdem sind es wieder zwei Schachteln pro Tag."

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.09.2009)


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