Der THW Kiel hat sich einen weiteren Eintrag in den Geschichtsbüchern gesichert: Mit dem
28:25 (11:11)-Sieg beim VfL Gummersbach schraubten die Zebras ihre unglaubliche
Start-Bilanz in der TOYOTA Handball-Bundesliga auf 18 Siege in Folge und damit 36:0 Punkte - ein
Rekord für die Ewigkeit. Allerdings mussten die Zebras vor 8.927 Zuschauern in der Kölner
Lanxess-Arena lange um den Sieg bangen: Erst ein von
Christian Zeitz
abgewehrter Pass auf
Patrick Wiencek und der daraus resultierende
Gegenstoß von
Filip Jicha beendete 62 Sekunden vor dem Ende
alle Hoffnungen der Oberbergischen auf einen Punktgewinn.
Jicha
war neben
Thierry Omeyer erneut einer der Kieler Erfolgsgaranten:
Der Tscheche erzielte 11/4 Treffer.
Omeyer parierte 17 Bälle, eine Zeitstrafe gegen den Kieler Torhüter,
der den Ball nach einem Abpraller ins Aus zulange festhielt, brachte den THW allerdings kurz
vor dem Ende noch einmal in Bedrängnis.
Drei fehlten bei der Rekordjagd
Ohne drei Akteure musste der THW in der Lanxess-Arena bestehen:
Henrik Lundström,
Milutin Dragicevic und
Tobias Reichmann
konnten angeschlagen nicht mitwirken bei der Rekordjagd. Diese gestaltete sich von Anfang an
schwierig: Die Gummersbacher setzten die Kieler mit einer aggressiven Deckung unter Druck und erzwangen
zahlreiche Fehler der Zebras. Da auch Rezar im Tor der Gummersbacher einen guten Tag erwischt hatte,
dauerte es sage und schreibe 16 Minuten, bis
Jicha mit einem
richtigen "Pfund" das zweite Kieler Feldtor erzielten konnte. Zu diesem Zeitpunkt lag der
THW mit 3:5 zurück, konnte sich aber bei seinem Torhüter bedanken, dass die Gummersbacher nicht
weiter enteilt waren.
Gislason hatte nach 13 Minuten die
taktische Notbremse gezogen und seinen kompletten Rückraum ausgetauscht: Fortan sollten
Aron Palmarsson,
Christian Zeitz und
Jicha für mehr Angriffswirbel als ihre Kollegen sorgen.
THW mit Problemen
Dieser Wunsch erfüllte sich - wenn auch nur zeitlich bedingt: Zunächst legten die Zebras
in der Abwehr und im Angriff einen Zwischenspurt ein. Zehn Minuten lang musste
Omeyer
nicht hinter sich greifen, da aber auch sein Gegenüber sechs Minuten lang ohne Gegentor blieb,
setzen sich die Zebras nicht ab. Sie gingen aber in Führung: In Überzahl,
Wiencek musste für zwei Minuten zuschauen,
verwandelte
Jicha nach seinem Hammer noch einen Siebenmeter,
und
Zeitz wackelte die Defensive zum 6:5 aus (19.). Dann fischte
sich
Christian Sprenger einen Kempa-Pass auf Mahe, und
Jicha
bedankte sich im Gegenstoß mit dem 7:5 für diese tolle Abwehraktion. Als Putics nach 20 Minuten
wieder für den VfL traf, hatte der THW das Spiel gedreht - glaubten zumindest
die Zuschauer in der Halle.
Unglücklicher Ausgleich
Und die Kieler schienen die Partie auch tatsächlich in den Griff zu bekommen. Weil Mahe in seinem
Landsmann
Omeyer seinen Meister fand. Weil Nationalspieler
Adrian Pfahl nicht zum Zug kam, und auch
Wiencek am Kreis mehr
Schatten als Licht produzierte. Doch immer dann, wenn die Zebras drauf und dran waren, ihre
Führung auszubauen, stand ihnen entweder Rezar oder der eigene Fehlerteufel im Weg.
So auch
kurz vor der Pause: Erst hatte Rezar den
Jicha-Dreher von Außen
erahnt, was Mahe im Gegenzug mit dem 10:11 bestrafte. Dann warf
Ilic
überhastet in die Torwartecke, und per Konter gelang den abstiegsbedrohten Oberbergischen
dann doch noch der nicht mehr für mögliche Ausgleich. 11:11 zur Pause - dieser Arbeitstag am
zweiten Weihnachtsfeiertag schien ein schwerer Gang für den THW Kiel zu werden.
Klasse Start nach klarer Ansprache
Offenbar hatte Trainer
Alfred Gislason in der Halbzeitpause
die richtigen und klaren Worte gefunden: Wesentlich wacher und schneller als vor dem Wechsel präsentierten
sich die Kieler nach Wiederanpfiff. So dauerte es auch nicht lang, bis die
aufmerksamere Defensive im Pakt mit
Omeyer die Grundlage für eine erste
Beruhigungspille der Heim-Fans gelegt hatte: Vier Paraden des Franzosen nutzten dessen
Vorderleute nach
Wienceks Roller zum 12:12 zu einem Fünf-Tore-Lauf:
Ahlm in Unterzahl,
Zeitz mit einem
wuchtigen Gegenstoß, noch einmal der Linkshänder im Eins-gegen-Eins und erneut
Ahlm nach
dem ersten Traum-Spielzug sorgten für das 17:12 (39.). Die Gastgeber schienen sich in die
Liste derer einzureihen, die der THW überrollt hat. Doch weit gefehlt: Vor allem Putcis stemmte
sich gegen die drohende Pleite, und als Lützelberger einen Dreher zum 17:20 (45.) verwandelte,
wachten auch die Heim-Fans auf den Tribünen auf.
VfL kehrt immer wieder zurück
Doch die Kieler reagierten - wie so oft in dieser Spielzeit - kühl, mit Nervenstärke und
Klasse:
Erst klaute
Klein Wiencek den Ball und
verwandelte den Gegenstoß sicher, dann hatte der künftige Kieler im Duell mit
Omeyer das Nachsehen - was erneut das Zusammenspiel
Jicha/
Ahlm mit dem 24:18 (48.) bestrafte.
Palicka kam für
Omeyer. Und plötzlich
schien auch Pfahl die Lust am Torewerfen wieder entdeckt zu haben: In der 48. Minute
erzielte er seinen ersten Treffer der Partie, dem er nach Putics 20:24 (51.) noch zwei
weitere folgen ließ. Urplötzlich war der VfL wieder auf drei Tore an den THW heran gerückt,
Omeyer musste wieder zwischen die Pfosten. Die Fehler
seiner Vorderleute aber konnte er auch nicht gänzlich ausbügeln:
Jicha
setzte den Ball neben das Tor, was Zrnic mit dem 23:25 (53.) beantwortete.
Kieler Fehler bringen VfL zurück ins Spiel
Dann leistete sich
Narcisse einen Fehlpass - den jedoch bügelte die Abwehr mit einem starken
Block wieder aus, den
Jicha zum 26:23 einnetzte (54.) Als
Omeyer dann erneut gegen Mahe parierte, und
Narcisse im
Gegenzug mit einem Aufsetzer das 27:23 markierte (56.), deutete das auf eine Vorentscheidung hin.
Die Zeitstrafe gegen
Omeyer und die offensive Manndeckung der
Hausherren machten es jedoch noch einmal spannend: Pfahl erzielte den 24:27-Anschluss, und als
Narcisse sich den Ball auf den Fuß prellte, bedankte sich
Zrnic mit dem 25:27 -
Gislason zog an alter Wirkungsstätte
die Auszeit-Notbremse.
Dramatik in der Schlussphase
Doch auch die schien nicht die gewohnte Ruhe in die Zebra-Herde zurück zu bringen.
Zeitz setzte den Ball neben das Tor, und Gummersbach
hatte erneut die Möglichkeit, in direkte Schlagdistanz zu kommen. Pfahl vergab jedoch diese
Möglichkeit mit einem Pass in die Arme von
Narcisse, doch auch
aus dem folgenden Angriff konnten die Kieler kein Kapital schlagen. 65 Sekunden vor
dem Ende war es dann
Zeitz, der in einen Pass auf
Wiencek sprang, den Ball sicherte und
Jicha
auf die Reise schickte: Das 28:25 62 Sekunden vor dem Ende war letztlich die Entscheidung.
Historischer Sieg
Der
VfL hatte dem müden Rekordmeister alles abverlangt, am Ende feierten jedoch die Kieler
einen verdienten, aber hart erarbeiteten Erfolg und Historisches: Noch nie zuvor
war es einer Handball-Mannschaft in der TOYOTA Handball-Bundesliga
gelungen, alle 18 Spiele seit Saisonstart zu gewinnen. Mit dem
historischen Zwischenstand von 36:0 Punkten und einem Fünf-Punkte-Polster auf die Füchse Berlin
verabschiedeten sich die Zebras zu ihren
Nationalmannschaften - nach der
Europameisterschaft in Serbien sollen
weitere Großtaten auf dem Weg zu Titeln folgen.
(Christian Robohm)
Weitere Fotos vom Spiel finden Sie auf der
Facebook-Seite
der unserer Foto-Partnerin Susanne Schauer.
Hier geht's zu weiteren Fotos vom Spiel...
Lesen Sie bitte auch
Ich bin sehr erleichtert. Das war ein sehr schweres Spiel,
so wie ich erwartet hatte. In der ersten Halbzeit hat
Gummersbach sehr gut verteidigt, und wir haben im Angriff
schlecht gespielt. Nach dem Seitenwechsel haben wir das
besser gemacht. Man hat schon gemerkt, dass die anstrengende
Hinrunde mit den dauernden englischen Wochen ihren
Tribut fordert. Uns hat ein wenig die Spritzigkeit gefehlt.
Der Startrekord war in der Mannschaft kein Thema. Wir wussten,
dass das heute ein sehr schweres Spiel
für uns werden wird und sind daher froh, die beiden Punkte geholt zu haben.
Richtig los ging es erst in der Pause, als der Trainer eine entsprechende Ansprache gemacht hat.
Danach haben wir dann unser Spiel richtig aufgezogen und konnten nachlegen.
Wir sind gut beraten, weiter nur daran zu glauben, das nächste Spiel gewinnen zu können.
VfL-Trainer Emir Kurtagic:
Der THW hat das Spiel über 60 Minuten im Griff. Wir
haben eine sehr gute erste Hälfte gespielt, mit einer
starken Abwehr und einem ganz starken Torhüter. Sehr zufrieden
bin ich mit der Einstellung der Mannschaft. Sie hat
sich nie aufgegeben. Nach der Pause kam der THW in die
Phase, in der sie viele Mannschaften einfach überrennen.
Das ist uns nicht passiert. Aber die Niederlage konnten
wir nicht verhindern.
Wenn wir so weiter spielen, müssen wir uns sicherlich keine
Sorgen machen, aber jedes Spiel ist ein anderes. Leider haben
wir wieder keine Punkte geholt, aber wir wissen,
woran wir im Januar arbeiten müssen.
- VfL Gummersbach:
-
Somic (3 Siebenmeter, 1 Parade),
Rezar (1.-60., 15 Paraden);
Anic,
Krause,
Putics (8),
Wiencek (3),
Lützelberger (1),
Eisenkrätzer,
Mahe (4/1),
Pfahl (4),
Gaubatz,
Sprem,
Zrnic (5/2);
Trainer: Kurtagic
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-49., 52.-57., 59.-60., 17 Paraden)
Palicka (49.-52, 57.-59., 0 Paraden);
Andersson (1),
Sprenger (2),
Ahlm (4),
Kubes (n.e.),
Zeitz (4),
Palmarsson,
Narcisse (1),
Ilic (2/2),
Klein (3),
Jicha (11/4);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Holger Fleisch / Jürgen Rieber
- Zeitstrafen:
-
VfL: 4 (Pfahl (3.), Wiencek (17.), Lützelberger (33.), Putics (49.));
THW: 2 (Klein (33.), Omeyer (57.)).
- Siebenmeter:
-
VfL: 6/4 (Omeyer hält Pfahl (7.), Zrnic an den Pfosten (34.));
THW: 7/6 (Somic hält Ilic (5.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 1:0, 1:2 (3.), 4:2 (8.), 5:3 (10.), 5:4 (16.), 5:7 (19.), 6:8 (22.), 7:9, 8:10 (25.),
9:11 (27.), 10:11 (30.), 11:11;
2. Hz.: 11:12 (31.), 12:12, 12:17 (40.), 13:18, 14:19 (42.), 16:19 (44.), 17:20, 18:21 (46.),
18:24 (48.), 20:24 (49.), 21:25, 23:25 (53.), 23:27 (56.), 25:27 (58.), 25:28 (59.).
- Zuschauer:
-
8.927 (Lanxess-Arena, Köln)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 27.12.2011:
Kiel macht Rekord perfekt
28:25 gegen Gummersbach - "Zebras" führen die Handball-Bundesliga mit 36:0 Punkten an
|
Harte Landung: Dominik Klein hatte in Köln mit der
aggressiven VfL-Abwehr zu kämpfen.
©
Susanne Schauer |
Köln. Es ist vollbracht. Handball-Rekordmeister THW
Kiel musste zwar zittern - wie ängstliche Kinder vor
dem Weihnachtsmann. Am guten Ende beschenkten
sich die "Zebras" gestern Abend in Köln bei ihrem
Gastspiel gegen den VfL Gummersbach aber selbst,
legten sich einen 28:25 (11:11)-Erfolg unter den Tannenbaum.
Damit machten sie zugleich ihren 18. Saisonsieg in Folge
perfekt, sind mit 36:0 Startpunkten alleiniger Bundesliga-Rekordhalter und trugen
sich auch in dieser Disziplin in die Hitlisten der Bundesliga-Historie ein. Eine Last sei
damit von der Mannschaft abgefallen, kommentierte
Manager Klaus Elwardt die
makellose Serie seiner Mannschaft. "Es ist nicht einfach,
immer auf so einen Rekord zu schielen. Jetzt haben wir vier
Wochen Pause, wir können sie gebrauchen."
Daniel Stephan wusste bereits vorher, dass der THW
sich keine Blöße geben würde. "Diesen Rekord bin ich los",
prophezeite der ehemalige Lemgoer Spielmacher, der
seinen TBV im Jahr 2003 zur bisher gültigen Marke von
34:0 Punkten geführt hatte. Es mache ihn zwar ein wenig
traurig, ergänzte Stephan, der gestern als TV-Experte
für Sport1 Zeuge der Partie war, "aber an Kiels Sieg wird
Gummersbach nicht rütteln
können."
Gerüttelt haben die Oberbergischen vor der Kulisse
von 9900 Zuschauern in der Kölner Lanxess-Arena trotzdem.
Die rund 400 mitgereisten Kieler Fans bangten vor
allem in der ersten Halbzeit um den fest eingeplanten
Sieg. Die vergangenen Wochen mit dreitägigem Spielrhythmus
und sechs "Hammerspielen" hatten sichtbar an der Substanz der "Zebras"
gezehrt. Körperlich und mental. "Man mag es sich nicht
eingestehen", sinnierte Linksaußen Dominik Klein,
"aber es war nicht leicht, heute
ins Spiel zu finden."
Wie wahr. Die erste Halbzeit war ein einziger Krampf,
in der Abwehr taten sich Lücken auf, vorne produzierten die Kieler Fehler am Fließband.
5:3 führte der VfL nach 15 Minuten. Mit anderen Worten:
Die sonst weltweit gefürchtete THW-Tormaschinerie
brachte es in 15 Minuten auf für sie geradezu lächerliche
drei Torerfolge. So hatten es die "Zebras" dem zunächst
großartig aufgelegten Thierry Omeyer im Tor zu verdanken,
dass sie im Spiel blieben. Vorne
fand dann Filip Jicha als
erster Angreifer seine Form zurück, brachte den THW 7:5
in Front. Ruhe stellte sich indes nicht ein, bis zum Halbzeit-11:11 hatten die kämpferisch
gegenüber der peinlichen Niederlage in Wetzlar wie verwandelt auftretenden
Gastgeber den hohen Favoriten wieder eingefangen.
Die zweite Halbzeit begann dann so, wie VfL-Coach Emir
Kurtagic es erwartet und befürchtet hatte. Konzentriert
nutzte der Rekordmeister jede Chance, bekam seinen
Lauf und hatte sich Mitte der zweiten Halbzeit auf 24:18
Tore abgesetzt. Die energisch erzwungenen Treffer von
Christian Zeitz und die anhaltende
Treffsicherheit von
Filip Jicha, der es auf insgesamt
elf Tore brachte, waren jetzt die Garanten für die
THW-Dominanz. "Jeder kennt diese THW-Phasen, dafür
ist Kiel berühmt", stöhnte Kurtagic nach der Partie.
"Verhindern kann es aber keiner."
Laut wurde es am Ende dann doch noch einmal. Als die Kieler im Gefühl des sicheren
Sieges einen Gang zurückschalteten und die nie aufsteckenden Gastgeber ihre
zweite Luft bekamen, war Gummersbach beim 25:27
(58.) wieder auf Tuchfühlung. Ein Abspielfehler von Adrian
Pfahl bewahrte den THW dann vor einer turbulenten
Schlussphase, Jichas Tempogegenstoß beendete die Zitterpartie.
"Ein dickes Kompliment für die vergangenen Wochen", lobte THW-Coach
Alfred Gislason. "Jetzt aber
freue ich mich auf die Pause. Ich fahre 14 Tage in mein
Haus nach Magdeburg und schalte das Telefon aus."
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 27.12.2011)