24.03.2012 | Mannschaft / Bundesliga |
Frage zwei: Sicher, der THW hatte auch seine glücklichen Momente, ohne die es unmöglich wäre, aus 25 Spielen 50 Punkte herauszufiltern. Der eine oder andere Minuspunkt hätte an der tatsächlichen Dominanz, die das Produkt extrem harter Arbeit ist, aber nichts geändert. Dieser beeindruckende Siegeswille der "Zebras" speist sich zu einem nicht unwesentlichen Teil aus den Zahlen der vergangenen Saison. Sie hatten zwar den DHB-Pokal gewonnen, waren aber nach sechs Meisterschaften in Folge nur Zweiter geworden und im Champions-League-Viertelfinale am späteren Sieger FC Barcelona gescheitert. Eine Bilanz, die bei den Rhein-Neckar Löwen zweiwöchige Feierlichkeiten ausgelöst hätte, in Kiel aber als ein verlorenes Jahr einsortiert wurde.
Nach dem Selbstverständnis des Vereins endet eine Saison auf dem Kieler Rathausplatz. 20 000 Fans kommen, die Mannschaft bringt die Schale mit. Aus dieser Enttäuschung erwuchs die Motivation bei Spielern und Trainer Alfred Gislason, noch härter zu arbeiten. Zudem blieb dem THW, anders als dem HSV, das sonst zu zuverlässige Verletzungspech erspart.
Ein möglicher Wendepunkt ist stets das Turnier im Januar. Für gewöhnlich verbringen die meisten Kieler diesen Monat mit ihren Nationalmannschaften. Auch diesmal nahmen elf "Zebras" an der Europameisterschaft in Serbien teil. Ungewöhnlich waren aber zwei Dinge: Alle kehrten für Handballer-Verhältnisse gesund zurück. Für Filip Jicha, der mit einer Knöchelverletzung anreiste, war die EM schon vor der strapaziösen Hauptrunde beendet. Für ihn tragisch, für den Verein glücklich. Und bis auf Momir Ilic, der Silber gewann, erlebten alle große Enttäuschungen, die sie so schnell wie möglich mit frischen Erfolgen übertünchen wollten. Sie fieberten deshalb regelrecht der Rückrunde entgegen, um mit ihrem gemeinsamen Nenner, dem THW, wieder zu siegen. In einem Team, das seit Jahren eingespielt ist und dessen Bausteine sich im besten Handballer-Alter befinden.
Bleibt der THW bis ins Jahr 2015 hinein die "Über-Mannschaft", wie es die "Sportbild" in Aussicht gestellt hat? Das ist fraglich. Geht Kim Andersson im Juni, hinterlässt er eine beachtliche Baustelle, weil seinem Nachfolger Marko Vujin (27/Veszprem) die nötige Erfahrung in der Deckungsarbeit fehlt. Zudem wird der Serbe in der Saisonvorbereitung, die für ihn besonders wichtig wäre, fehlen, sollte er sich noch für die Olympischen Spiele in London qualifizieren.
Der große Umbruch steht erst im Sommer 2013 an. Andersson hat in Kopenhagen unterschrieben, Ausnahme-Torhüter Thierry Omeyer in Montpellier. Zudem werden wohl Marcus Ahlm und Daniel Narcisse den Verein verlassen. Ein Weltklasse-Quartett, das nicht zu ersetzen sein wird. Wie stark der THW ohne sie ist, hängt davon ab, wie gut die Erben des vor drei Jahren entlassenen Managers Uwe Schwenker ihre Hausaufgaben machen. Der aktuelle Kader trägt noch seine Handschrift. Erst nach der Saison 2012/2013 wird sich zeigen, ob die Nachfolger von Schwenker, der angeblich dem Zweitligisten Post Schwerin als Berater helfen soll, auch ein so gutes Näschen haben, wenn es darum geht, eine neue Mannschaft auf die Beine zu stellen.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 24.03.2012)
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