22.05.2012 | Mannschaft |
Daniel Narcisse. |
Auch beim Final4 könnte er der Unterschied sein. In Berlin, dem Gegner am Sonnabend (15.15 Uhr), ist er seit Oktober vergangenen Jahres unvergesslich. Beim 33:32-Sieg im Fuchsbau ließ der neunfache Torschütze die routinierten Berliner mit seinen unglaublichen Wacklern wie Anfänger aussehen. "Das ist bitter: Da hat Filip Jicha einen schlechten Tag, und dann macht uns Narcisse fertig", klagte damals Berlins Kapitän Torsten Laen.
Würde Kiel das Finale erreichen, wäre wahrscheinlich Madrid der Gegner. Die Spanier spielen mit ihrem Wellenbrecher Didier Dinart eine offensive Deckung. Eine Variante, die eigentlich ein Wall ist, für Narcisse ist sie ein Slalomkurs. Wie es einer 3:2:1-Abwehr gegen ihn ergehen kann, musste zuletzt der HSV Hamburg erfahren. Zweimal innerhalb von sieben Tagen. "Ich bin nach Kiel gekommen, um die Champions League zu gewinnen", sagt Narcisse, der im Sommer 2008 für eine Ablöse von einer Million Euro aus Chambery zum THW gewechselt war. "Das ist mir gelungen, aber ich will es wieder erleben." Es seien diese kurzen Momente nach den Triumphen, die ihn antreiben würden: "Die sind rar und deshalb so begehrenswert."
Spricht Narcisse über die bislang perfekte Saison, wird deutlich, dass es für ihn trotzdem eine herbe Enttäuschung wäre, wenn der THW nicht zum dritten Mal den Cup gewinnen würde. Der Vater von Noa (8) und Aimy (3) ist längst Kieler geworden. Die Zeit im schwarz-weißen Dress, sagt er, wäre die intensivste seiner Karriere. Der Sieg in der Champions League als Höhepunkt, der Kreuzbandriss und das Ende der vergangenen Saison mit der Niederlage in Magdeburg, der letzten in der Bundesliga, als Tiefen. "Der richtige Umgang mit Krisen ist entscheidend", sagt Narcisse. "Das ist in der Nationalmannschaft so. Und in Kiel auch."
Während andere Mitglieder seiner goldenen Generation die Gille-Brüder (ab Juni in Chambery) und Thierry Omeyer (ab 2013 in Montpellier) - ihre Koffer packen, könnte Narcisse sich gut vorstellen, seinen im Sommer 2013 auslaufenden Vertrag zu verlängern. Es ist typisch für ihn, der auf der Paradiesinsel La Reunion im Indischen Ozean seine Wurzeln hat, dass er sich mit einer solchen Entscheidung nicht unter Druck setzt. Sie werde "sehr wahrscheinlich" nicht mehr vor den Olympischen Spielen fallen. "Was das Sportliche betrifft, kann ich nur Ja sagen", sagt Narcisse. "Aber entscheidend ist, ob sich meine Familie wohlfühlt." Ist sein Sohn der Gradmesser, wird er bleiben. "Noa will nicht mehr weg aus Melsdorf. Er spricht inzwischen super Deutsch, und seine Freunde leben alle hier." Für ihn sind sie aus der Villa von Ex-Trainer Noka Serdarusic in Russee, die sie als Mieter bewohnten, in ein kleineres Haus nach Melsdorf umgezogen.
Der Olympiasieger weiß, dass ein Abschied ein tiefer Einschnitt sein würde. "Mehr, als das Trikot des THW zu tragen, kann ein Handballer nicht erreichen." Gislason macht kein Geheimnis daraus, dass ihn zum Bleiben überreden will. "Er ist kein Konditionswunder", sagt der Trainer augenzwinkernd, "aber er hat ein begnadetes Auge und ist ein außergewöhnlicher Athlet." Was noch für Narcisse spricht? "Er hat nie schlechte Laune", sagt der Isländer über seinen Musterschüler. Und? "Ich kenne keinen anderen Menschen, der so lange duscht wie er."
(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 22.05.2012)
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