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27.-29.10.2012 - Letzte Aktualisierung: 29.10.2012 Bundesliga

33:30 - THW dreht Spitzenspiel in Hamburg

Bundesliga, 10. Spieltag: 27.10.2012, Sa., 15.00: HSV Hamburg - THW Kiel: 30:33 (15:12)
Update #3 KN-Bericht, weitere Stimmen, Fotos und Spielbericht ergänzt ...

Filip Jicha war am Ende nicht mehr zu stoppen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Filip Jicha war am Ende nicht mehr zu stoppen.
Dank eines unglaublichen 10:2-Schlussspurts hat sich der THW Kiel am Samstag im Spitzenspiel beim HSV Hamburg beide Punkte und damit die Tabellenführung in der DKB Handball-Bundesliga erkämpft. Nach einer starken Anfangsviertelstunde und einer 7:4-Führung hatten die "Zebras" in der ausverkauften o2-World zwischenzeitlich den Faden verloren, die Gastgeber spielten sich hingegen in einen Rausch. Elf Minuten vor Schluss lag der THW mit 23:28 hinten, ehe die Kieler um den aufdrehenden achtfachen Torschützen Filip Jicha doch noch einen 33:30 (12:15)-Erfolg in der Hansestadt feiern konnten.
Spiel der Comebacks
Im Vorfeld der Partie wurde in Hamburg besonders darüber diskutiert, ob und - falls ja - inwieweit die zuletzt verletzten Pascal Hens und Marcin Lijewski zum Nordderby eingesetzt werden könnten. Tatsächlich machten sich beide Spieler und sogar der mit einem gebrochenen Zeigefinger an seiner rechten Wurfhand eigentlich noch für drei Wochen ausfallende Blazenko Lackovic warm. Hens und Lijewski standen sogar in der Startformation und zeigten bereits in der Anfangsphase mit Treffern durch wuchtige Sprungwürfe, dass sie tatsächlich rechtzeitig fit geworden waren. Selbiges galt auf Kieler Seite für Aron Palmarsson, der erstmals seit seiner im Champions-League-Spiel gegen Sävehof erlittenen Ellenbogenblessur wieder auf dem Spielberichtsbogen stand, aber nicht von Beginn an auflief.
Gute Kieler Anfangsphase dank starker Abwehr
Pascal Hens spielte lange Zeit eine starke Partie für den HSV.
Klicken Sie zum Vergrößern! Pascal Hens spielte lange Zeit eine starke Partie für den HSV.
Doch trotz der Treffer von Hens und Lijewski sowie einem Lindberg-Siebenmeter gehörte die Anfangsphase ganz dem THW Kiel. Die 3:2:1-Deckung mit dem vorgezogenen Filip Jicha machte den Gastgebern das Aufbauspiel schwer und ließ in den ersten 16 Minuten lediglich vier Gegentreffer zu. Daher konnte es Alfred Gislason auch einigermaßen verschmerzen, dass auch im Kieler Angriff noch nicht alles rund lief, denn dank zweier Vujin-Strafwürfe, drei Jicha-Krachern, dem per zweiter Welle glänzend von Narcisse eingesetzten Sigurdsson und einem grandiosen Zeitz-Hüftwurf legten die "Zebras" eine 7:4-Führung hin. Als Martin Schwalb die grüne Auszeitkarte auf den Zeitnehmertisch legte, hatten die schwarz-weißen Fans bereits die Stimm(ungs)hoheit in der ausverkauften o2-World inne.
THW verliert das Konzept
Auch Aron Palmarsson konnte mit seinen Treffern und Anspielen nicht verhindern, dass sich Hamburg Ende der ersten Halbzeit absetzte.
Klicken Sie zum Vergrößern! Auch Aron Palmarsson konnte mit seinen Treffern und Anspielen nicht verhindern, dass sich Hamburg Ende der ersten Halbzeit absetzte.
Doch auch dies sollte sich in der Folgezeit ändern: Zwar konnte Zeitz den Hens-Anschluss postwendend zum 8:5 kontern, doch danach fanden die Kieler kaum noch ein Rezept gegen die Abwehr der Gastgeber, die auch ihrerseits auf die offensive 3:2:1-Variante mit Igor Vori als Wellenbrecher und dem zunächst nur in der Defensive aufgebotenen Domagoj Duvnjak in der Abwehrmitte kein Rezept fanden. Duvnjak per schneller Mitte und Flohr von außen verkürzten auf 7:8, wenig später war der deutsche Rekordmeister unter dem Jubel der Hamburger Fans gestellt: Kraus durchbrach die mittlerweile auf eine 6:0 umgestellte Kieler Abwehr per Schlagwurf zum 9:10, ehe erneut Duvnjak per zweiter Welle nach Kieler Ballverlust den Ausgleich markierte. Als Dan Beutler dann auch noch nacheinander Würfe von Filip Jicha und Marko Vujin entschärfte und Matthias Flohr nach Anspiel des starken Pascal Hens die erste Führung für den HSV erzielte, stand die o2-World endgültig Kopf. Nach einer Auszeit Gislasons schien sich der THW zwar wieder ein wenig gefangen zu haben, Palmarsson hielt sein Team durch einen tollen Pass auf Sprenger, der zum 11:11 traf, und mit einem artistischen Wurf vom Kreis zum 12:12 im Spiel. Doch die Gastgeber hatten sich mittlerweile in einen Rausch gespielt und gingen verdient durch zwei weitere Flohr-Treffer, einer weiteren Beutler-Parade gegen Jicha und einen erweiterten Gegenstoß durch Nilsson gar mit einer 15:12-Führung in die Kabinen.
Hamburg legt weiter vor
Daniel Narcisse kämpft sich durch die Hamburger Abwehr.
Klicken Sie zum Vergrößern! Daniel Narcisse kämpft sich durch die Hamburger Abwehr.
Und die Hansestädter behielten das Momentum auch nach dem Seitenwechsel für sich: Michael Kraus verwertete ein Hens-Anspiel vom Kreis zum 16:12 und holte zudem eine Zeitstrafe gegen Christian Sprenger heraus. Der Weltmeister von 2007 drehte nun auf, ließ weitere Treffer zum 17:13 (erneut vom Kreis) und 22:18 folgen. Die Gastgeber sprühten gegen eine seltsam lethargisch wirkende THW-Deckung vor Spielwitz und schlossen zunächst fast jeden Spielzug erfolgreich ab. Selbst der im ersten Durchgang lange Zeit abgemeldete Igor Vori kam nun zu Torerfolgen, während auch eine 6:0-Deckung mit Wiencek, Toft Hansen oder Jicha auf den Halbpositionen die wie im Rausch spielenden Hens und Lijewski nicht in den Griff bekam.

Immerhin aber hatten die Kieler auf die Gegentreffer stets eine postwendende Antwort parat: Ohne auch nur ins Aufbauspiel überzugehen und ohne dem HSV Hamburg die Chance zu den benötigten Spezialistenwechseln zu geben, droschen Ilic, Zeitz und Jicha den Ball per schneller Mitte an Beutler vorbei ins Netz. Und obwohl einmal mehr Michael Kraus beim 23:18 die erste Fünf-Tore-Führung gelang, schöpften die Kieler Fans nur wenige Sekunden später wieder Hoffnung, als Matthias Flohr bereits in der 38. Spielminute völlig zurecht nach einem Foul an Aron Palmarsson seine dritte Zeitstrafe kassierte.

THW dezimiert sich selbst
Jedoch zeigte sich die Mannschaft von Martin Schwalb von der Hinausstellung und auch den Treffern von Palmarsson und Sprenger zum 20:23 weiterhin unbeeindruckt. Blazenko Lackovic rückte für Flohr auf die Halbposition in der Deckung, Lijewski und Hens legten vorne wieder nach. Und während sich die "Zebras" durch Zeitstrafen gegen Ahlm, Sprenger und Zeitz immer wieder selbst in die Bredouille brachten und dadurch die geplante Manndeckung von Narcisse gegen Hens nur selten praktizieren konnten, trug sich der bislang unauffällige Top-Torschütze Hans Lindberg zweimal in die Torschützenliste ein. Als Beutler dann auch noch gegen Palmarsson parierte und Petersen auf 28:23 erhöhte, schien die Partie elf Minuten vor Spielende schon fast entschieden, die grandiose Kieler Serie nach 45 Bundesligaspielen ohne Niederlage fast am Ende.
Gislason rüttelt seine Mannschaft wach
Auf der Kieler Bank hielt es niemanden mehr auf den Sitzen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Auf der Kieler Bank hielt es niemanden mehr auf den Sitzen.
Alfred Gislason nahm nun seine Auszeit, machte seiner Mannschaft klar, dass mit einer Leistungssteigerung noch immer ein Sieg machbar war. Und die irre Kieler Schlussphase nahm ihren Lauf: Christian Zeitz erkämpfte gleich eine Zeitstrafe gegen Lackovic, wenige Sekunden später setzte er Ahlm am Kreis ein, der mit seinem ersten Torwurf der Partie überhaupt die Aufholjagd einleitete. Jicha gelang in der Abwehr ein Steal gegen Hens und bediente Daniel Narcisse, der den Gegenstoß zum 25:28 abschloss. Und als den nun langsam müde und nervös werdenden Hansestädtern ein technischer Fehler unterlief, brachte Christian Zeitz seine Mannschaft mit einem beherzten Durchbruch erstmals in der zweiten Halbzeit wieder bis auf zwei Tore heran. Als Kiels Sportler des Jahres 2011 dann Hens zu einem weiteren technischen Fehler zwang und einen Siebenmeter erkämpfte, den der nervenstarke Vujin zum 27:28 in die Maschen donnerte, nahm Martin Schwalb seine Auszeit.
Jicha nicht mehr zu stoppen
Marcin Lijweski brachte mit seinem Sprungwurf zum 29:27 den Kieler Schlussspurt nur ganz kurz zum Stocken: Narcisse setzte nach einer Beutler-Parade nach, sich gegen zwei Gegenspieler durch und verkürzte zum 28:29, und als Michael Kraus auf der Gegenseite verwarf, schalteten die Kieler schnell - Narcisse bediente den nach vorne geeilten Filip Jicha, der zum 29:29-Ausgleich verwandelte. Dann unterlief auch Marcin Lijewski ein Fehlpass, und als Klein dann trotz eines Fouls Lijewskis zur Kieler 30:29-Führung traf und gleichzeitig eine Zeitstrafe gegen den Hamburger herausholte, war die Partie endgültig gekippt. Auch der lange Zeit unauffällige Omeyer war nun ein Garant dafür, dass sich die "Zebras" unter den Gesängen ihrer Fans diesen Sieg nun nicht mehr nehmen ließen. So parierte der Franzose gegen den völlig freien Lindberg, während Jicha nach eigenem Steal per Gegenstoß auf 31:29 erhöhte und nach einem Pass von Hens ins Aus mit einer energetischen Einzelleistung zum 32:29 die endgültige Entscheidung herstellte.
Erst Länderspiele, dann das nächste Derby
Der THW Kiel hat jetzt erst einmal eine elftägige Pflichtspielpause, ehe es gleich mit dem nächsten Nordderby weitergeht: Am Mittwoch, den 7. November ist die SG Flensburg-Handewitt zum Spitzenspiel in der Sparkassen-Arena zu Gast. Spielfrei haben die meisten "Zebras" aber bis dahin dennoch nicht, stehen doch für die Nationalspieler die ersten beiden Qualifikationsspiele zur Europameisterschaft 2014 in Dänemark auf dem Programm.

(Sascha Krokowski)

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Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Alfred Gislason:
Es war ein eigenartiges Spiel. In den ersten zehn Minuten waren wir die deutlich bessere Mannschaft, dann war der HSV 35 Minuten besser. Vorne wie hinten kamen wir nicht in Tritt. Was die Mannschaft in den letzten 15 Minuten gezeigt hat, war großartig. In der Auszeit habe ich die Jungs auf unsere Stärken eingeschworen, danach haben wir richtig gut gedeckt und jeder für den anderen gekämpft. Zu der klasse Abwehrleistung kam dann zwangsläufig auch eine gute Torhüterleistung hinzu. Ein Riesenkompliment für den Charakter und den Einsatz meiner Mannschaft.
HSV-Trainer Martin Schwalb:
Das war unglaublich intensiv. Wir haben von der Einstellung und vom Kampfgeist her an der obersten Kante gespielt. So ein Team wie den THW muss man erst einmal vor solche Probleme stellen. Das schaffen nur ganz wenige Mannschaften in der Welt. Schade war, dass wir den Sack in den letzten fünf Minuten nicht zumachen konnten. Da war der Akku leer. Und wir haben in der Seitwärtsbewegung zu viele Fehler gemacht und sind dann in Gegenstöße gerannt. Wir müssen mitnehmen, dass wir 55 Minuten eine tolle Leistung gezeigt haben. Weh getan hat uns die dritte Zeitstrafe gegen Flohr, der sensationell gedeckt hat. Danach war die Abwehr offen und ich musste Lackovic bringen. Natürlich bin ich enttäuscht, weil die Mannschaft den Sieg verdient gehabt hätte. Aber wir haben uns auch drei bis vier Fehler zuviel erlaubt.
THW-Geschäftsführer Klaus Elwardt:
Das Spiel war hervorragende Werbung für den Handball, ich habe zwei Mannschaften fast 60 Minuten lang auf Augenhöhe gesehen. Wir hatten das glücklichere Ende für uns. Glückwunsch an meinen Trainer und meine Mannschaft für eine starke Leistung, Glückwunsch aber auch an den von Verletzungen gebeutelten HSV für ein gutes Spiel.
HSV-Geschäftsführer Christoph Wendt:
Das war eine unglaubliche Atmosphäre, ein richtiges Handballfest. Eigentlich war alles für einen Sieg bereitet, doch dann kamen die letzten fünf Minuten. Der heiße Handballherbst hat erst begonnen, wir werden jetzt nach der Pause die Löwen schlagen und auch gegen Flensburg gute Karten haben.
THW-Kapitän Marcus Ahlm:
Die Abwehr stand in den letzten zehn Minuten richtig gut, und wir konnten endlich Gegenstöße laufen. Vorher mussten wir uns auch die Chancen nehmen, die nicht so klar waren. So haben wir vor allem in der ersten Halbzeit viel zu früh geworfen.
THW-Linksaußen Dominik Klein:
Es wurde Zeit, dass wir mal wieder solch ein Spiel gewinnen. Das ist ein großartiges Gefühl.

gegenüber den KN:
Die Serie interessiert uns nicht, damit gewinnen wir nicht automatisch Spiele. Es wurde aber mal wieder Zeit, ein solches Spiel am Ende mit unseren Reserven und unserem Willen doch noch zu gewinnen - ein tolles Gefühl.

THW-Torhüter Thierry Omeyer:
Wir haben super begonnen, uns dann aber ein wenig schwer getan. In den letzten 15 Minuten haben wir dann ins Spiel gefunden und viele Bälle geklaut. Dadurch wurde unser Spiel schnell, und für den Gegner wurde es schwer. Natürlich ist es schwer, fünf Tore in zehn Minuten aufzuholen. Aber wir kämpfen immer bis zur letzten Sekunde. Wenn man dann auf zwei rankommt, beginnt der Gegner nachzudenken. Wir haben noch viele schwere Spiele vor uns.
THW-Rückraumspieler Filip Jicha gegenüber Sport1:
[Frage: Ist jetzt großer Druck von Ihnen abgefallen?]
Nein, das war kein Druck. Das ist jetzt Freude pur! In der Mannschaft herrscht Freude pur, weil wir nicht so gespielt haben, wie wir uns das gewünscht haben und dennoch gewonnen haben. Der HSV hat eine gute Leistung gezeigt, besonders im taktischen Bereich gut gespielt, und wir hatten Probleme. Aber es ist besonders für unsere Neuzugänge wichtig zu sehen, dass ein Spiel 60 Minuten dauert. Wir lagen ja schon mit fünf hinten und haben dann die letzten zehn Minuten mit acht Toren gewonnen - das ist Freude pur!

Alfred Gislason hatte ja elf Minuten vor Schluss eine Auszeit genommen und uns gesagt, wir können hier gewinnen! Wir müssen nur das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben. Jetzt kommt die Nationalmannschaftspause, da können wir alle dieses Gefühl mit zu unseren Nationalmannschaften mitnehmen.

HSV-Spielmacher Michael Kraus gegenüber Sport1:
Am Ende war es Unvermögen. Diese Niederlage tut sehr weg, wenn man bis zur 52. Minute dominiert...

Aber wir wussten schon vorher, dass uns hinten raus die Luft fehlen könnte. Glückwunsch an Kiel, am Ende hat Kiel unsere Fehler eiskalt ausgenutzt und verdient gewonnen.

THW-Linkshänder Christian Zeitz gegenüber den KN:
Ob es einer meiner schönsten Siege für Kiel gewesen ist? Nein, das sind die, nach denen wir einen Grund hatten, etwas zu feiern. Auch für diesen Sieg gibt es nur zwei Punkte. Aber einer meiner kuriosesten THW-Siege war es ganz sicher.
THW-Rechtsaußen Christian Sprenger gegenüber den KN:
Einfach geil.
HSV-Linksaußen Matthias Flohr gegenüber den KN:
Alles war auf einem geilen Weg, und dann ist uns der Faden gerissen. Es ist schwer, direkt nach dem Spiel zu analysieren, woran es gelegen hat. Da kommen viele Dinge zusammen. Das ist sehr ärgerlich.

10. Spieltag: 27.10.12, Sa., 15.00: HSV Hamburg - THW Kiel: 30:33 (15:12)

Logo HSV Hamburg:
Tahirovic (57.-60. und bei zwei Siebenmetern, keine Parade), Beutler (1.-57., 9 Paraden); Kraus (5), Schröder (n.e.), Duvnjak (2), Lackovic, Flohr (4), Vori (2), Lindberg (3/1), Terzic (n.e.), Nilsson (1), Lijewski (8), Hens (4), Petersen (1); Trainer: Schwalb
Logo THW Kiel:
Omeyer (1.-26., 31.-60., 8/1 Paraden), Palicka (26.-30., keine Parade); Toft Hansen, Sigurdsson (1), Sprenger (3), Ahlm (1), Wiencek, Zeitz (4), Palmarsson (3), Narcisse (3), Ilic (3), Klein (2), Jicha (8), Vujin (5/5); Trainer: Gislason
Schiedsrichter:
Lars Geipel / Marcus Helbig
Zeitstrafen:
HSV: 6 (3x Flohr (7., 35., 38.), Vori (37.), Lackovic (50.), Lijewski (57.));
THW: 6 (Jicha (10.), 2x Sprenger (31., 44.), 2x Zeitz (38., 48.), Ahlm (41.))
Rote Karte:
HSV: Flohr (38.) nach dritter Zeitstrafe
Siebenmeter:
HSV: 2/1 (Omeyer hält Lindberg (44.));
THW: 5/5
Spielfilm:
1. Hz.: 0:1, 1:1, 1:3 (6.), 2:3, 2:4, 3:4 (10.), 3:5, 4:5, 4:7 (16.), 5:7, 5:8, 7:8, 7:9, 8:9, 8:10 (21.), 11:10 (24.), 11:11, 12:11, 12:12 (27.), 15:12;
2. Hz.: 16:12, 16:13, 17:13, 17:14, 18:14, 18:15, 19:15, 19:16, 20:16, 20:17 (35.), 21:17, 21:18, 23:18 (38.), 23:20 (41.), 24:20, 24:21, 25:21, 25:22, 26:22, 26:23, 28:23 (50.), 28:27 (53.), 29:27, 29:32 (59.), 30:32, 30:33.
Zuschauer:
13.296 (ausverkauft) (o2-World, Hamburg)
Spielgrafik:
Spielgrafik

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 29.10.2012:

Zeitz: "Gemerkt, dass hier noch was geht"

THW drehte verloren geglaubtes Spiel beim HSV spektakulär um
Hamburg. Spitzensport ist ein schmaler Grat, der Unterschied zwischen Siegern und Besiegten nicht selten nur ein Tor. Ein paar Zentimeter. Oder wenige Minuten. So wie im dramatischen Top-Spiel der Handball-Bundesliga, das der THW Kiel am Sonnabend beim HSV Hamburg mit 33:30 (12:15) gewann. Als der überragende Filip Jicha mit seinem achten Tor das 32:29 (59.) erzielte, hatten die "Zebras" einen aussichtslosen Rückstand tatsächlich noch in einen Sieg verwandelt. Den sechsten in Folge gegen die Hamburger, den 45. im 46. Liga-Spiel.

"Neben einem so verrückten Tschechen zu spielen, macht riesigen Spaß", lobte Dominik Klein den Kollegen Jicha, der großen Anteil daran hatte, dass den Gästen eine Wende gelang, die Christian Zeitz an das historische 4:4 der Schweden gegen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft erinnerte. "Ja", sagte der Linkshänder ohne Zögern, als er gefragt wurde, ob er zehn Minuten vor dem Abpfiff noch an den Sieg geglaubt hätte. "Der HSV war müde und wirkte verunsichert", sagte Zeitz. "Und wir haben schnell gemerkt, dass hier noch was geht."

23:28 (50.) stand es, als Alfred Gislason eine Auszeit nahm. Zu lethargisch seien ihm seine Spieler gewesen, sagte der THW-Trainer, der vor mehr als 13 000 begeisterten Zuschauern jetzt alles auf eine Karte setzte. Er ließ die Kieler extrem offensiv decken, im Raum, so wie sie ihre 3:2:1-Abwehr seit einiger Zeit praktizieren. Ein Risiko, schließlich öffnen sich große Lücken, wenn die Übergaben nicht stimmen. Gislason setzte alle fünf Neuzugänge auf die Bank und überließ es den Arrivierten, das Unmögliche möglich zu machen. Auswechseln, so seine Ansage, würde er nicht mehr.

Er beließ auch Thierry Omeyer im Tor, was überraschte, war der sonst so zuverlässige HSV-Albtraum doch bis dahin blass geblieben. Gislason räumte später ein, in der zweiten Halbzeit mehrfach über eine Auswechslung nachgedacht zu haben. Doch letztlich hätte er sich immer dagegen entschieden. Zu präsent seien ihm die vielen Szenen gewesen, in denen Omeyer in den HSV-Spielen zuvor zur Schlüsselfigur geworden war. Hinter einer Abwehr, die "elf perfekte Minuten" (Jicha) hatte, schrieb dann auch Omeyer ein weiteres Kapitel seiner persönlichen HSV-Geschichte.

Während die Schultern der Kieler immer breiter wurden, leistete sich das Team von Martin Schwalb nun haarsträubende Fehler. Pascal Hens fiel der Ball auf den Fuß, Marcin Lijewski spielte Zeitz direkt an, ein Pass von Domagoj Duvnjak landete in den riesigen Händen von Jicha, der spielte, als hätte er die 50 Minuten zuvor gemütlich in der Hängematte verbracht. "Wir waren auch müde", sagte er. "Aber wir wollten uns zumindest würdig verabschieden. Das ist einer meiner schönsten THW-Siege."

Die Hamburger, die bereits fünf Punkte Rückstand auf den Meister haben, reagierten dagegen fassungslos auf den Blitz-Ko. "Auf die ersten 50 Minuten können wir stolz sein", sagte ein stark aufspielender Michael Kraus, der ebenfalls untertauchte, als die Dämme brachen. "Wir hatten Kiel im Sack, aber vergessen, ihn zuzumachen."

Bitter für den HSV, der in der Deckung sogar Blazenko Lackovic aufgeboten hatte, obwohl der Kroate mit einem gebrochenen Ringfinger keinen Ball fangen konnte und sich noch drei Wochen schonen sollte. Ein Indiz dafür, welche Bedeutung ein Sieg für den Verein gehabt hätte, der im Mai 2011 erstmals Meister wurde und seitdem im Sinkflug eine ungewisse Zukunft ansteuert.

Ganz anders die Kieler, die sich mit einem Erfolgserlebnis in die achttägige Länderspielpause verabschieden, bevor im Heimspiel gegen Flensburg (7. November/19.30 Uhr) eine ähnlich harte Nuss auf sie wartet.

(von Merle Schaack und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 29.10.2012)


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