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Die Kieler Abwehr ließ in Eisenach nur 23 Gegentreffer zu.
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HBL |
Der THW Kiel hat seine weiße Weste auch im Eisenacher
Hexenkessel gewahrt. Beim aufopferungsvoll kämpfenden
Aufsteiger ThSV Eisenach gewannen die "Zebras" am
Sonnabendabend souverän mit 29:23 (16:12). Bester
Torschütze war
Gudjon Valur Sigurdsson
mit sieben Treffern,
Johan Sjöstrand
brillierte im Kieler Tor mit insgesamt 21 Paraden. Durch
den Erfolg in Thüringen bauten die Kieler ihre Startserie
auf 10:0 Punkte aus.
Die Kieler mussten in der Wartburgstadt erneut auf
Aron Palmarsson verzichten. Der
Isländer hatte sich beim dramatischen
31:30-Erfolg gegen Gummersbach in den
Dienst der Mannschaft gestellt und bei seinem Comeback mehr
Zeit auf dem Feld gestanden, als für ihn drei Monate nach
seiner Knie-Operation eingeplant war. Deshalb wurde
Palmarsson in Eisenach geschont.
Schonung hätte sicherlich auch der lädierten Schulter von
Rasmus Lauge gut getan - doch
angesichts der Personalnot auf der mittleren Rückraumposition
biss der Däne auf die Zähne.
Hitzige Atmosphäre unter der Wartburg
Die Atmosphäre in Eisenach war genauso hitzig, wie der THW
Kiel sie aus vergangenen Bundesliga-Zeiten der Thüringer her
kannte: Mit stehenden Ovationen wurde der ThSV von den 3.200
euphorischen Fans empfangen, viele Kieler Aktionnen wurden
mit Pfiffen bedacht, und jeder gelungene Spielzug der Eisenacher
frenetisch gefeiert. Der THW Kiel brauchte zunächst einige
Minuten, um mit der dadurch entstehenden Hektik auf dem
Spielfeld zurecht zu kommen - obwohl
Toft Hansen
und
Vujin ein schnelles 2:0 vorgelegt
hatten. Vier Minuten dauerte es, bis Eisenach zum ersten Mal
traf:
Jaanimaa drosch einen seiner vier Treffer in die Maschen
und legte damit ordentlich Zunder unter den Hexenkessel.
Lauge bringt Ruhe in den Kieler Angriff
Christian Sprenger erhöhte kurz darauf
mit einem Doppelschlag auf 5:2, doch die Gastgeber wichen nicht
von ihrer aggressiven Linie ab. Da sich zudem Villadsen im Kasten
der Eisenacher ein ums andere Mal auszeichnen konnte, kam der ThSV
wieder heran: Beim Stand von 8:7 nahm
Gislason
eine Auszeit, die von der Eisenacher Bank und den Fans wie ein
Torerfolg gefeiert wurde.
Gislason
beorderte den angeschlagenen
Lauge für
den in einigen Situationen glücklosen
Jallouz
in den Angriff. Tatsächlich schien diese Auszeit gut für den THW:
Sechs Minuten lang erzielten die Gastgeber keinen Treffer. Auch,
weil
Johan Sjöstrand in der ersten Hälfte
klasse hielt. Zehn Paraden zählten die Statistiker bis zum Pausenpfiff,
deren vier zeigte er in der Phase, in der sich die Kieler von 8:7
auf 11:8 (20.) absetzen konnten.
Sigurdsson
nach feinem Zusammenspiel,
Jallouz im
Gegenstoß und
Sprenger - ebenfalls per
Konter - hatten getroffen.
Doch Eisenach ließ sich nicht abschütteln - verkürzte seinerseits
wieder auf einen Zwei-Tore-Rückstand (22.), den Vujin
und Jicha, der nach einem ThSV-Fehlwurf den
Gegenstoß versenkte, wieder auf vier Tore ausbauten. Eine Führung, die
die Kieler bis zum Pausenpfiff nicht mehr abgaben.
Toft Hansen setzte sich energisch am Kreis
zum 16:12-Halbzeitstand durch.
Eisenach mit besserem Neustart
 |
Eisenachs Torhüter Rene Villadsen machte den THW-Angreifern das
Leben schwer.
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Aus der Pause kamen die Gastgeber ein wenig besser als der THW:
Jaanimaa
und Kreisläufer Hansen verkürtzten auf 14:16, dann wurde es nach
Vujins Treffer unübersichtlich. Beide
Torhüter hielten, technische Fehler im Angriff kamen auf beiden
Seiten hinzu. Konsequenz: Sieben Minuten fiel kein Tor, bis
Ekberg diese Flaute beendete. Gleichzeitig
läutete dieser Treffer starke Kieler Minuten ein:
Sigurdsson markierte das 19:15, dem
Jallouz nach eigenem Steal per Gegenstoß
wuchtig das 20:15 folgen ließ. Nach Jurdsz' 16:21 prallte
Jicha unglücklich mit seinem Gegenspieler
zusammen. Weil Eyjolfsson sich derart darüber aufregte, dass er ein
Handtuch aufs Feld schmiss, gab es zwei Minuten gegen die Bank. Die
Überzahl nutzte
Vujin mit zwei starken
Toren zum 23:16 (45.), eine Viertelstunde vor dem Ende war dies eine
Vorentscheidung. Auch, weil
Johan Sjöstrand
in der Folge zu noch größerer Form auflief und mit insgesamt 21
Paraden den Gegnern den Zahn zog. Aber auch, weil die 5:1-Abwehr des
THW deutlich wacher agierte und die Gastgeber gegen diese Variante
kaum ein probates Mittel fanden.
Am Mittwoch kommt Wetzlar
Am Ende spielten die Kieler den Sieg konzentriert herunter und
vermieden zu große Risiken. Die aufopferungsvoll kämpfenden Gastgeber
kamen so noch zur verdienten und bejubelten Ergebniskorrektur, die in
der Schlussminute jedoch durch zwei Tore von
Wiencek
und
Jicha noch einmal eingebremst wurde. Der
29:23-Sieg beim Aufsteiger war ein hartes Stück Arbeit. Und auch am
kommenden Mittwoch wird es nicht leichter, wenn die "Zebras" die HSG
Wetzlar mit Ivano Balic und Jose Hombrados empfangen. Anwurf in der
Sparkassen-Arena ist um 20.15 Uhr.
Lesen Sie bitte auch
Es war offensichtlich, dass bei uns viele Dinge noch
nicht passen. Aber ich freue mich sehr über diesen Sieg.
In diesem Hexenkessel wird Eisenach noch einige Punkte sammeln.
Eisenachs Trainer Adalsteinn Eyjolfsson gegenüber den KN:
Ich bin sehr stolz auf diesen Tag und die Mannschaft. Ich
bin seit zwei Jahren in Eisenach, so viele Verletzte habe
ich in dieser Zeit noch nie gehabt. Das ist fast wie ein Fluch.
THW-Kapitän Filip Jicha gegenüber den KN:
Das war ein gutes Stück Arbeit in dieser engen Halle mit einer
hitzigen Stimmung. Aber obwohl wir alles geben mussten, hatten
wir das Spiel immer im Griff und sind cool geblieben. Wir müssen
immer weiter arbeiten, schließlich wollen wir wieder Meister werden.
Momentan geht es bei uns personell etwas eng zu, deshalb müssen wir
kämpfen. Zwar waren wir nicht mit allem 100 Prozent zufrieden, aber
der Kampf war gut und wir haben mit sechs Toren hier gewonnen. Das
ist es, was zählt.
THW-Rückraumspieler Marko Vujin gegenüber den KN:
Die lange Anreise über sieben Stunden im Bus war nicht optimal.
Aber wir müssen auch die tolle Leistung der Gegner anerkennen.
Gratulation an Eisenach. Wir müssen in Angriff und Abwehr noch
einiges besser machen.
THW-Spielmacher Rasmus Lauge gegenüber den KN:
Wir hatten gehofft, dass ich erst wieder gegen Wetzlar spielen
müsste. Aber die Heilung lief besser als gedacht, und ich hatte
keine Probleme. Jetzt wird die Schulter gekühlt, Schmerzen habe
ich aber nicht.
THW-Torhüter Johan Sjöstrand gegenüber den KN:
Die erste Halbzeit war nicht so gut und auch der Start in
die zweite nicht. Aber als ich dann einige gute Paraden
hatte, war ich richtig im Spiel. Das Publikum hat eine
tolle Stimmung gemacht, war sehr patriotisch. Es war einfach
geil, hier zu spielen.
Eisenachs Torhüter Rene Villadsen gegenüber den KN:
In den letzten zehn Minuten war ich schon traurig, dass
wir es nicht enger gestalten konnten. Aber im Rückblick
war es ein starkes Spiel. Wir haben zuletzt gute Leistungen
in Abwehr und Angriff gezeigt. Das Spiel war enorm gut für
den Kopf.
Eisenachs Rückraumspieler Daniel Luther gegenüber den KN:
Eigentlich sollte ich wegen meiner Rückenverletzung gar
nicht spielen, musste dann aber doch ran. Wir hätten uns
schon gewünscht nicht so deutlich zu verlieren, denn es
war mehr drin. Wir haben gut in der Abwehr gestanden und
mannschaftlich gekämpft. In einigen Phasen fehlte uns aber
die Cleverness.
ThSV Eisenach:-
Villadsen (1.-60., 19/1 Paraden),
Gorobtschuk (n.e.);
Elisson (5),
Sklenak,
Wöhler,
Jurdsz (4),
Jonsson (2/1),
Luther,
Pucelj,
Jaanimaa (6),
Hansen (5),
Heinemann (1/1),
Koloper;
Trainer: Eyjolfsson
THW Kiel:-
Sjöstrand (1.-60., 21/1 Paraden),
Palicka (n.e.);
Toft Hansen (2),
Sigurdsson (7),
Sprenger (3),
Wiencek (3),
Ekberg (1),
Lauge,
Zeitz,
Jallouz (2),
Klein (1),
Jicha (4/2),
Vujin (6);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Hanspeter Brodbeck / Simon Reich
- Zeitstrafen:
-
Eisenach: 1 (Eyjolfsson (45.));
THW: 1 (Toft Hansen (44.))
- Siebenmeter:
-
Eisenach: 3/2 (Sjöstrand hält Heinemann (29.));
THW: 3/2 (Villadsen hält Vujin (13.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:2, 1:2, 1:3, 2:3 (5.), 2:5, 4:5, 4:6 (10.), 5:6,
5:7, 6:7, 6:8, 7:8 (14.), 7:11 (19.), 9:11, 9:12, 10:12,
10:14 (24.), 12:14, 12:16;
2. Hz.: 14:16, 14:17, 15:17 (34.), 15:21 (43.), 16:21,
16:23, 17:23, 17:25 (50.), 20:25 (54.), 20:26, 22:26,
22:27, 23:27, 23:29.
- Zuschauer:
-
3.200 (ausverkauft) (Werner-Aßmann-Halle, Eisenach)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 16.09.2013:
THW stärker als ein Wunder
ThSV Eisenach kämpfte tapfer bei der 23:29-Niederlage gegen den Handball-Meister
Eisenach. Der THW Kiel wahrt in der Handball-Bundesliga
seine weiße Weste und hat wieder die Tabellenspitze
erklommen. In hitziger Atmosphäre einer übervollen Halle
in Eisenach verdiente sich der THW den 29:23 (16:12)-Sieg
über den ThSV Eisenach durch einen überragenden
Johan Sjöstrand im Tor und
leidenschaftlichen Kampf gegen einen Aufsteiger, der sich
mit aller Vehemenz dem THW entgegen stemmte.
In Eisenach glaubt man gern an Wunder. Die Landgräfin
Elisabeth von Thüringen, Namensgeberin zahlreicher St.
Elisabeth Krankenhäuser, soll im 13. Jahrhundert in ihrem
nur kurzen Leben 60 Wunder vollbracht haben, wofür sie
später heilig gesprochen wurde. Und Martin Luther wird
zugeschrieben, als Junker Jörg auf der Wartburg den
leibhaftigen Teufel mit dem Wurf eines Tintenfasses
vertrieben zu haben.
Der ThSV Eisenach hätte in seinem Heimspiel gegen den THW
wohl auch ein Wunder benötigt, um die Gäste zu besiegen.
Und Spieler wie Zuschauer waren bereit, dieses Wunder zu
erzwingen. Angeheizt durch Fahnenschwenker und Trommler
Manolo sprang der Lärmpegel in der engen Werner-Assmann-Halle,
in der die 3100 Zuschauer im obersten Rang in Fünferreihen
standen, schnell auf Düsenjet-Lautstärke. Die Kieler Aktionen
wurden mit einem gellenden Pfeifkonzert begleitet, und das
Schiedsrichtergespann musste sich früh Schmährufe gefallen
lassen. Die aufgepeitschte Stimmung übertrug sich auch auf
das Parkett, wo die als Abstiegskandidaten gehandelten Thüringer
ein beachtliches Tempo vorlegten. Vor allem der Este
Dener Jaanimaa spurtete ein ums andere Mal zum Torerfolg. Eine
Eisenacher Führung oder auch nur einen zwischenzeitlichen
Ausgleich konnte aber auch er nicht erzwingen. Denn geführt
durch Kapitän Filip Jicha hatten
sich die Kieler über 2:0 zunächst auf 5:2 (7.) absetzen können.
Jicha hatte die Mittelposition
übernommen, da Aron Palmarsson nach
der Belastung im Gummersbach-Spiel gar
nicht mit nach Eisenach gereist war und auch
Rasmus Lauge noch geschont
werden sollte.
Abschütteln ließen sich die Eisenacher aber nicht. Beim 7:8
(14.) waren sie wieder auf einen Treffer heran. THW-Trainer
Alfred Gislason nahm die erste
Auszeit, schickte anschließend Lauge
zur Spielführung auf das Feld. Und obwohl sich der junge Däne
aufgrund der Schulterprellung nicht am Torwurf beteiligen
konnte, zogen die Kieler auf 11:7 (19.) davon und hielten
diesen Vorsprung bis zur Pause. Johan Sjöstrand
ließ in dieser Phase unter anderem mit einem parierten Siebenmeter
gegen Nick Heinemann schon mal sein Können aufblitzen. Dazu
durfte auch Wael Jallouz mit einem
Torerfolg und zwei starken Assists wichtige Punkte bei der
Integration im Kieler Spiel für sich verbuchen.
Die 16:12-Pausenführung schien nach dem Seitenwechsel aber
zunächst keine Ruhe in das Kieler Spiel zu bringen. Im
Gegenteil: Die Hausherren kamen besser aus der Kabine. Im
ThSV-Tor wurde Rene Villadsen zum Riesen, parierte in
schneller Folge gegen Gudjon Valur Sigurdsson,
Christian Zeitz und Jicha.
Bis auf zwei Treffer (15:17, 37.) rückten die Eisenacher den
Kielern wieder auf den Pelz.
Dann aber wuchs Sjöstrand über
sich hinaus. Gleich zweimal in Folge parierte er gegen
den frei heranstürmenden Isländer Bjarki Elisson, baute
sich im Schlussdrittel des Spiels zur Wand auf und zeigte
insgesamt 21 Paraden. Und Jallouz,
der zwischenzeitlich unglücklich in der Abwehr agiert hatte,
wuchtete mit aller Gewalt den Ball zur ersten Sechs-Tore-Führung
der Kieler ins Netz (21:15, 43.). Dank der schnellen Tore durch
Sigurdsson wuchs der Vorsprung
gar auf acht Treffer (25:17, 50.). Die Eisenacher wehrten sich
zwar weiter tapfer, und die Zuschauer hielten die Emotionen
am Kochen, machten ihrem Frust mit "Schieber, Schieber"-Rufen
gegen die Schiedsrichter Luft. Bis zum Schlusspfiff mochte aber
niemand mehr in Eisenach an ein Wunder glauben.
(von Wolf Paarmann und Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 16.09.2013)