Der THW Kiel hat seine weiße Weste und die Tabellenführung in
der DKB Handball-Bundesliga auch am 7. Spieltag gewahrt. Am
Mittwochabend bezwangen die "Zebras" in einer hitzigen und
hektischen Partie
in der ausverkauften Sparkassen-Arena die MT Melsungen mit
32:29 (13:12). Nach einem engen Spielverlauf konnten sich die
Kieler Mitte der zweiten Halbzeit von 20:20 auf 26:21
vorentscheidend absetzen und brachten den 16. Bundesligasieg in
Serie souverän nach Hause. Erfolgreichster Torschütze beim
THW war einmal mehr Marko Vujin
mit 9/2 Treffern.
THW zunächst ohne Toft Hansen
Nach der anstrengenden Champions-League-Partie in
Plock durfte Rene Toft Hansen gegen
Melsungen zunächst auf der Bank Platz nehmen. Seine
Aufgaben im Mittelblock der 6:0-Deckung neben
Filip Jicha und im Angriff
am Kreis übernahm Patrick Wiencek.
Ansonsten begann der THW mit Johan Sjöstrand
zwischen den Pfosten, Sigurdsson
und Sprenger auf außen,
Rasmus Lauge auf der Rückraummitte
sowie Marko Vujin im rechten
Rückraum. Die Abwehraufgaben des Serben übernahm im ersten
Durchgang der von einer Bronchitis wiedergenesene
Christian Zeitz.
Die Zuschauer in der ausverkauften Sparkassen-Arena
standen von Beginn an hinter ihrer Mannschaft und
pushten sie nach vorne - die Revanche für die
25:29-Heimniederlage gegen
die Hessen aus der Vorsaison sollte unbedingt gelingen.
Doch die MT zeigte sofort, dass sie sich erneut viel
an der Förde vorgenommen hatte und ging durch einen
frechen Siebenmeter-Heber Allendorfs in Führung. Der
Linksaußen agierte in der Abwehr zudem als Spitze
einer 5:1-Abwehr und versuchte dort, das Kieler Aufbauspiel
zu stören. Die "Zebras" gingen aber gut mit dieser
Situation um. Angetrieben vom routiniert Regie führenden
Lauge sorgten Sigurdsson
per zweiter Welle und Wiencek
vom Kreis beim 2:1 schon für die erste Kieler Führung.
Es entwickelte sich fortan eine hitzige und hektische
Partie, die auch die erfahrenen EHF-Schiedsrichter
Geipel/Helbig nur
selten beruhigen konnten. Keine der Mannschaften konnte
sich zunächst einen Vorteil erarbeiten. Ging ein Team
in Führung, gelang der anderen prompt der Ausgleich.
Beim THW zeichneten sich im ersten Durchgang besonders
der quirlige Sigurdsson auf
Linksaußen sowie der starke Marko Vujin
aus, der fast die Hälfte aller Kieler Treffer vor dem
Seitenwechsel markierte. Alfred Gislason
hatte nach 15 Minuten seine Deckung auf die offensive
3:2:1-Variante umgestellt, und um Kapitän
Filip Jicha eine Verschnaufpause
zu gönnen, schickte er Wael Jallouz
aufs Parkett. Melsungen aber ließ sich - auch dank einiger
guter Paraden Appelgrens und der Treffer Allendorfs -
nicht abschütteln.
Erst nach einer Zeitstrafe gegen Jallouz
gelang dem THW die erste Zwei-Tore-Führung: Vujin
setzte sich nach klugem Jicha-Pass auf der
rechten Außenseite durch und traf zum 8:7, und nach einem Fehlpass
von Philipp Müller war Sigurdsson zum
9:7 zur Stelle. Diesen Vorsprung hielten die "Zebras" aber nur für
wenige Minuten. Als Jallouz mit seinen
zwei Wurfversuchen ebenso scheiterte wie Wiencek
vom Kreis, und als Filip Jicha für ein Foul
an Danner eine Zeitstrafe kassierte, gelang den Gästen zwei Minuten
vor dem Seitenwechsel der Ausgleich zum 11:11 - und das, obwohl
Allendorf zuvor einen Gegenstoß an den Pfosten setzte und mit einem
Strafwurf an Palicka scheiterte. Doch
immerhin: Nach einem Treffer Sprengers,
der schön von Jicha bedient wurde, und
einem Siebenmeter Vujins ging der THW
mit einer knappen Führung in die Kabinen - so etwas hatte es in der
Sparkassen-Arena zuletzt zum Saisonauftakt gegen den Bergischen HC
gegeben.
Melsungen kontert und legt vor
Nach Wiederanpfiff hatten es die "Zebras" eilig: Noch sieben Sekunden
lang waren die Gastgeber in Überzahl, daher sollte schnell der 14.
Treffer folgen. Rasmus Lauge wurde auch
schnell am Kreis angespielt, als die Partie unterbrochen werden
musste - die Uhr am Zeitnehmertisch hatte den Wiederanpfiff
"verschlafen". Als das Problem behoben war, durfte der THW zwar
seinen Angriff fortsetzen, allerdings war die Melsunger Deckung
nun schon wieder vollzählig. Schnell war klar: Auch im zweiten
Durchgang dürfte es hektisch werden auf dem Parkett.
Den besseren Start in die zweiten 30 Minuten hatten dann auch
tatsächlich die Gäste: Nachdem Sprenger
nur den Pfosten traf und Appelgren zwei Jicha-Würfe
entschärfte, gingen die in dieser Phase cool agierenden Hessen durch
einen Sellin-Siebenmeter, einen Allendorf-Konter und einen Sprungwurf
Philipp Müllers mit 17:15 in Führung. Erinnerungen wurden wach an
die Partie aus dem Vorjahr, doch der THW wurde diesmal nicht nervös:
Der von Jicha bediente Toft Hansen,
eine Parade des frisch eingewechselten Palicka
gegen Philipp Müller und eine tolle Einzelleistung Marko Vujins
brachten dem THW den 17:17-Ausgleich.
Es blieb auch in der Folge ausgeglichen: Melsungen legte durch einen
frechen Heber Sellins vom Siebenmeterstrich noch einmal vor,
Jicha konterte mit seinem ersten Treffer
zum 18:18. Dann legte Rasmus Lauge elegant
auf Christian Sprenger ab. Der Kieler
Rechtsaußen vollstreckte zwar souverän zum 19:18 für den THW, stieß
bei seiner Landung aber unglücklich mit seinem Assistgeber zusammen.
Für Sprenger war die Partie beendet, für
ihn wechselte GislasonEkberg ein. Auch Christian Zeitz
war mittlerweile für Marko Vujin aufs Parkett
beordert worden, und dieser führte sich mit einem unnachahmlichen
Hüftwurf zum 20:19 auch gleich stark ein. Da Michael Müller aber
einen Schlagwurf genau in den Winkel wuchtete, stand es nach 40
Minuten 20:20 unentschieden.
Stärkste Kieler Phase sorgt für Vorentscheidung
Nun aber läuteten die "Zebras" ihre stärkste Phase ein:
Christian Zeitz setzte Patrick Wiencek
am Kreis ein, der nur unsanft gestoppt werden konnte. Siebenmeter
Vujin - 21:20. Dann kassierte
Wiencek eine Strafzeit, doch
Ekberg sprintete in einen Melsunger
Querpass und sorgte in Unterzahl per Gegenstoß für das
wichtige 22:20. Danach wurde auch noch Filip Jicha
für zwei Minuten auf die Bank geschickt, doch die doppelte
Unterzahl-Situation überstanden die Kieler schadlos - auch dank
Andreas Palicka, der gegen Sellin
einen weiteren Siebenmeter parierte. Opfer in dieser hitzigen
Phase wurde auch Michael Allendorf, der sich bei einem Einwurf
mit einem Zuschauer ein Scharmützel lieferte und dafür ebenfalls
eine Zeitstrafe kassierte. In Überzahl sorgte Zeitz
per Durchbruch dann für das 23:20 - die erste Drei-Tore-Führung
der Partie.
In der Folge verpassten es die Kieler allerdings zunächst,
"den Sack zuzumachen": Lauge scheiterte
vom Kreis an Sandström, Vujins
Siebenmeter-Aufsetzer sprang an den Querbalken, und Philipp
Müller gelang der erste Melsunger Treffer seit acht Minuten -
und das in doppelter Unterzahl. Doch wieder war es
Christian Zeitz, der per Durchbruch
für den THW nachlegte. Nachdem dann ein Kreisanspiel Michael
Müllers nicht den richtigen Empfänger fand, schickte
PalickaNiclas Ekberg
zum 25:21 auf die Reise. Und als sich Patrick Wiencek
dann den Ball in der Abwehr angelte und Jicha
das Ergebnis per Gegenstoß auf 26:21 stellte, war die Partie
nach 50 Minuten so gut wie entschieden.
Vujin sorgt für endgültige Entscheidung
Die Mannschaft von Michael Roth kämpfte in der Schlussphase
noch einmal, kam durch zwei schnelle Treffer Schröders auf
27:30 heran. Und als Sigurdssons
Wurf zwei Minuten vor Schluss am gegnerischen Kasten vorbei
trudelte und Philipp Müller bei angezeigtem Zeitspiel auf
29:31 verkürzte, keimte bei den Gästen noch einmal leise
Hoffnung auf einen Punktgewinn auf. Die Kieler aber blieben
in dieser Phase ganz cool: Sigurdsson
legte gegen die offensive Manndeckung Melsungens mustergültig
für Vujin auf, der mit seinem
neunten Treffer die Entscheidung herstellte. Dies war auch
das letzte Tor des Spiels, da Johan Sjöstrand
mit einer Doppelparade gegen Philipp Müller und Ex-"Zebra"
Daniel Kubes aufwartete und damit
die Party in der Sparkassen-Arena endgültig starten ließ.
Am Sonntag kommen Kim Andersson und Kolding-Kopenhagen
Saisonübergreifend feierte der THW damit den 16. Bundesligasieg
in Folge und liegt mit nun 14:0 Punkten weiter ohne Punktverlust
an der Tabellenspitze. Am kommenden Wochenende soll auch in der
"VELUX EHF Champions League" der Erfolgskurs gehalten werden,
wenn der dänische Spitzenclub KIF Kolding-Kopenhagen mit dem
ehemaligen Kieler Superstar Kim Andersson
in der Sparkassen-Arena zu Gast ist. Der Anwurf erfolgt am
Sonntag um 15.00 Uhr, im Vorverkauf sind noch Tickets erhältlich.
Ich bin angesichts unserer personellen Probleme sehr zufrieden,
dass wir gewonnen haben. Als ich gestern im Training unsere vielen
angeschlagenen und kranken Spieler gesehen habe, wusste ich, dass
es gegen die starke MT Melsungen sehr schwer werden würde. Meine
Mannschaft hat heute einen Riesencharakter gezeigt. Wir haben
deutlich besser gedeckt als zuletzt und alles gegeben. Der Sieg
war verdient. Riesenkompliment an meine Mannschaft.
Melsungens Trainer Michael Roth:
Das war ein sehr kampfbetontes Spiel. Der THW hat sich in den
letzten 17 Minuten gesteigert und deshalb verdient gewonnen. In
dieser hektischen Phase haben wir unseren Rhythmus verloren. Wenn
man in Kiel dann mit vier Toren hinten liegt, ist es schwer,
zurück zu kommen. Schade war, dass wir in der ersten Halbzeit
einige klare Chancen liegen gelassen haben, sonst wäre das Spiel
wohl länger offen geblieben. Aber kein Vorwurf an meine Mannschaft:
Sie hat hier alles gegeben und ihr großes Potenzial gezeigt. Wir
sind auf dem richtigen Weg.
Wir haben heute mal wieder zwei unterschiedliche Mannschaften und
Systeme gesehen. Wir haben versucht, schnell nach vorn zu spielen.
Man kann aber auch einen sehr langsamen Handball spielen, bei dem
man sich dann fragt, ob es die Zeitspielregelung noch gibt oder
eben nicht. Meine Mannschaft war nach dem Plock-Spiel extrem
angeschlagen und entkräftet, deshalb war es toll, wie sie heute
gespielt hat. Auch Sonntag erwartet uns gegen KIF Kolding-Kopenhagen
ein Kraftakt, und wir würden uns natürlich freuen, wenn die Halle
wieder ausverkauft sein würde. Unsere Jungs brauchen jetzt die
volle Unterstützung der Zuschauer.
In der zweiten Halbzeit haben wir unsere Chancen endlich
genutzt und auch in Überzahl viel cleverer gespielt. Zwar
haben wir immer noch sehr viele Tore über Außen bekommen,
aber in der Deckung kompakter gestanden als am Anfang. Die
Fans haben uns sehr geholfen.
Wir waren noch ziemlich müde vom Plock-Spiel. Das war sehr
hart. Ab der 40. Minute lief es dann besser. Warum die
Schiedsrichter so viele Zeitstrafen gegeben haben, ist mir
schleierhaft. So hart war das Spiel nicht.
Melsungens Torhüter Mikael Appelgren gegenüber den KN:
Wir hatten vorher viel per Video analysiert und wollten
Kiel mit der 5:1-Deckung stören. Das ist uns auch bis zur
40. Minute gut gelungen. Dann haben wir uns aber ein bisschen
von der Atmosphäre verrückt machen lassen.
Melsungens Rückraumspieler Michael Müller gegenüber den KN:
Am Ende sind wir an uns selbst gescheitert. Man darf die
Bälle gegen Kiel nicht einfach so wegwerfen. Wir haben
zu drucklos gespielt und zu viele technische Fehler
gemacht. Das hat Kiel eiskalt bestraft. Deshalb geht der
Sieg auch so in Ordnung.
Melsungens Linksaußen Michael Allendorf gegenüber Sport1::
Wir haben schon in der ersten Halbzeit einige Chancen liegen lassen,
aber dann besonders in der zweiten Halbzeit bei doppelter Überzahl.
Wir haben außerdem blöde Zeitstrafen kassiert, da schließe ich mich
mit ein. Das darf nicht passieren, wenn man hier in Kiel gewinnen
will, da muss man 60 Minuten alles richtig machen.
Trotzdem: Wir haben 60 Minuten gut gespielt. Ärgerlich, wenn man so
knapp verliert, aber wir haben beim THW Kiel gespielt, da gewinnt man
nicht jedes Jahr.
Handballmeister THW Kiel bezwingt Melsungen in einem Spiel der Emotionen mit 32:29
Kiel. Wer aktuell die Handball-Arena in Kiel
zu den Bundesliga-Duellen des THW besucht,
der muss Nerven aus Stahl haben. Denn leichte
Spiele gibt es für den deutschen Handball-Meister
in dieser Saison bisher nicht. Auch die Partie
gegen die MT Melsungen sorgte für viele hitzige
Momente und hochkochende Emotionen. Doch es war
auch gestern Abend wie in den Spielen zuvor. Am
Ende hatte der THW mit 32:29 (13:12) das bessere
Ende für sich.
Spieler, Betreuer und Fans des THW brauchten in dieser
Partie nicht lange, um auf fiebrige Betriebstemperatur
zu kommen. Nach einem ausgeglichenen Beginn profitierten
die Melsunger, die sich einer kompakten 6:0-Abwehr der
Kieler gegenüber sahen, von den zahlreichen
Siebenmeterpfiffen zu ihren Gunsten. Michael Allendorf
hielt mit sicherer Hand vom Punkt so die Gäste auf
Tuchfühlung gegen einen engagierten THW, der besonderes
Augenmaß bewies. Denn sowohl Rasmus Lauge
als auch Marko Vujin gelang
ein Beinschuss gegen den ansonsten guten Mikael Alf Appelgren.
Eine erste Schrecksekunde in der 15. Minute trieb den Puls
der Zehntausend dann in die Höhe. Filip Jicha
musste nach einer Abwehraktion mit schmerzender Wurfhand vom
Feld, konnte später aber weiterspielen. Doch als kurz darauf
Rasmus Lauge zweimal in der Abwehr
attackiert wurde und am Boden liegen blieb, während die Schiedsrichter
das Spiel weiterlaufen ließen, kochte die Kieler Seele. Und
Philipp Müller trieb die Stimmung auf die Spitze, als er zunächst
theatralisch am Boden liegen blieb und somit das schnelle Umschalten
des THW von Abwehr auf Angriff unterband und sich anschließend noch
ein unschönes Gesten-Zwiegespräch mit dem Publikum lieferte. Das
folgende Pfeifkonzert bei jeder Müller-Aktion erreichte die schrillen
Höhen, wie sie wohl sonst nur bei einem entgleisenden ICE zu hören
sein dürften.
Die Melsunger ließen sich davon zunächst nicht beeindrucken,
blieben bis zum Halbzeitpfiff dran. Dank eines erfolgreichen
Siebenmeters durch den überragenden Vujin
gingen die Kieler aber mit einer knappen Führung in die Kabine.
Aus der kamen sie mit noch mehr Fahrt. THW-Trainer
Alfred Gislason hatte schon vorher
in einer Auszeit klar gemacht, dass jetzt "Schluss mit lustig" sei.
Und so preschte die Mannschaft voran. Der Knackpunkt lag ausgerechnet
in einer Phase, als die Kieler sich um zwei Mann reduziert sahen
(Zwei-Minuten-Strafen gegen Patrick Wiencek
und Filip Jicha, 42.). Der Sturm der
Entrüstung unter den Zuschauern erreichte nun Orkanstärke, doch der
THW überstand die Zeit ohne Gegentor, zog sogar auf 22:20 davon. Die
Melsunger hatten nun nur noch eine Ein-Mann-Show durch den achtmal
erfolgreichen Johannes Sellin aufzubieten.
Zu wenig gegen eine Kieler Mannschaft, die hinten zwei starke
Torhüter hatte, aufmerksam in der Abwehr agierte und vorn alles
in die Waagschale warf. Beispielhaft ein Knaller von
Christian Zeitz mit 113 km/h. Der
Schlusspunkt blieb schließlich Kiels bestem Mann vorbehalten.
Marko Vujin stellte mit seinem
neunten Treffer den 32:29-Sieg gegen die Melsunger sicher, die
zum Schluss zwar noch einmal aufkamen, den THW aber nicht mehr
gefährden konnten.
(von Ralf Abratis, Frank Molter und Moritz Rönnau, aus den Kieler Nachrichten vom 26.09.2013)