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09.-11.12.2012 - Letzte Aktualisierung: 11.12.2012 Bundesliga

Jede Serie hat einmal ein Ende: THW Kiel unterliegt Melsungen

Bundesliga, 15. Spieltag: 09.12.2012, So., 17.30: THW Kiel - MT Melsungen: 25:29 (16:14)
Update #3 KN-Spielbericht, KN-Nachbericht vom 11.12., Spielbericht und Fotos ergänzt ...

Erste Niederlage nach 51 Spielen: Die Kieler Fans verabschiedeten die "Zebras" mit aufmunternden THW-Rufen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Erste Niederlage nach 51 Spielen: Die Kieler Fans verabschiedeten die "Zebras" mit aufmunternden THW-Rufen.
585 Tage blieb der deutsche Rekordmeister THW Kiel in der DKB Handball-Bundesliga ungeschlagen, 585 Tage, in denen die Kieler Handballer unglaubliche 101:1 Punkte anhäuften und unter anderem die perfekte 68:0-Saison spielten. Doch jede Serie hat einmal ein Ende - in diesem Fall ein überraschendes, aber verdientes: Mit 25:29 (16:14) unterlag der THW Kiel am Sonntagabend der starken MT Melsungen, die sich in einem Trainingslager offenbar perfekt auf den Gegner eingestellt hatte. Die Kieler begünstigten das Serien-Ende allerdings mit einer Vielzahl von Fehlern in der Offensive, die letztlich auch ein starker Filip Jicha nicht mehr verhindern konnte: Der Tscheche wurde in der ersten Hälfte nach sechs Treffern durch ein Foul am Wurfarm verletzt und konnte in der zweiten Halbzeit nur noch als Ballverteiler agieren.
Einen Rückschlag musste Trainer Alfred Gislason schon vor der Partie verkraften: Weder Aron Palmarsson, noch Patrick Wiencek konnten aufgrund ihrer Adduktorenprobleme für den Rekordmeister auflaufen. Und auch Thierry Omeyer sollte eigentlich wegen der schmerzhaften Einblutung im Fuß geschont werden, kam aber ab der 43. Minute zum Einsatz.

Rasanter Beginn
Rene Toft Hansen gab nach seiner Verletzung sein Comeback.
Klicken Sie zum Vergrößern! Rene Toft Hansen gab nach seiner Verletzung sein Comeback.
Die Partie vor 10.285 Zuschauern in der Sparkassen-Arena begann rasant: Gleich zehn Tore fielen in den ersten sechs Minuten. Nach dieser Rallye stand es 5:5 - und Filip Jicha hatten den Kieler Angriffen bereits seinen Stempel aufgedrückt. Weil der Tscheche auch in der Folge erfolgreich Verantwortung übernahm, führte der THW Kiel drei Minuten später erstmals mit zwei Toren: Mit seinen Treffern drei und vier machte Jicha das 7:5. Doch die Gäste, die auf ihren torgefährlichen Rückraumschützen Alexandros Vasilakis verzichten mussten, ließen sich davon nicht beirren: Angetrieben von den starken Paraden Per Sandströms kamen sie kurz darauf zum Ausgleich, wenig später sorgte ein Vukovic-Doppelschlag sogar wieder für eine 9:8-MT-Führung. Was folgte, waren die stärksten Kieler Minuten des Spiels: Hinten hielt Andreas Palicka einige Bälle an, zudem machten die offensive THW-Abwehr in dieser Phase richtig gut. Die Konsequenz war ein 4:0-Lauf bis zur 20. Minute. Urplötzlich führte der THW nach den Toren von Jicha, Marko Vujin, Gudjon Valur Sigurdsson und Rene Toft Hansen, der früh für den glücklosen Ahlm kam, mit 12:9.

Vier-Tore-Führung schmilzt bis zur Pause
Filip Jicha machte ein tolles Spiel, konnte später aber nicht mehr werfen und mit seinen Toren der Mannschaft helfen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Filip Jicha machte ein tolles Spiel, konnte später aber nicht mehr werfen und mit seinen Toren der Mannschaft helfen.
Die Gäste kamen zwar immer wieder heran, doch mit zunehmender Dauer schienen die Kieler die Partie in den Griff zu bekommen. In Überzahl stieg Jicha zum 14:11 hoch, dem Vujin aus halblinker Position das krachende 15:11 folgen ließ (25.). Doch dann wurde Jicha beim Wurf ungeahndet am Arm gerissen - der bis dato torgefährliche Tscheche musste die letzten Minuten der ersten Halbzeitv behandelt werden. Für ihn kam Momir Ilic, der aber kaum Akzente in der Offensive setzen konnte. Trotzdem schien nach Vujins frechem Siebenmeter-Heber zum 16:12 alles auf einen Erfolg für den THW Kiel hinauszulaufen. Ärgerlich war zu diesem Zeitpunkt nur, dass die Hessen durch Vukovic verkürzen konnten und Christian Zeitz wenige Sekunden vor dem Pausenpfiff an Sandström scheiterte. MT spielte diesen Vorteil clever und schnell aus - Danner traf mit der Sirene zum 14:16.

Zwölf Minuten lang kein Kieler Tor
Die zweite Halbzeit begann wie die erste: Mit einem Kieler Fehlwurf, den Melsungen erneut konsequent bestrafte. Fahlgren verkürzte auf 15:16. Die Gäste hatten nicht erst zu diesem Zeitpunkt Lunte gerochen. Natürlich bemerkten auch sie die Abschlussschwäche der Hausherren, die zum Teil unbedrängt beste Chancen ausließen. Und sie spürten, wie sie sich zunehmend auch das Glück erarbeitet hatten: Während Danners Wurf von der Lattenunterkante zum 17:18 ins Tor sprang, scheiterte allein Daniel Narcisse dreimal am Pfosten. Technische Fehler taten ihr Übriges, dass die "Zebras" nicht mehr in die Partie fanden. Sechs Minuten lang gelang beiden Mannschaften wenig, ehe Vukovic mit dem 18:18-Ausgleich das Publikum aufweckte - fortan versuchten die Fans auf den Rängen alles, um ihre Farben wieder in die Spur zu bringen. Doch ohne Erfolg: Nach Sigurdsson 18:16 (34.) erzielten die Kieler unglaubliche zwölf Minuten keinen Treffer, zogen dafür Fahrkarten en masse. Die Gäste bedankten sich auf ihre Weise und drehten in diesen zwölf Minuten den 16:18-Rückstand in eine 21:18-Führung (46.).

Narcisse hält THW in Schlagdistanz
Enttäuscht: Während Melsungens Spieler die Anzeigetafel fotografierten, blickten die "Zebras" traurig auf das Resultat.
Klicken Sie zum Vergrößern! Enttäuscht: Während Melsungens Spieler die Anzeigetafel fotografierten, blickten die "Zebras" traurig auf das Resultat.
Weil Jicha nur noch als Ballverteiler agieren konnte und Aron Palmarsson verletzt auf der Tribüne zuschauen musste, nahm sich Narcisse nun ein Herz. Mit einem Rückraum-Kempa eröffnete er seine persönlich beste Phase, immer wieder fand der Kieler Franzose eine Lücke im ansonsten dicht gestaffelten Abwehrverband. Aber: Egal, wie er sich auch mühte - die Gäste hatten vor allem in Allendorf und Karipidis immer eine Antwort parat. So führte Melsungen mit 25:22 (52.). Und doch hätte der THW Kiel die Wende schaffen können. Nach Christian Sprengers Heber zum 24:25 waren die Kieler wieder dran, doch Dominik Klein ließ die große Chance zum Ausgleich ungenutzt. Mit seinem Gegenstoß scheiterte er genauso an Sandström wie Vujin und Sprenger zuvor, statt des Ausgleichs zogen die Hessen wieder mit zwei Toren davon - und auch eine Auszeit von Gislason und die Einwechslung von Omeyer brachten die Kieler nicht wieder in die Spur. Sandström fischte sich einen Narcisse-Wurf, und Allendorf machte mit dem 28:25 eine Minute vor dem Ende alles klar. Während MT-Trainer Michael Roth wilde Freudentänze mit den Mannschaftsbetreuern und den Spielern vollführte, ließen die Kieler die Köpfe hängen. Die erste Bundesliga-Niederlage nach 585 Tagen tat weh - die THW-Fans spürten das und richteten ihre Spieler mit lauten "THW"-Rufen wieder auf.

Mittwoch geht's nach Lübeck
Die Unterstützung der Fans werden die "Zebras" auch in den kommenden Wochen gebrauchen können. Denn für die Kieler geht es bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag im Drei-Tage-Rhythmus weiter: Bereits am Mittwoch steht das 30. Saisonspiel der "Zebras" auf dem Plan. Nachmittags geht es mit dem Mannschaftsbus nach Lübeck, wo um 19.30 Uhr das Achtelfinalspiel im DHB-Pokal beim VfL Bad Schwartau angepfiffen wird. Die Hansehalle ist restlos ausverkauft, Schwartau freut sich auf den THW Kiel. Die kürzeste Auswärtsfahrt des Jahres führt die "Zebras" zum Tabellen-Sechsten der zweiten Liga, der am Sonnabend den Aufstiegsaspiranten aus Eisenach mit 28:25 schlug und damit eine gelungene Generalprobe für das "Spiel des Jahres" feierte.

Video: Höhepunkte des Spiels

Hier geht's zu weiteren Fotos vom Spiel...

Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.

Stimmen zum Spiel:

MT-Trainer Michael Roth:
Wir sind überrascht und mächtig stolz, gewonnen zu haben. Es ist immer schwierig, seine Mannschaft vor solch einem Spiel einzustellen und zu sagen, dass man gegen einen übermächtigen spielt und nicht das Ergebnis zählt, sondern die Einstellung. Wir haben trotzdem von der ersten Minute an gezeigt, dass wir eine gute Mannschaft sind. Wir waren taktisch hervorragend eingestellt und haben alles gegeben. Vielleicht haben wir auch genutzt, dass der THW durch eine Spielpause seinen Rhythmus ein wenig verloren hat. Heute kann man davon reden, dass wir einen historischen Sieg gelandet haben. Das ist für unseren Verein, der seit Jahren in der ersten Liga spielt, aber nie wirklich positiv aufgefallen ist, eine hervorragende Eigenwerbung. Was meine Jungs heute auf die Platte gezaubert haben, werden wir vielleicht erst in ein paar Tagen realisiert haben. Ich bin jetzt gerädert, weil man bis zum Schluss nicht daran glaubt, dass es doch klappt. Es war ein fantastisches Spiel von uns, und wir haben aufgrund der zweiten Halbzeit auch verdient gewonnen.
THW-Trainer Alfred Gislason:
Ich bin enttäuscht, dass wir verloren haben. Aber trotzdem muss ich zugeben, dass der MT-Sieg verdient war. Melsungen hat sehr gut gespielt, super gedeckt und eine tolle Torhüterleistung gezeigt. Auf der anderen Seite haben wir viel zu viele Fehler gemacht. Wir hatten insgesamt 25 Fehlwürfe, das ist zuviel in solch einem Spiel. Wir hatten vor der Partie schon unsere Probleme mit verletzten und angeschlagenen Spielern, und Ende der ersten Halbzeit wird Jicha so gefoult, dass er nicht mehr werfen konnte. Dann war das ein bisschen wenig, was wir im Rückraum zu bieten hatten. Trotzdem hatten wir reichlich aussichtsreiche Situationen, um das Spiel noch zu drehen. Das haben wir nicht gemacht und haben die Chancen - anders als Melsungen - nicht genutzt. Trotz allem: Ein Riesenkompliment an die Mannschaft, eine 101:1-Serie ist nicht so schlecht (er lächelt), und dass sie einmal zu Ende geht, war auch klar. Das hätten wir natürlich gerne hinausgezögert. Wir haben seit Monaten englische Wochen - in dieser Woche haben wir viel trainiert. Vielleicht auch zu viel, ich muss darüber nachdenken, ob ich so auch meinen Teil zur Niederlage beigetragen habe. Die Mannschaft hat aber alles gegeben. Das Resultat heute zeigt, wie stark diese Liga ist.
THW-Kapitän Marcus Ahlm gegenüber den KN:
Es werden viele über diese Niederlage reden und darüber, was sie für die Liga bedeutet. Aber das interessiert mich nicht. Wir haben zu viele einfache Fehler gemacht. Und irgendwann haben die Melsunger daran geglaubt, dass sie etwas erreichen können.
Filip Jicha gegenüber den KN:
Unsere Serie ist gerissen, und das werden viele Experten wie Kretsche (Stefan Kretzschmar, d. Red.) feiern. Es war klar, dass wir irgendwann verlieren werden, eine Saison wie die letzte lässt sich nicht wiederholen. Ich glaube nicht, dass diese Leistung daran gelegen hat, dass wir viel trainiert haben. Im Gegenteil: Wir sind jetzt fit für den Dezember.
THW-Torhüter Andreas Palicka gegenüber den KN:
Wir haben alle kein gutes Spiel gemacht, ich auch nicht. Mit meiner Leistung bin ich gar nicht zufrieden, ich hätte viel mehr Bälle halten müssen. Melsungen hat heute verdient gewonnen.
Ex-"Zebra" Daniel Kubes gegenüber den KN:
Der THW Kiel war heute nicht wirklich da. Ein schöner Sieg für uns, aber wirklich euphorisch kann ich nicht sein, dazu trage ich noch zu viel THW im Herzen.
Video: Die Pressekonferenz

15. Spieltag: 09.12.12, So., 17.30: THW Kiel - MT Melsungen: 25:29 (16:14)

Logo THW Kiel:
Omeyer (43.-60., 5 Paraden), Palicka (1.-43., 8 Paraden); Toft Hansen (1), Sigurdsson (4), Sprenger (2), Ahlm (1), Ekberg (1), Zeitz (1), Narcisse (5), Ilic, Klein, Jicha (6/1), Vujin (4/1); Trainer: Gislason
Logo MT Melsungen:
Appelgren (2 Siebenmeter, 0 Paraden), Sandström (1.-60., 17 Paraden); Stenbäcken (2), Mansson, Kubes, Fahlgren (3), Schröder (2), Hildebrand, Danner (6), Karipidis (4/2), Allendorf (7), Vuckovic (5), Räbinger (n.e.); Trainer: Roth
Schiedsrichter:
Holger Fleisch / Jürgen Rieber
Zeitstrafen:
THW: 0;
Melsungen: 1 (Danner (22.))
Siebenmeter:
THW: 4/2 (Sandström hält Jicha (31.), Vujin vorbei (43.));
Melsungen: 2/2
Spielfilm:
1. Hz.: 0:1 (1.), 1:1 (2.), 1:2 (3.), 2:2 (4.), 2:3 (4.), 3:3 (4.), 4:3 (5.), 4:4 (6.), 5:4 (6.), 5:5 (6.), 6:5 (8.), 7:5 (9.), 7:6 (9.), 7:7 (11.), 8:7 (11.), 8:8 (12.), 8:9 (16.), 9:9 (16.), 10:9 (18.), 11:9 (19.), 12:9 (20.), 12:10 (21.), 13:10 (22.), 13:11 (22.), 14:11 (24.), 15:11 (25.), 15:12 (26.), 16:12 (28.), 16:13 (29.), 16:14 (30.);
2. Hz.: 16:15 (32.), 17:15 (32.), 17:16 (34.), 18:16 (34.), 18:17 (35.), 18:18 (40.), 18:19 (42.), 18:20 (43.), 18:21 (44.), 19:21 (46.), 20:21 (48.), 20:22 (48.), 21:22 (49.), 21:23 (49.), 21:24 (51.), 22:24 (51.), 22:25 (52.), 23:25 (53.), 24:25 (54.), 24:26 (56.), 25:26 (57.), 25:27 (57.), 25:28 (59.), 25:29 (60.).
Zuschauer:
10.285 (ausverkauft) (Sparkassen-Arena-Kiel, Kiel)
Spielgrafik:
Spielgrafik

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 10.12.2012:

THW schlägt sich selbst

Nach 24 Heimsiegen unterliegt der Handballmeister gegen Melsungen mit 25:29 (16:14)
Kiel. Gestern, 19 Uhr in der Sparkassen-Arena: bittere Enttäuschung auf dem Parkett, fassungsloses Staunen auf den Rängen. Was bitte war das? Nach 585 Tagen hat der THW Kiel den Nimbus der Unbesiegbarkeit in der Handball-Bundesliga verloren. Na klar, jede Serie muss einmal enden. Aber so? Die 25:29 (16:14)-Niederlage des THW gegen Melsungen folgte keinem mitreißenden Derby, keinem Fight im Meisterschafts-Showdown. Es war eine ernüchternde Pleite in einem zähen Spiel gegen den Tabellensechsten.

Dies war nicht der THW, den die 10 285 Zuschauer in zuvor 24 siegreichen Bundesliga-Heimspielen erlebt hatten. Es war nicht einmal der THW, der sich schon vor einer Woche in der Champions League gegen Atletico Madrid ausgelaugt, aber zumindest willensstark präsentiert hatte. Der THW von gestern zeigte sich ohne eine zündende Idee im Spielaufbau gegen die 5:1-Deckung der Gäste, vielfach glücklos im Abschluss und ohne das nötige Duchsetzungsvermögen.

Die Statistik von Trainer Alfred Gislason dokumentierte die ganze Misere: 25 Fehlwürfe und acht technische Fehler standen auf dem Zettel der "Zebras", die auch mit vielen Entscheidungen des Schiedsrichter-Gespanns Holger Fleischer/Jürgen Rieber haderten.

Das Spiel zeigte auch, wie entscheidend Filip Jicha für den deutschen Meister ist. Der Tscheche hielt seine Mannschaft in der ersten Halbzeit im Spiel, war hauptverantwortlich dafür, dass sich die Kieler nach zähem Beginn sogar eine Vier-Tore-Führung (15:11/25.) erarbeiteten. Sechs Treffer hatte Jicha bis dahin erzielt, dann wurde er vom Ex-Kieler Daniel Kubes, einem guten Freund, aus der Luft gepflückt, blieb mit schmerzender rechter Schulter liegen und wurde von Dr. Detlev Brandecker behandelt. Zwar schaltete sich Jicha auch danach immer wieder ein, konnte aber nicht mehr schmerzfrei werfen. "Das fühlt sich nicht gut an", so Jicha, der eine schwerere Verletzung befürchten muss. Dem Team fehlte damit nicht nur der Kopf, sondern auch der Haupttorschütze.

Denn die weiteren Rückraum-Spieler waren nicht in der Lage, diese Lücke zu füllen. Im Gegenteil: An dem Serben Momir Ilic lief die Partie völlig vorbei, er blieb bei sechs Versuchen ganz ohne Tor. Daniel Narcisse war bemüht, aber glücklos. Gleich dreimal traf der Franzose das Gebälk, konnte aber fünf Tore verbuchen. Marko Vujin brachte neben vier Treffern auch das Kunststück fertig, einen Siebenmeter klar neben das Tor zu werfen (43.) und zweimal in kurzer Folge völlig frei vor Per Sandström aufzutauchen, um ihm dann den Ball auf die Brust (51./52.) zu schmettern.

Nicht nur mit diesen Aktionen wurde der MT-Keeper zum spielentscheidenden Mann. 20 Paraden lieferte der 31-Jährige ab, kaufte auch den Kieler Außen ein ums andere Mal den Ball ab. Begünstigt wurde Sandströms Leistung durch eine sehr stabile Abwehr, die es mit einem zupackenden Kubes und dem vorgezogenen Michael Allendorf in der 5:1-Defensive verstand, den THW-Aufbau aus dem Konzept zu bringen. Dazu variierte die MT geschickt das Tempo. Nach schnellen Toren in der frühen Phase, zog die Mannschaft von Trainer Michael Roth das Spiel später in die Länge, um zwischendurch immer wieder durch den flinken Allendorf auf das Gaspedal zu treten.

Ab der 50. Minute schienen sich die Gäste der historischen Chance eines Sieges in Kiel bewusst zu werden. In der Auszeit (54.) redete Roth, der schon wenige Minuten nach dem Abpfiff 50 Glückwunsch-SMS bekommen haben sollte, sein Team zusätzlich stark. "Er hat uns gesagt, wir sollten keine Angst haben, hier zu gewinnen", sagte Kreisläufer Felix Danner, der in der Deckung den Schlüssel zum Erfolg sah. "Normalerweise decken wir 6:0. Dass wir auch anders können, hat Kiel wohl überrascht."

Auch Dominik Klein spielte ihnen in die Hände, als er in der entscheidenden Phase zwei Tempos nicht nutzte. Der Schlusspunkt war symptomatisch. Ein weiter Pass von Christian Zeitz wurde abgefangen, Nenad Vuckovic traf zum 25:29, um dann mit seinem Team zu feiern.

(von Wolf Paarmann und Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 10.12.2012)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 11.12.2012:

Liga-Freude: "Kiel kocht auch nur mit Wasser"

THW muss mindestens ein Spiel ohne Jicha auskommen - Kubes betroffen
Kiel. Schlecht gespielt, Heimniederlage kassiert, Serie gerissen. Am Tag nach dem 25:29 (16:14) des THW Kiel gegen die MT Melsungen waren die Fakten nicht wegzudiskutieren. Die Reaktionen in Kiel und dem Rest der Handball-Republik fielen indes unterschiedlich aus.

Während die Liga nach dem Ende der THW-Serie von 51 ungeschlagenen Spielen in der Bundesliga aufatmete, interessierte sich der deutsche Meister nur dafür, wie er im Pokal-Achtelfinale (morgen, 19.30 Uhr beim VfL Bad Schwartau) wieder seine Normalform abrufen kann. Die Sorgen kreisten zudem um Filip Jicha, dessen Verletzung zumindest ein Spiel Pause erzwingt.

Am Tag nach der Niederlage versuchte THW-Trainer Alfred Gislason beim Training Normalität walten zu lassen. Auf seine zentrale Spielerpersönlichkeit musste er allerdings verzichten. Filip Jicha war zur MRT-Untersuchung. Die Aktion des Melsungers Daniel Kubes wirkte schmerzhaft nach. Der Ex-Kieler hatte in der 23. Minute mit dem zweihändigen Griff in den Arm einen Torwurf Jichas verhindert. Der konnte sich danach nicht mehr richtig ins Spiel einbringen. Eine Einblutung im Bizepsmuskel des Wurfarmes diagnostizierte Mannschaftsarzt Dr. Detlev Brandecker gestern: "Damit fällt Filip auf jeden Fall für das Pokalspiel aus. Wir werden die Verletzung physiotherapeutisch und medikamentös behandeln und sehen, wie es sich entwickelt." Mit dem Abstand von einem Tag konnte Jicha das Foul seines Freundes etwas gelassener beurteilen: "Im ersten Moment war ich ziemlich sauer. Aber es war wohl eine normale Aktion. Daniel war sehr betroffen, dass ausgerechnet er mich verletzt hat. Er hat nach dem Spiel und heute intensiv nachgefragt, wie es mir geht."

Die Nachricht von Jichas Ausfall nahm Gislason zähneknirschend zur Kenntnis: "Die Mannschaft muss jetzt ohne ihn klarkommen. Man hat allerdings gesehen, wie schwer das ist. Wir müssen uns steigern." Die Niederlage vom Vortag hatte Gislason verärgert, auch wenn es dabei nicht um das Ende der Serie ging: "Nach 51 Spielen kann man mal verlieren. Das ist nicht wichtig. Aber wir müssen die Niederlage ernst nehmen, weil wir schlecht gespielt, zu viele Fehlwürfe produziert haben. Was aber die Medien oder andere Mannschaften sagen, ist egal."

Auch sein Mannschaftskapitän Marcus Ahlm maß dem 25:29 eine Bedeutung wie jeder anderen Niederlage bei: "Wir sind enttäuscht, natürlich. Wir wissen, dass es an uns gelegen hat. Die Serie hat in der Mannschaft nie eine Rolle gespielt, aber es ist sicherlich spannend, darüber zu berichten. Und in fünf Jahren werden wir uns wahrscheinlich gern daran zurückerinnern. Jetzt aber konzentrieren wir uns ganz auf das nächste Spiel - egal ob Pokal, Bundesliga oder Champions League. Wir müssen einfach disziplinierter agieren."

Bundesweit war Erleichterung spüren, dass es die Unbesiegbaren doch mal wieder erwischt hat. Zuletzt am 4. Mai 2011 hatte der THW beim SC Magdeburg (24:30) eine Bundesliga-Niederlage kassiert. 115 SMS habe er nach dem Spiel bekommen, dazu Anrufe aus der Schweiz und Österreich, berichtete Melsungens Trainer Michael Roth, schob Hochachtung gegenüber der Kieler Leistung nach: "Da merkt man, welch eine Marke der THW Kiel ganz Europa, in der Handball-Welt ist." Liga-Chef Frank Bohmann konnte der THW-Niederlage viel Positives abgewinnen: "Das Ergebnis ist gut für die Liga und zeigt, dass auch die Kieler nur mit Wasser kochen. Sicherlich ist der THW noch immer die stärkste Mannschaft, aber es gibt einige Teams, die dem Platzhirschen die Hölle heiß machen." Bundestrainer Martin Heuberger sagte: "Von der Spannung her war das gut. Trotzdem glaube ich, dass der THW die Meisterschaft holen wird."

Als unglücklicher Sieger zeigte sich Daniel Kubes. Er mochte schon am Sonntag nicht mit seinen Teamkollegen feiern. "Es tut mir schrecklich leid, was mit Filip passiert ist. Ich glaube aber, es war keine überharte Aktion."

(von Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 11.12.2012)


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