09.-11.12.2012 - Letzte Aktualisierung: 11.12.2012 | Bundesliga |
Update #3 | KN-Spielbericht, KN-Nachbericht vom 11.12., Spielbericht und Fotos ergänzt ... |
Erste Niederlage nach 51 Spielen: Die Kieler Fans verabschiedeten die "Zebras" mit aufmunternden THW-Rufen. |
Rene Toft Hansen gab nach seiner Verletzung sein Comeback. |
Filip Jicha machte ein tolles Spiel, konnte später aber nicht mehr werfen und mit seinen Toren der Mannschaft helfen. |
Enttäuscht: Während Melsungens Spieler die Anzeigetafel fotografierten, blickten die "Zebras" traurig auf das Resultat. |
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Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.
Wir sind überrascht und mächtig stolz, gewonnen zu haben. Es ist immer schwierig, seine Mannschaft vor solch einem Spiel einzustellen und zu sagen, dass man gegen einen übermächtigen spielt und nicht das Ergebnis zählt, sondern die Einstellung. Wir haben trotzdem von der ersten Minute an gezeigt, dass wir eine gute Mannschaft sind. Wir waren taktisch hervorragend eingestellt und haben alles gegeben. Vielleicht haben wir auch genutzt, dass der THW durch eine Spielpause seinen Rhythmus ein wenig verloren hat. Heute kann man davon reden, dass wir einen historischen Sieg gelandet haben. Das ist für unseren Verein, der seit Jahren in der ersten Liga spielt, aber nie wirklich positiv aufgefallen ist, eine hervorragende Eigenwerbung. Was meine Jungs heute auf die Platte gezaubert haben, werden wir vielleicht erst in ein paar Tagen realisiert haben. Ich bin jetzt gerädert, weil man bis zum Schluss nicht daran glaubt, dass es doch klappt. Es war ein fantastisches Spiel von uns, und wir haben aufgrund der zweiten Halbzeit auch verdient gewonnen.
Ich bin enttäuscht, dass wir verloren haben. Aber trotzdem muss ich zugeben, dass der MT-Sieg verdient war. Melsungen hat sehr gut gespielt, super gedeckt und eine tolle Torhüterleistung gezeigt. Auf der anderen Seite haben wir viel zu viele Fehler gemacht. Wir hatten insgesamt 25 Fehlwürfe, das ist zuviel in solch einem Spiel. Wir hatten vor der Partie schon unsere Probleme mit verletzten und angeschlagenen Spielern, und Ende der ersten Halbzeit wird Jicha so gefoult, dass er nicht mehr werfen konnte. Dann war das ein bisschen wenig, was wir im Rückraum zu bieten hatten. Trotzdem hatten wir reichlich aussichtsreiche Situationen, um das Spiel noch zu drehen. Das haben wir nicht gemacht und haben die Chancen - anders als Melsungen - nicht genutzt. Trotz allem: Ein Riesenkompliment an die Mannschaft, eine 101:1-Serie ist nicht so schlecht (er lächelt), und dass sie einmal zu Ende geht, war auch klar. Das hätten wir natürlich gerne hinausgezögert. Wir haben seit Monaten englische Wochen - in dieser Woche haben wir viel trainiert. Vielleicht auch zu viel, ich muss darüber nachdenken, ob ich so auch meinen Teil zur Niederlage beigetragen habe. Die Mannschaft hat aber alles gegeben. Das Resultat heute zeigt, wie stark diese Liga ist.
Es werden viele über diese Niederlage reden und darüber, was sie für die Liga bedeutet. Aber das interessiert mich nicht. Wir haben zu viele einfache Fehler gemacht. Und irgendwann haben die Melsunger daran geglaubt, dass sie etwas erreichen können.
Unsere Serie ist gerissen, und das werden viele Experten wie Kretsche (Stefan Kretzschmar, d. Red.) feiern. Es war klar, dass wir irgendwann verlieren werden, eine Saison wie die letzte lässt sich nicht wiederholen. Ich glaube nicht, dass diese Leistung daran gelegen hat, dass wir viel trainiert haben. Im Gegenteil: Wir sind jetzt fit für den Dezember.
Wir haben alle kein gutes Spiel gemacht, ich auch nicht. Mit meiner Leistung bin ich gar nicht zufrieden, ich hätte viel mehr Bälle halten müssen. Melsungen hat heute verdient gewonnen.
Der THW Kiel war heute nicht wirklich da. Ein schöner Sieg für uns, aber wirklich euphorisch kann ich nicht sein, dazu trage ich noch zu viel THW im Herzen.
Aus den Kieler Nachrichten vom 10.12.2012:
Dies war nicht der THW, den die 10 285 Zuschauer in zuvor 24 siegreichen Bundesliga-Heimspielen erlebt hatten. Es war nicht einmal der THW, der sich schon vor einer Woche in der Champions League gegen Atletico Madrid ausgelaugt, aber zumindest willensstark präsentiert hatte. Der THW von gestern zeigte sich ohne eine zündende Idee im Spielaufbau gegen die 5:1-Deckung der Gäste, vielfach glücklos im Abschluss und ohne das nötige Duchsetzungsvermögen.
Die Statistik von Trainer Alfred Gislason dokumentierte die ganze Misere: 25 Fehlwürfe und acht technische Fehler standen auf dem Zettel der "Zebras", die auch mit vielen Entscheidungen des Schiedsrichter-Gespanns Holger Fleischer/Jürgen Rieber haderten.
Das Spiel zeigte auch, wie entscheidend Filip Jicha für den deutschen Meister ist. Der Tscheche hielt seine Mannschaft in der ersten Halbzeit im Spiel, war hauptverantwortlich dafür, dass sich die Kieler nach zähem Beginn sogar eine Vier-Tore-Führung (15:11/25.) erarbeiteten. Sechs Treffer hatte Jicha bis dahin erzielt, dann wurde er vom Ex-Kieler Daniel Kubes, einem guten Freund, aus der Luft gepflückt, blieb mit schmerzender rechter Schulter liegen und wurde von Dr. Detlev Brandecker behandelt. Zwar schaltete sich Jicha auch danach immer wieder ein, konnte aber nicht mehr schmerzfrei werfen. "Das fühlt sich nicht gut an", so Jicha, der eine schwerere Verletzung befürchten muss. Dem Team fehlte damit nicht nur der Kopf, sondern auch der Haupttorschütze.
Denn die weiteren Rückraum-Spieler waren nicht in der Lage, diese Lücke zu füllen. Im Gegenteil: An dem Serben Momir Ilic lief die Partie völlig vorbei, er blieb bei sechs Versuchen ganz ohne Tor. Daniel Narcisse war bemüht, aber glücklos. Gleich dreimal traf der Franzose das Gebälk, konnte aber fünf Tore verbuchen. Marko Vujin brachte neben vier Treffern auch das Kunststück fertig, einen Siebenmeter klar neben das Tor zu werfen (43.) und zweimal in kurzer Folge völlig frei vor Per Sandström aufzutauchen, um ihm dann den Ball auf die Brust (51./52.) zu schmettern.
Nicht nur mit diesen Aktionen wurde der MT-Keeper zum spielentscheidenden Mann. 20 Paraden lieferte der 31-Jährige ab, kaufte auch den Kieler Außen ein ums andere Mal den Ball ab. Begünstigt wurde Sandströms Leistung durch eine sehr stabile Abwehr, die es mit einem zupackenden Kubes und dem vorgezogenen Michael Allendorf in der 5:1-Defensive verstand, den THW-Aufbau aus dem Konzept zu bringen. Dazu variierte die MT geschickt das Tempo. Nach schnellen Toren in der frühen Phase, zog die Mannschaft von Trainer Michael Roth das Spiel später in die Länge, um zwischendurch immer wieder durch den flinken Allendorf auf das Gaspedal zu treten.
Ab der 50. Minute schienen sich die Gäste der historischen Chance eines Sieges in Kiel bewusst zu werden. In der Auszeit (54.) redete Roth, der schon wenige Minuten nach dem Abpfiff 50 Glückwunsch-SMS bekommen haben sollte, sein Team zusätzlich stark. "Er hat uns gesagt, wir sollten keine Angst haben, hier zu gewinnen", sagte Kreisläufer Felix Danner, der in der Deckung den Schlüssel zum Erfolg sah. "Normalerweise decken wir 6:0. Dass wir auch anders können, hat Kiel wohl überrascht."
Auch Dominik Klein spielte ihnen in die Hände, als er in der entscheidenden Phase zwei Tempos nicht nutzte. Der Schlusspunkt war symptomatisch. Ein weiter Pass von Christian Zeitz wurde abgefangen, Nenad Vuckovic traf zum 25:29, um dann mit seinem Team zu feiern.
(von Wolf Paarmann und Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 10.12.2012)
Aus den Kieler Nachrichten vom 11.12.2012:
Während die Liga nach dem Ende der THW-Serie von 51 ungeschlagenen Spielen in der Bundesliga aufatmete, interessierte sich der deutsche Meister nur dafür, wie er im Pokal-Achtelfinale (morgen, 19.30 Uhr beim VfL Bad Schwartau) wieder seine Normalform abrufen kann. Die Sorgen kreisten zudem um Filip Jicha, dessen Verletzung zumindest ein Spiel Pause erzwingt.
Am Tag nach der Niederlage versuchte THW-Trainer Alfred Gislason beim Training Normalität walten zu lassen. Auf seine zentrale Spielerpersönlichkeit musste er allerdings verzichten. Filip Jicha war zur MRT-Untersuchung. Die Aktion des Melsungers Daniel Kubes wirkte schmerzhaft nach. Der Ex-Kieler hatte in der 23. Minute mit dem zweihändigen Griff in den Arm einen Torwurf Jichas verhindert. Der konnte sich danach nicht mehr richtig ins Spiel einbringen. Eine Einblutung im Bizepsmuskel des Wurfarmes diagnostizierte Mannschaftsarzt Dr. Detlev Brandecker gestern: "Damit fällt Filip auf jeden Fall für das Pokalspiel aus. Wir werden die Verletzung physiotherapeutisch und medikamentös behandeln und sehen, wie es sich entwickelt." Mit dem Abstand von einem Tag konnte Jicha das Foul seines Freundes etwas gelassener beurteilen: "Im ersten Moment war ich ziemlich sauer. Aber es war wohl eine normale Aktion. Daniel war sehr betroffen, dass ausgerechnet er mich verletzt hat. Er hat nach dem Spiel und heute intensiv nachgefragt, wie es mir geht."
Die Nachricht von Jichas Ausfall nahm Gislason zähneknirschend zur Kenntnis: "Die Mannschaft muss jetzt ohne ihn klarkommen. Man hat allerdings gesehen, wie schwer das ist. Wir müssen uns steigern." Die Niederlage vom Vortag hatte Gislason verärgert, auch wenn es dabei nicht um das Ende der Serie ging: "Nach 51 Spielen kann man mal verlieren. Das ist nicht wichtig. Aber wir müssen die Niederlage ernst nehmen, weil wir schlecht gespielt, zu viele Fehlwürfe produziert haben. Was aber die Medien oder andere Mannschaften sagen, ist egal."
Auch sein Mannschaftskapitän Marcus Ahlm maß dem 25:29 eine Bedeutung wie jeder anderen Niederlage bei: "Wir sind enttäuscht, natürlich. Wir wissen, dass es an uns gelegen hat. Die Serie hat in der Mannschaft nie eine Rolle gespielt, aber es ist sicherlich spannend, darüber zu berichten. Und in fünf Jahren werden wir uns wahrscheinlich gern daran zurückerinnern. Jetzt aber konzentrieren wir uns ganz auf das nächste Spiel - egal ob Pokal, Bundesliga oder Champions League. Wir müssen einfach disziplinierter agieren."
Bundesweit war Erleichterung spüren, dass es die Unbesiegbaren doch mal wieder erwischt hat. Zuletzt am 4. Mai 2011 hatte der THW beim SC Magdeburg (24:30) eine Bundesliga-Niederlage kassiert. 115 SMS habe er nach dem Spiel bekommen, dazu Anrufe aus der Schweiz und Österreich, berichtete Melsungens Trainer Michael Roth, schob Hochachtung gegenüber der Kieler Leistung nach: "Da merkt man, welch eine Marke der THW Kiel ganz Europa, in der Handball-Welt ist." Liga-Chef Frank Bohmann konnte der THW-Niederlage viel Positives abgewinnen: "Das Ergebnis ist gut für die Liga und zeigt, dass auch die Kieler nur mit Wasser kochen. Sicherlich ist der THW noch immer die stärkste Mannschaft, aber es gibt einige Teams, die dem Platzhirschen die Hölle heiß machen." Bundestrainer Martin Heuberger sagte: "Von der Spannung her war das gut. Trotzdem glaube ich, dass der THW die Meisterschaft holen wird."
Als unglücklicher Sieger zeigte sich Daniel Kubes. Er mochte schon am Sonntag nicht mit seinen Teamkollegen feiern. "Es tut mir schrecklich leid, was mit Filip passiert ist. Ich glaube aber, es war keine überharte Aktion."
(von Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 11.12.2012)
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