16.02.2014 | Mannschaft |
In Kiel war "Willi" vom ersten Moment an Publikumsliebling. Die Fans freuen sich mindestens so sehr wie er selbst über jedes Tor. |
Zu Hause hat die Yasmin-Revolution von 2011 die Gesellschaft verändert, und auch den tunesischen Handball. Der beste Zeuge für diesen Wandel ist Sead Hasanefendic, der tunesische Nationalcoach. Am Nachmittag vor dem Testspiel in Hammamet hat er einen Espresso geordert, auf der Terrasse des Hotels Mehari ist der Lärm der Ultras noch weit weg. Traumhaft der Blick auf das azurblaue Mittelmeer, am Strand ziehen zuweilen Pferdekutschen vorbei. Ja, sagt Hasanefendic, "es hat sich vieles geändert im tunesischen Handball". Insbesondere im Vergleich zum Jahr 2005, als das Land die Elite des Handballs zum Weltturnier empfangen und Trainer Hasanefendic die Tunesier ins Halbfinale geführt hatte. Unter Diktator Ben Ali, der 2011 von der Revolution gestürzt wurde, existierten beispielsweise Gruppen wie die Carthago Boys nicht. Bei der WM 2005 waren die Gastgeber hermetisch abgeschottet worden. Viele Geheimpolizisten und noch mehr Militärs zeigten Präsenz, um die WM zu schützen.
Umringt von schwer bewaffneten Soldaten, logierte das Team von "Hassan A Fendic", wie der Trainer eintunisiert hieß, damals in einem luxuriösen Fünf-Sterne-Hotel. Die Militärpräsenz und den Prunk für die Handballer gibt es nicht mehr.
Er ist einer der größten Weltenbummler des Handballs, Hasanefendic war in den 1980er-Jahren Nationaltrainer der Schweiz, trainierte später Serbien und Bosnien, dazu eine Reihe von Klubs, darunter Ivry, Granollers und den VfL Gummersbach. Nun also wieder Tunesien. Ein Jahrzehnt nach dieser WM 2005, als er von der Sportpresse des Landes bejubelt und von singenden Fans auf Schultern getragen worden war.
Die Kontakte nach Tunis hatte er über all die Jahre gehalten. Hasanefendic mag die Leute, ihre Offenheit, ihre Freundlichkeit und Höflichkeit. Die Zuneigung gilt auch umgekehrt. Und sein Comeback hat ihn in Nordafrika noch populärer gemacht.
Die Yasmin-Revolution hatte Hasanefendic hautnah miterlebt. Er war in diesen Tagen mit dem VfL Gummersbach zu einem Turnier in Tunesien und verließ das Land mit seiner Mannschaft an jenem 14. Januar 2011, als der Diktator vor dem Volk nach Saudi-Arabien fliehen musste. In der Diktatur, sagt Hasanefendic, habe der Handball eine bedeutende Rolle gespielt. "Sicherheit, Tourismus, Sport, das waren die Interessen", erinnert er sich. "Wir waren die einzige Mannschaft, die gegen große Mannschaften in der Welt gewinnen konnte. Das war wichtig für das Image des Landes." Seinerzeit waren es als Coach paradiesische Zustände. "Früher habe ich einen Plan gemacht, und es wurde so gemacht", erzählt Hasanefendic.
Wenn er meinte, ein Vorbereitungsturnier in Schweden oder Deutschland sei das Beste, dann wurde das so organisiert. "Heute gibt es keine finanzielle Sicherung mehr", sagt er. Die Wirtschaft müsse sich schleunigst erholen. Die islamistische Regierung, die Mitte Januar zurücktrat, habe alle Hoffnung auf einen Aufschwung zerstört. Auch in diesem delikaten Prozess ist der Handball wichtig. Der Sportminister hat sich die Freundschaftsspiele gegen Deutschland angesehen, der Premierminister lud zu einem Empfang nach Tunis. Die Nationalmannschaft motiviere dieser Prozess zusätzlich, versichert Kapitän Issam Tej. "Die Tunesier brauchen einfach diese zwei Stunden Sport, um in diesen schwierigen Zeiten ein anderes Lebensgefühl zu bekommen." Die Leute benötigten, sagt Tej, manchmal eine "Pause von den politischen Problemen".
Tunesiens Nationaltrainer Sead Hasanefendic: "Jallouz ist ein Versprechen". |
"Alles für den Sieg zu geben, das möchte ich beibehalten, das war immer charakteristisch für den tunesischen Handball", sagt Hasanefendic. Er wolle seinen Spielern "die Freude am Spiel" einimpfen, Ehrgeiz und Kampfgeist. Jallouz verkörpere all das, sagt der Trainer, müsse aber noch viel an sich arbeiten. "In der Bundesliga geht es um Prozente und Physis, die Konkurrenz in Kiel ist sehr hart, er wird sich daran noch gewöhnen und sich durchsetzen müssen."
Jallouz ist kein Kronzeuge für den Wandel nach der Revolution, er war erst 18 Jahre alt, als die Clique um Ben Ali gestürzt wurde. Er zählt zur Generation, die nach vorne schaut, nicht zurück. Er vergleicht eher die verschiedenen Handballkulturen in Deutschland und Kiel, und dabei gibt es Unterschiede. Wenn die Carthago Boys ihr Team verlieren sehen, fliegen schnell Gegenstände auf das Parkett. In Kiel sind die Zuschauer dagegen traurig und muntern dann das Team auf. Diese Art der Unterstützung findet Jallouz sympathisch. Er hat Kiel, sagt er, längst lieb gewonnen.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 08.02.2014)
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