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27.06.2014 Bundesliga

Kieler Nachrichten: Lizenz ist vorerst wertlos: HSV fehlen Millionen

Bis zum 1. Juli müssen Hamburgs Handballer rechtskräftige Papiere vorlegen

Aus den Kieler Nachrichten vom 27.06.2014:

Hamburg. Die erste Entspannungszigarette nach dem Sieg des HSV Hamburg vor dem Schiedsgericht der Handball Bundesliga (HBL) rauchte Holger Liekefett im Sitzungssaal in einem schweißdurchtränkten Oberhemd. "Wir haben einen wichtigen Step erreicht, aber es geht jetzt mit genauso viel Arbeit weiter", sagte der Geschäftsführer der HSV-Handballer und zwang sich sichtlich erschöpft zu einem kurzen Lächeln.
Die Erteilung der Erstliga-Lizenz in der dritten und letzten Instanz ließ die finanziell angeschlagenen Hanseaten zumindest kurz durchschnaufen. 730 Kilometer weiter südlich hingegen war man ob der überraschenden juristischen Wende entsetzt. Bei der HBW Balingen-Weilstetten, die nach dem zweimaligen Lizenzentzug für die Norddeutschen schon wieder erstklassig geplant hatte, steht man nun vor einer äußerst schwierigen Situation. "Unfassbar, ich bin konsterniert. Das ist ein absoluter Schlag ins Gesicht", sagte Geschäftsführer Bernd Kasser. In einer eiligst einberufenen Krisensitzung am Donnerstag sollten weitere Schritte erörtert werden: "Wir werden nach allen Richtungen schauen. Man sieht ja - juristisch ist alles möglich."

In der gleichen Bredouille steckt die HG Saarlouis, die für die 2. Liga geplant hatte und nach aktuellem Stand wohl doch weiter in Liga drei spielen muss. Betroffen ist auch die MT Melsungen, die nicht anstelle des HSV im EHF-Pokal antreten wird. Vorstand Axel Geerken: "Ich bin mir sicher, dass die Vereinsverteter bei der Ligatagung nächste Woche viele Fragen haben werden."

Weniger diplomatisch meldeten sich die Fans des Bundesliga-16. zu Wort. "Korruptes Volk", "Schweinerei", "Riesensauerei" - Balingens Anhänger fluchten im Netz wie die Kesselflicker. Ihre (im Moment noch enttäuschten) Hoffnungen auf eine weitere Erstliga-Saison für ihren Verein sind aber gar nicht mal unbegründet, denn der letztjährige Champions-League-Gewinner aus Hamburg hat den rettenden Hafen noch längst nicht erreicht.

Schätzungen zufolge muss der einstige deutsche Meister bis zum 1. Juli (17 Uhr) rund 4,7 Millionen Euro in Form von rechtskräftigen Verträgen oder Bürgschaften aufbringen. "Gravierende Bedingungen und weitere Auflagen", nannte es das unabhängige dreiköpfige HBL-Schiedsgericht nach der fast achtstündigen Marathon-Tagung in Minden. Kaum vorstellbar, dass dies ohne Mäzen und Ex-Präsident Andreas Rudolph gelingt, der im Mai durch seinen plötzlichen finanziellen Rückzug die immer noch akuten pekuniären Probleme verursacht hatte.

Liekefett bestätigte dies indirekt, indem er einem deutlichen Bekenntnis zu Trainer Martin Schwalb, der bei Rudolph in Ungnade gefallen ist, unüberhörbar auswich: "Alle Sachen haben ihre Zeit, und falls diese Zeit abgelaufen sein sollte, wird man darüber sprechen müssen." Allerdings gibt es an der Elbe intensive Bestrebungen, den HSV auch ohne Rudolph und seinen Bruder Matthias, aktuell noch Hauptgesellschafter des Klubs, in finanziell ruhigeres Fahrwasser zu bringen. Kontakte bestehen zum Unternehmer Alexander Otto und auch zu Jürgen Hunke, Ex-Präsident des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV.

Wie auch immer - knapp zwei Wochen nach dem Scheitern der Nationalmannschaft in den beiden WM-Qualifikationsspielen gegen Polen versetzte der juristische Zick-Zack-Kurs der HBL dem Handball erneut eine riesige Imagedelle. Von THW-Aufsichtsratsmitglied Reinhard Ziegenbein kamen daher klare Worte: "Die Entscheidung des Schiedsgerichts mit diesem Ergebnis ist überraschend. Man muss die Begründung abwarten, um es abschließend beurteilen zu können. Der HSV gewinnt gegenüber anderen Vereinen einen zeitlichen Vorteil. Zudem ist das Stillschweigen über die Details der Lizenzauflagen nicht hinnehmbar. Transparenz ist in dieser Sache ist ein absolutes Muss. Ich habe großes Verständnis für die Empörung der Vereine, die davon unmittelbar betroffen sind. Sie haben einen Schaden, da sie schon mit Spielern disponiert haben. Dem deutschen Handball ist ein großer Imageschaden entstanden."

Die HBL versuchte am Tag danach, das Chaos zu ordnen. "Wir halten die Nichterteilung der Lizenz aufgrund der fehlenden Liquidität für richtig", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme: "Zu dieser Entscheidung stehen wir nach wie vor." Das Schiedsgericht sei aber "im Kern der Meinung" gewesen, "dass die HBL in den ersten Verfahrensrunden statt einer Lizenzverweigerung den milderen Weg der Lizenzerteilung unter Bedingungen hätte wählen müssen". Diese Entscheidung sei "von uns zu akzeptieren".

Vorhaltungen vieler Handballfans, "große" Vereine würden bei juristischen Auseinandersetzungen bevorzugt, trat die HBL so entgegen: "Alle 38 Klubs unserer Ligen haben das Recht, gegen die HBL-Entscheidungen bis zur letzten Instanz vorzugehen."

(von Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 27.06.2014)


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