Der THW Kiel macht dort weiter, wo er in der vergangenen Saison aufgehört hatte:
Durch einen 29:26 (14:14)-Erfolg über den Nordrivalen SG Flensburg-Handewitt
sicherten sich die "Zebras" am Dienstagabend zum siebten Mal den Super Cup und den ersten
offiziellen Titel der Saison. In einem spannenden, aber nicht immer
hochklassigen Derby im ausverkauften Münchner Olympia-Eissportzentrum
konnten sich die Kieler, bei denen Neuzugang Marko Vujin
(9/4 Tore), Filip Jicha (6 Treffer) und
Andreas Palicka die auffälligsten Akteure
waren, Mitte der zweiten Halbzeit absetzen. Flensburg kam
dank des sechsfachen Torschützen Holger Glandorf zwar noch einmal heran,
ehe Daniel Narcisse den THW mit seinem dritten
Treffer erlöste.
Eigentlich trainieren im Eissportzentrum die Kufencracks des DEL-Clubs
EHC Red Bull München, am Dienstag aber war die Halle fest in Hand der
Handballfans: 6.159 Zuschauer erlebten tropische Temperaturen unter dem
Hallendach, machten aber dennoch von Beginn an gute Stimmung, wie es
sich für ein Nordderby gehört. Vor dem Anpfiff wurden erst einmal die
Medaillengewinner der Olympischen Spiele geehrt:
die Goldmedaillengewinner Daniel Narcisse und
Thierry Omeyer vom deutschen Meister und
Pokalsieger THW Kiel sowie die Silbermedaillengewinner Mattias Andersson
und Tobias Karlsson vom Vizemeister und
-pokalsieger SG Flensburg-Handewitt.
Die Nordlichter hatten zunächst den besseren Start in die Partie:
Neuzugang Steffen Weinhold traf per Unterarmwurf zum 0:1,
Knudsen legte vom Kreis nach. Beim THW stand von den Neuzugängen
Marko Vujin in der Startformation,
ansonsten vertraute Alfred Gislason
den arrivierten Kräften Daniel Narcisse
und Filip Jicha im Rückraum,
Dominik Klein und Christian Sprenger
auf den Außenpositionen, Kapitän Marcus Ahlm
am Kreis und Thierry Omeyer im Tor.
In der Abwehr begann der THW mit der offensiven 3:2:1-Deckung
und Filip Jicha an der Spitze.
Doch zunächst klappte die Abstimmung noch nicht, nach dem
1:2 durch Sprenger erhöhten Djordjic
und Knudsen gar auf 4:1 für den Vizemeister.
6:1-Lauf der Kieler
Dann aber kamen die Kieler langsam besser in Fahrt:
Jicha verkürzte und
Omeyer feierte gegen Weinhold
seine erste Parade. Vujin
setzte Jicha ein zum 3:4,
und nachdem Omeyer gegen
Djordjic parierte und einen weiten Pass auf
Klein spielte, hatte der
THW bereits ausgeglichen. In Unterzahl - Marcus Ahlm
musste für zwei Minuten auf die Bank - gelang
Marko Vujin aus spitzem
Winkel gar die erste Kieler Führung. Und die Show des
serbischen Neuzugangs ging weiter: Beim 6:5 ermöglichte
er erneut viel Platz für Jicha,
das 7:5 erzielte er selbst und übernahm nach einem
Foul an Ahlm auch vom Siebenmeterpunkt
die Verantwortung - 8:6 (14.).
Wechselspiele und Unkonzentriertheiten
Mittlerweile hatten die Trainer ihre ersten Wechsel
vollzogen: Bei Flensburg feierte Holger Glandorf
nach viermonatiger Verletzungspause sein Comeback,
auch Heinl und Kaufmann kamen in die Partie.
Alfred Gislason brachte
wenig später Christian Zeitz,
Aron Palmarsson,
Rene Toft Hansen und
Momir Ilic. Diese Phase aber
gehörte - auch dank einiger Unkonzentriertheiten der "Zebras" -
nun den Flensburgern, die durch Eggert und Kaufmann egalisierten
und durch einen weiteren Treffer Kaufmanns gar wieder in
Führung gingen. Christian Zeitz
wurde anschließend wegen Fußspiels auf die Bank verbannt,
doch Marko Vujin glänzte erneut
und traf in Unterzahl zum 9:9-Ausgleich.
Doch obwohl die SG durch Treffer Eggerts und Glandorfs gar
mit 11:9 in Front lag, stand die Kieler Deckung - nun eine
6:0-Abwehr mit Momir Ilic und
Rene Toft Hansen im Mittelblock
- sattelfester. Mittlerweile war Andreas Palicka
für den glücklosen Thierry Omeyer
gekommen. Und der THW bekam die Partie wieder besser in den
Griff, nutzte Überzahlsituationen nach Zeitstrafen gegen
Eggert und Heinl aus, so dass Palmarsson
mit seinen beiden Treffern zum 12:12 und 13:13 egalisieren
konnte. Nach dem 13:14 durch Eggert aus unmöglichem Winkel
war es dann Toft Hansen, der einen
Siebenmeter herausholen konnte, den Vujin
erneut eiskalt mit seinem bereits sechsten Treffer zum
insgesamt leistungsgerechten 14:14-Halbzeitstand verwandelte.
THW legt vor, Flensburg lässt sich nicht abschütteln
Mit Beginn des zweiten Durchgangs feierte mit Linksaußen
Gudjon Valur Sigurdsson der dritte
Neuzugang sein Kieler Pflichtspieldebüt. Andreas Palicka
hütete weiterhin das Tor, ansonsten schickte Gislason
dieselbe Formation wie zu Spielbeginn aufs Parkett. Den besseren
Start hatten aber diesmal die "Zebras", die durch einen
weiteren Vujin-Siebenmeter und einen
Narcisse-Gegenstoß nach Jicha-Steal
das 16:14 erzielten. Die Flensburger, die die offensive Kieler
Abwehr desöfteren mit zwei Kreisläufern erfolgreich zu knacken
versuchten, glichen durch einen weiten Andersson-Pass
auf Svan Hansen und einen Treffer Heinls aber aus. Es blieb ein
Spiel auf Augenhöhe, in dem sich nun langsam einige Derby-typische
Nickligkeiten einschlichen - so wurden Jicha
nach Foul an Weinhold und Karlsson für
dessen Einsteigen gegen Narcisse jeweils
für zwei Minuten auf die Bank geschickt.
Beim THW, bei dem Andreas Palicka
sich nun mit einigen Glanztaten auszeichnete, deutete
Gudjon Valur Sigurdsson nun seine
Qualitäten an: Nach einem Ballgewinn in der Abwehr raste der
Isländer mit Ball von der eigenen Hälfte los und konnte erst
am Flensburger Kreis unfair gestoppt werden - den fälligen Strafwurf
verwandelte Vujin zum 18:17.
Djordjic-Verletzung schockt Flensburg
Bis zum 19:18 aber blieb die Partie eng. Die SG hatte nach einem
Offensivfoul der Kieler wieder die Chance auf den Ausgleich, als
sich Petar Djordjic ohne Fremdeinwirkung das Knie verdrehte und
verletzt vom Parkett geführt werden musste.
Der Schock saß tief bei den Flensburgern, die obendrein in dieser
Szene durch einen Gegenstoß Sigurdssons
das 18:20 kassierten. Der Vizemeister wirkte verunsichert, lediglich
Holger Glandorf traute sich nun etwas, doch seine beiden Würfe
wurden von Palicka pariert, nach den
Treffern von Ilic und Palmarsson
zum 22:18 (46.) schien sich der THW absetzen zu können.
THW zieht davon
Glandorf und Knudsen verkürzten zwar auf 20:22, weil
Andersson gegen den am Kreis
auftauchenden Sigurdsson nach
feinem Zeitz-Anspiel parieren
konnte. Doch als die Kieler, bei denen Patrick Wiencek
mittlerweile am Kreis wirbelte, eine Überzahlsituation über
Sprenger perfekt auflösten,
Zeitz ein wuchtiges Unterarmgeschoss
losließ, Sigurdsson einen weiten
Jicha-Pass von Rechtsaußen
artistisch mit rechts verwandelte und Jicha
dynamisch zum 26:21 (51.) einnetzte und dabei auch noch eine verdiente
Zeitstrafe gegen Mogensen provozierte, begannen die vielen
schwarz-weißen Fans in der Eissporthalle bereits zu feiern.
Glandorf macht es noch einmal spannend
Doch dafür war es noch zu früh. Denn nach Jichas
Treffer zum 27:23 stellte Ljubomir Vranjes auf eine 4:2-Deckung
um, die den Kielern gar nicht schmeckte. Zudem zeigte der
gerade eingewechselte Sören Rasmussen im Flensburger Tor einige
spektakuläre Paraden. So kam die SG durch zwei Eggert-Siebenmeter
wieder heran, ehe Glandorf zwei Minuten vor Schluss mit seinem
sechsten Treffer gar den 26:27-Anschluss herstellte - Auszeit
Gislason.
Aron Palmarsson übernahm die Verantwortung,
tankte sich durch, doch Rasmussen parierte gegen den unfair bedrängten
Isländer, und so hatte die SG tatsächlich die Chance zum Ausgleich.
Doch die Kieler Deckung war hellwach, Sigurdsson
sprintete in einen abgeblockten Kaufmann-Wurf und bediente
Daniel Narcisse, dem das erlösende 28:26
gelang. Den Schlusspunkt setzte dann noch einmal
Marko Vujin, der seine starke Offensivleistung
mit seinem neunten Treffer mit dem Schlusspfiff krönte.
Trotz des siebten Erfolgs im Super Cup wartet auf
Alfred Gislason aber bis zum
Bundesligastart am kommenden Samstag beim VfL Gummersbach
noch jede Menge Arbeit. Daher wird die Pokalfeier sicherlich
auch kurz ausfallen - ab Mittwoch gilt wieder die volle
Konzentration dem Bundesligastart.
Die Atmosphäre war richtig gut, auch wenn es in der Halle extrem
warm war. Wir haben deutlich gesehen, dass beide Teams noch in der
Vorbereitung stecken und ungewöhnlich viele Fehler gemacht haben.
Mit unseren Neuzugängen war ich zufrieden, sie haben sich gut
eingefügt. Aber natürlich haben wir noch viel Arbeit vor uns,
bis wir unseren Rhythmus der vergangenen Saison wiedergefunden
haben. Ich denke, wir haben verdient gewonnen gegen einen sehr
starken Gegner. Ein Kompliment an meine Mannschaft, wir hatten
nicht viel Zeit, uns auf den heutigen Tag vorzubereiten. Jetzt
haben wir sehr viele Spiele vor uns, diese werden wir nutzen, um
uns für die Liga einzuspielen. Denn die Meisterschaft wird in
diesem Jahr ein harter Kampf, aber ich hoffe, dass wir wieder
am Ende oben stehen werden.
[zu den Olympiasiegern:]
Eigentlich wollte ich beiden Torleuten heute gleich viel Spielzeit
geben, aber Andreas Palicka war in der
zweiten Halbzeit sehr stark. Beiden hat man die Strapazen angesehen,
aber die müderen Spieler waren die, die die Vorbereitung mitgemacht
haben.
SG-Trainer Ljubomir Vranjes:
Bei Djordjic sieht es nicht gut aus, ich denke, jeder in Flensburg
drückt jetzt die Daumen, dass morgen bei der MRT-Untersuchung ein
positives Ergebnis heraus kommt. Zum Spiel: Das war heute ok von uns,
wenngleich wir viele Fehler gemacht haben, die Kiel bestraft hat.
Wir haben noch ein bisschen mehr zu tun zum Start.
Heute bin ich der glücklichere Geschäftsführer, weil wir gewonnen
haben und wir das bessere Team hatten. Das Spiel war ein Wechselbad
der Gefühle. Wir hoffen, dass Djordjic sich nicht zu sehr verletzt hat.
SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke:
Trotz der Gluthitze haben die Zuschauer in der ersten Halbzeit ein
erfrischendes Handballspiel gesehen, in der zweiten Hälfte wurde
es dann kampfbetont. Kompliment an die Veranstalter, für die Hitze
konnten sie ja nichts.
HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann:
Wir mussten in den letzten Wochen viel improvisieren, ein Dank
geht an das Publikum, wir haben kaum Beschwerden bekommen. 13
Olympiateilnehmer haben heute hier gespielt, und beide Teams haben
eine tolle Leistung gezeigt. Das war kein lockerer Aufgalopp,
beide Mannschaften haben sich nichts geschenkt und Vollgas
gegeben. Die Veranstaltung hatte einen gewissen Retrocharme, ob
wir mit dem begehrten Super Cup in München bleiben, wird die
Auswertung ergeben.
THW holte den Supercup mit 29:26-Sieg gegen Flensburg
München. Die neue Handball-Saison beginnt, wie
die alte geendet hat: Mit einer Pokalübergabe an
den THW Kiel. Der Triple-Sieger gewann gestern
Abend vor knapp 6200 Zuschauern in der Münchner
Eissporthalle zum siebten Mal den Supercup.
Diesmal gegen die SG Flensburg-Handewitt. Mit
29:26 (14:14).
Das befürchtete Chaos war ausgeblieben. Eine Überraschung,
schließlich mussten doch alle Fans ihre Tickets an der
Halle umtauschen, weil das Duell zwischen dem Meister und
dem Pokalfinalisten eigentlich in der deutlich geräumigeren
und komfortableren Olympiahalle stattfinden sollte. Luxus,
der aber einen Haken hatte - ein Leck im Dach. Weil der
Schaden offenbar erst kurzfristig entdeckt worden war,
musste die Handball-Bundesliga (HBL) als Veranstalter
improvisieren. Sie tat es mit Geschick, und sie fand in
unmittelbarer Nachbarschaft eine Halle, die sonst den
Eishockey-Erstligisten EHC München beheimatet.
Sie hatte ein Dach, wenn auch ein flaches aus Blech.
Es hingen ein paar Ventilatoren daran, die auch in einem
durchschnittlichen Wohnzimmer nicht viel Wind gemacht hätten.
Die Zuschauer hatten ihre Hallenhefte gefaltet, benutzten
sie als Klatschpappen und als Fächer, um sich
angesichts der Sauna-Temperaturen Linderung zu verschaffen.
Der guten Stimmung tat die Hitze keinen Abbruch. Warum auch?
Im Handball der Moderne sitzen die Zuschauer zwar bequem,
aber weit weg vom Geschehen. Dieser Supercup war eine Reise
in die Geschichtsbücher, eine, bei dem die Fans auf Bänken
saßen, die sie offenbar aus ihren Kleingärten mitgebracht hatten.
Sie sahen ein Spiel, das nach einer gemütlichen ersten Halbzeit
noch richtig Fahrt aufnahm. Verlieren wollte keiner. Die Kieler,
die zuletzt vor 15 Monaten einer deutschen Mannschaft unterlagen,
wollen sich daran erst gar nicht gewöhnen. Die Flensburger, die
zuletzt zwölf Pflichtspiele gegen die "Zebras" verloren, wollten
diese Serie endlich beenden.
Sie starteten besser, führten 4:1 (5.), weil der Rekordmeister
in der Abwehr schlummerte. Doch mit zunehmender Spieldauer bekamen
die Kieler den Gegner immer besser in den Griff. Ein wichtiger Faktor
war Torhüter Andreas Palicka, der nach der
Pause einen glänzenden Start erwischte und das Fundament bildete, auf
dem das Team von Alfred Gislason eine
26:21 (50.)-Führung errichtete. Eine, die in einer hektischen
Schlussphase noch einmal auf ein Törchen (27:26) einschmolz. Doch
dann landete ein Pass von Lars Kaufmann in den Händen von
Daniel Narcisse, und dem Olympiasieger
war es vorbehalten, für die Entscheidung zu sorgen. "Wir haben heute
viele Fehler gemacht und es wird noch eine Weile dauern, bis wir unseren
Rhythmus wieder finden", sagte Gislason. "Aber
ich bin trotzdem zufrieden, der Sieg war verdient."