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Stefan Lövgren absolvierte 268 Länderspiele für Schweden. Bei der
EM in Norwegen ist der ehemalige Nationalmannschaftskapitän
nach seinem Rücktritt nur Zuschauer.
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Bildbyran |
Weltmeister, Europameister, Champions-League-Sieger und gleich fünf Mal Deutscher
Meister:
Stefan Lövgren hat so ziemlich alles gewonnen, was es im Handball zu gewinnen
gibt. Bei der heute in Norwegen beginnenden
Europameisterschaft allerdings ist der
Schwede in Diensten des THW Kiel lediglich Zaungast, weil er sich mit 37 Jahren
mittlerweile zu alt für solche Aufgaben fühlt. Wo seine Nachfolger international stehen
und was er dem Team von Heiner Brand zutraut, darüber sprach er in einem ausführlichen
Interview mit Arnulf Beckmann.
- Frage:
-
Heute beginnt auch für die Schweden die EM in Norwegen. Auftaktgegner ist das Team aus
Island. Werden da bei Ihnen böse Erinnerungen wach?
- Stefan Lövgren:
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Ja, natürlich. Sicher ist schon viel Zeit vergangen,
seit wir die Qualifikation für die WM verspielt haben. Und ich bin ja seither auch nicht mehr im
Kreise der Nationalmannschaft dabei. Aber natürlich denke ich noch immer ungern an
dieses Match zurück. Unser Ziel war die
WM in Deutschland. Wir wären so gern dabei
gewesen.
- Frage:
-
War das damalige Aus für Sie die Initialzündung zum Rücktritt aus der schwedischen
Nationalmannschaft?
- Stefan Lövgren:
-
Ich danach lange überlegt, ob ich weitermachen soll. In meinem Alter braucht
der Körper längere Pausen. Insofern habe ich mir irgendwann gesagt: Jetzt reicht es.
- Frage:
-
Wie schwer fällt Ihnen denn die Rolle als Zuschauer während der kommenden eineinhalb
Wochen?
- Stefan Lövgren:
-
Das weiß ich noch nicht. Bei der WM 2007 war Schweden nicht dabei. Das war
zwar bedauerlich, aber das Zuschauen fiel relativ leicht. Nun, bei der
EM, werde ich
als Co-Kommentator für das schwedische Fernsehen arbeiten. Ich soll da ein paar kluge
Sachen sagen. Aber ich werde das nicht die ganze Zeit machen, weil ich richtig mit der
Mannschaft mitfiebern will. Am besten wäre natürlich eine Lösung, wie sie vor einem
Jahr Christian Schwarzer traf, der als TV-Kommentator verpflichtet und während des
Turniers nachnominiert wurde.
- Frage:
-
Mit Kim Andersson hat ein Vereinskollege vom THW Ihre Nachfolge als Kapitän im
Drei-Kronen-Team angetreten. Ist er nicht ein wenig zu jung, um dieses Amt auszufüllen?
- Stefan Lövgren:
-
Das ist keine Frage des Alters, sondern hängt allein davon ab, wie reif ein
Spieler als Persönlichkeit ist. Ich war auch schon mit 26 Jahren Kapitän. Ich denke,
dass der Coach damit ein Zeichen setzen will, um den Umbruch einzuläuten. Es ist
gegenwärtig ja auch eine vergleichbare Situation wie bei mir damals, als die Generation
um Staffan Olsson und Magnus Wislander allmählich abtrat. Auch jetzt soll verstärkt die
jüngere Generation herangeführt werden, um ein neues Team aufzubauen.
- Frage:
-
Welche Erwartungen - aus schwedischer Sicht - knüpfen Sie an die EM? Wird es die
Rückkehr der Schweden in die internationale Spitze geben?
- Stefan Lövgren:
-
Das glaube ich noch nicht - zumindest wenn man die Dinge realistisch
betrachtet. Diese Europameisterschaft ist wohl offen wie noch keine zuvor. Gleich sechs
oder sieben Teams haben die Möglichkeit, den Titel zu gewinnen. Und dann gibt es noch
einmal fünf oder sechs Teams, die auf einem ähnlichen Niveau spielen wie das
schwedische Team.
- Frage:
-
Das klingt pessimistisch.
- Stefan Lövgren:
-
Das ist nicht pessimistisch, das ist realistisch. Ich hoffe, dass wir einen
Platz belegen, mit dem wir uns für ein Olympia-Qualifikationsturnier qualifizieren.
- Frage:
-
Sie selbst haben noch bis zum Sommer 2009 einen Vertrag beim THW Kiel. Denken Sie
allmählich ans Aufhören?
- Stefan Lövgren:
-
Wenn man 37 Jahre alt ist, denkt man natürlich daran. So, wie es sich
gegenwärtig darstellt, werde ich im Sommer 2009 meine aktive Karriere beenden.
- Frage:
-
Viele Ihrer langjährigen Weggefährten in der Nationalmannschaft haben mittlerweile
einen Platz im Trainergeschäft gefunden. Wäre das auch für Sie eine Alternative?
- Stefan Lövgren:
-
Da habe ich mich noch nicht festgelegt. Sicher ist allein, dass ich dem
Handball in irgendeiner Rolle erhalten bleibe. Ob als Trainer oder in einer anderen
Funktion, weiß ich noch nicht.
- Frage:
-
Ein Interview in Deutschland kommt natürlich nicht um die Frage herum, was Sie der
Auswahl von Heiner Brand zutrauen.
- Stefan Lövgren:
-
Ganz viel. Für mich ist das deutsche Team der Hauptfavorit auf den Gewinn des
EM-Titels. Die Mannschaft ist nicht zuletzt auch aufgrund des WM-Titels
zusammengewachsen. Sie spielt diszipliniert und nach einem klaren, taktischen Konzept.
Es bleibt allein abzuwarten, ob das Team mit der Rolle des Gejagten zu Recht kommt.
- Frage:
-
Viele Experten sagen, der Weltmeister sei nach der Rückkehr von Oleg Velyky noch
stärker als vor einem Jahr. Stimmen Sie dem zu?
- Stefan Lövgren:
-
Oleg Velyky ist ein Spieler der Extraklasse. Er besitzt diese Fähigkeit, in
kritischen Situationen ein Spiel allein zu entscheiden. Er hat einen unglaublichen Zug
zum Tor und verschafft dem Team auch bei der Konkurrenz einen Haufen Respekt.
- Frage:
-
DHB-Kapitän Markus Baur stellte ihn jüngst in einem Interview auf eine Stufe mit Ihrem
Teamkollegen Nikola Karabatic.
- Stefan Lövgren:
-
Was die Angriffsleistung der beiden Superspieler angeht, trifft dieser
Vergleich sicherlich zu. Aber Velyky spielt nicht die Rolle in der Abwehr wie es
Karabatic tut. Insofern ist unser Franzose möglicherweise noch ein wenig wertvoller.
- Frage:
-
Velyky wechselt nun zur Rückrunde der Meisterschaft zum Konkurrenten HSV Hamburg. Wie
groß bleiben da die Chancen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung?
- Stefan Lövgren:
-
Die Chancen bleiben uns erhalten. In letzter Konsequenz kann auch der HSV nur
sechs Feldspieler auf einmal aufs Feld stellen. Und da war der HSV schon ohne Velyky
gut aufgestellt. Von der Breite des Kaders allerdings bedeutet der Wechsel eine
deutliche Verstärkung für die Hamburger. Doch bleibt abzuwarten, wie die einzelnen
Spieler von der EM zurückkehren werden. Formkurven und Verletzungen könnten dann
möglicherweise den Ausschlag über den Meistertitel geben.
(Das Gespräch führte Arnulf Beckmann)