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28.03.2008 Mannschaft / Interview

Interview mit Nikola Karabatic: "Kiel ist die Handball-Hauptstadt der Welt"

"Da ist noch so viel, was ich lernen kann."
Klicken Sie zum Vergrößern! "Da ist noch so viel, was ich lernen kann."
In wohl keiner anderen Mannschaftssportart sind sich die Experten in der Frage nach dem weltbesten Spieler derart einig wie bei Nikola Karabatic (23). Der Handballer des aktuellen Rekordmeisters, Champions League- und Pokalsiegers THW Kiel hat inzwischen den Status eines Superstars inne. Der eloquente, mehrsprachige Modellathlet besticht als Torjäger und Turm in der Abwehr. Dabei prophezeit ihm sein Trainer und Förderer Noka Serdarusic, sich noch mitten in der Entwicklung zu befinden...
Beim Pokalfinal-Wochenende in Hamburg will der französische Nationalspieler kroatischer Herkunft mit Kiel seinen ersten Vorjahres-Titel verteidigen. Vorher gab der Musterprofi und Familienmensch trotz Terminstress und Dauerbelastung Frank Schneller für Zebra-Online ein Interview.
Frank Schneller:
Herr Karabatic, zunächst eine für all Ihre Gegner beängstigende Frage: Wenn Sie Ihr Leistungspotential noch gar nicht ausgeschöpft haben - wo soll das noch hinführen?
Nikola Karabatic:
Ich bin 23 - da ist noch so viel, was ich lernen kann. Ich lerne in jedem Training, bei jedem Spiel etwas dazu, verstehe die Taktik und die Essenz des Handballs jeden Tag etwas besser. Zum Beispiel habe ich inzwischen ein besseres Auge für unseren Kreisläufer als früher. Mit 27, 28 Jahren werde ich natürlich auch noch reifer und hoffentlich auch cleverer sein als heute. Mit einem Stefan Lövgren und seinem Spielverständnis kann ich mich noch nicht vergleichen.
Frank Schneller:
Er war früher Ihr Idol, richtig?
Nikola Karabatic:
Er war mein Lieblingsspieler, ja. Und er ist es. Müsste ich den besten Handballer aller Zeiten bestimmen, ich würde ihn wählen, zumal ich ihn ja auch selbst erleben darf. Ich bin stolz darauf, Teil seiner Karriere sein zu dürfen durch die gemeinsame Zeit in Kiel. Glauben Sie mir: Als er letztes Jahr im Champions League-Finale verletzt war, wollten wir alle allein schon für ihn diese Trophäe gewinnen, für die er so lange gekämpft hat. Es war super, dass er wenigstens im Rückspiel mit auflief und nicht nur in Zivilklamotten dabei war. Selbst, wenn er nicht ins Spiel eingreift, gibt es uns eine Riesen-Sicherheit, wenn wir ihn auf der Bank sehen. Er ist wie eine Art zweiter Trainer - was für eine Persönlichkeit, was für eine Präsenz!
Frank Schneller:
Sie gelten als sein Erbe ...
"Stefan ist wie eine Art zweiter Trainer - was für  eine Persönlichkeit, was für eine Präsenz!"
Klicken Sie zum Vergrößern! "Stefan ist wie eine Art zweiter Trainer - was für eine Persönlichkeit, was für eine Präsenz!"
Nikola Karabatic:
Es werden wohl mehrere Spieler sein Erbe übernehmen - müssen. Wenn er übernächstes Jahr aufhört, wird das ein großer Einschnitt. Er ist Kiels Integrationsfigur par excellence. Noch liegt meine Hauptverantwortung auf dem Spielfeld und nicht so sehr außerhalb - das ist Stefans Part. Er hat den Laden voll im Griff und ist immer noch ein sehr, sehr guter Spielmacher.
Frank Schneller:
Wenn er das Navigationssystem des THW ist, sind Sie der Turbolader. Sie dürften darum aber auch zunehmend die brutale Härte der Gegner abbekommen, weil Sie ja bei ihrem Tordrang mit fairen Mitteln kaum zu stoppen sind ...
Nikola Karabatic:
... ich will Ihnen etwas verraten: Die Tendenz ist genau umgekehrt. Zu meinem Entwicklungsprozess bis hierher gehörte, dass ich einen Weg gefunden habe, weniger einstecken zu müssen als noch vor ein, zwei Jahren. Noch will ich manchmal zu früh zu viel. Man muss auch mal abwägen können und nicht immer der ungestüme Draufgänger sein. Das ist eine Frage der Übersicht - und auch meines verbesserten Wurfverhaltens aus weiteren Entfernungen. Früher wollte ich so nah wie möglich an die Deckung heran, um zu werfen, dank intensiven Trainings bin ich jetzt auch aus der Distanz viel torgefährlicher. Die angenehme Folge: Etwas weniger "Prügel" vom Gegner ...
Frank Schneller:
Bester Handballer der Welt - wie sehr genießen Sie diesen Ruf?
Nikola Karabatic:
Ich genieße es, dafür respektiert und geliebt zu werden, was ich tue. Es war immer meine Intention, für meine Leistungen Anerkennung zu erhalten, dort zu spielen, wo man Handball liebt. Darum ging ich 2005 zum THW Kiel. Ich mag keinen Starkult, aber schon, dass meine Mannschaft und ich eine solche Aufmerksamkeit und Akzeptanz genießen. In Frankreich wird Handball nicht genug respektiert. Das hat mich schon immer geärgert. Kiel ist die Handball-Hauptstadt der Welt, die Ostseehalle (heute Sparkassen-Arena) gilt als Mekka des Handballs. Unsere Spiele sind immer ausverkauft, über 10.000 Zuschauer, die mit uns fiebern. Kiel ist die beste Adresse. Hier wird der Sport, den ich liebe, wie sonst nirgendwo gelebt ...
Frank Schneller:
... weswegen Sie auch vorzeitig trotz noch besser dotierter Angebote aus Spanien bis 2012 in Kiel verlängerten ...
Nikola Karabatic:
Genau. Natürlich ist auch das Gehalt, das ich vom THW bekomme, sehr gut. Darüber hinaus aber entschied dann das Gefühl, hier beim THW zu sein, über das Abwägen, woanders noch mehr Euros verdienen zu können.
Frank Schneller:
Fühlen Sie sich nicht in Ihrer Privatsphäre eingeengt, wenn Sie derart im Mittelpunkt stehen wie in Kiel?
Nikola Karabatic:
Nein. Ich wollte es ja nicht anders. Ich bin stolz darauf, so populär zu sein. Es ist ein richtig gutes Gefühl. In Montpellier habe ich das vermisst.
Frank Schneller:
Wussten Sie viel über ihre neue Heimat, bevor Sie nach Deutschland wechselten? Kannten Sie vor Ihrem Wechsel zum Beispiel den Namen des unlängst verstorbenen Kieler Idols Hein Dahlinger?
"Ich habe meinen Urlaub extra zur Kieler Woche unterbrochen.  Ehrensache für einen Kieler."
Klicken Sie zum Vergrößern! "Ich habe meinen Urlaub extra zur Kieler Woche unterbrochen. Ehrensache für einen Kieler."
Nikola Karabatic:
Nein. Um ehrlich zu sein, wusste ich damals noch nicht, wer das ist. Und ich wusste auch nicht viel über die Stadt Kiel. Ich kannte aber den THW. Schon mit 15 Jahren war ich besonders an ihm interessiert, weil die Kieler Mannschaft im Jahr 2000 in Montpellier - wo ich als 16jähriger die Nachwuchsschule besuchte, bevor ich mit 17 in die erste Mannschaft kam - das Kunststück geschafft hat, dort ein Europacupspiel zu gewinnen. Damals habe ich als Fan noch stolz Fotos von mir und THW-Spielern gemacht. Wislander, Olsson - das waren fast Helden für mich. An der nächsten Heimniederlage Montpelliers - wieder gegen Kiel -, acht Jahre später, war ich selbst beteiligt. Im THW-Trikot. Heute weiß ich viel mehr über Kiel und die Region. Ich identifiziere mich mit ihr. Als ich letztes Jahr im Sommerurlaub bei meiner Familie in Frankreich war, habe ich diesen extra zur Kieler Woche unterbrochen. Ehrensache für einen Kieler.
Frank Schneller:
Dabei haben Sie ohnehin so gut wie keinen Urlaub. EM, Champions League, Bundesliga, Pokalfinale - das Thema Überbelastung beherrscht derzeit die Handballszene ...
Nikola Karabatic:
Leider. Um nicht missverstanden zu werden: Ich habe den schönsten Job der Welt. Mit allem, was dazugehört: Lebenswandel, Entbehrung, Verzicht. Ich stehe voll dahinter und bin sehr glücklich. Der Verzicht wird ja auch sehr gut bezahlt. Natürlich will man als junger Mensch auch gerne mal feiern und das Leben genießen, aber ein Genuss ist mein Leben sowieso. Nur: Die Beanspruchung und der Stress für Kopf und Körper sind heutzutage ein Riesenproblem. Ganze zwei Wochen Pause hatten wir vor dieser Saison. Und wegen Peking müssen diese 14 Tage eigentlich für zwei Jahre reichen. Eine Zumutung!
Frank Schneller:
Und das sagt Jemand wie Sie, den man sinnbildlich nach dem Schlusspfiff vom Feld zerren muss, weil er das Spiel so liebt ...
Nikola Karabatic:
Natürlich verdrängt man die Problematik, wenn man das Trikot trägt und genug Adrenalin im Spiel ist. Aber das ist ja keine Lösung. Zumal: Es geht ja auch darum, irgendwann mal mental die nötige Balance zu finden, den Druck abzubauen. In zwei Wochen Ferien ist das nicht möglich.
Frank Schneller:
Hand aufs Herz: Schon mal keine Lust gehabt auf ein Spiel? Etwa gegen den Tabellenletzten der Bundesliga?
Nikola Karabatic:
Das ist noch nie vorgekommen. Jedes Spiel mit dem THW ist ein Grund, sich darauf zu freuen, keines ist grauer Alltag, denn es ist doch für jeden Gegner immer das Spiel des Jahres, also ganz besonders. Da kann man nicht ohne die richtige Einstellung in die Partie gehen, das wäre gefährlich. Zu Hause sind wir gegen alle Mannschaften auf der Welt der Favorit. Aber, wenn wir auswärts antreten, rechnen sich viel mehr Gegner etwas aus gegen uns. Da stellt sich die Spannung und das Kribbeln von alleine ein. Ich freue mich auf jedes Spiel. Meine Leistungen leben von der Leidenschaft. Aber anders als noch vor zwei, drei Jahren denke ich außerhalb der Arena schon bewusster darüber nach, wie wichtig die Gesundheit ist. Ich bin dankbar und glücklich, wenn ich unverletzt bleibe bei dieser Dauerbelastung. Wenn ich sehe, was anderen Kollegen so passiert - da klopfe ich auf Holz und bin froh, gesund zu sein. Unser Körper und unsere Gesundheit sind unser Kapital - und das des Handballs generell. Wir haben nur noch Pause, wenn wir verletzt sind - das geht doch nicht!
Frank Schneller:
Sie sind einer Spielergewerkschaft beigetreten, die in letzter Konsequenz auch an Streiks denkt. Ist das vorstellbar bei einer WM oder EM?
Nikola Karabatic:
Ich warte auf erste Schritte der Gewerkschaft, bin regelmäßig in Kontakt mit den Verantwortlichen. Es geht nicht um Drohungen. Die Gewerkschaft will bei der nächsten WM 2009 in Kroatien eine Strategie beschließen. Dort werden wir Spieler uns zusammensetzen und abwägen, welche Argumente und Mittel wir haben. Über Monate und Jahre durchzupowern, weil jedes Jahr eine EM oder WM stattfindet - das ist zuviel. Im Sommer sind Olympische Spiele, da fallen Urlaub und Regeneration, ja sogar die Saisonvorbereitung, komplett aus.
Frank Schneller:
In Frankreich haben Ihre Kollegen vier Wochen Urlaub. Neidisch?
Nikola Karabatic:
Das ist tatsächlich ein Fortschritt. Die erste französische Liga ist aber auch kleiner: Dort gibt es 14, hier 18 Teams. Das sind 8 Spiele pro Saison weniger. Das macht etwa einen Monat Unterschied aus - und entzerrt den Spielplan.
Frank Schneller:
Dann muss also auch auf Vereinsebene über Veränderungen nachgedacht werden?
Nikola Karabatic:
Warum nicht? Der neue Champions League-Modus ist beispielsweise auch diskutabel auf der Suche nach Entlastung. Kernproblem aber sind die jährlichen EM- und WM-Turniere. Was nützt es dem Image des Handballs, wenn diese Highlights keine Qualität mehr und Titel nur noch einjährige Haltbarkeit haben?
Frank Schneller:
Ist angesichts der nicht mehr vorhandenen Regenerationszeit und der hohen Belastung nicht auch im Handball die Gefahr groß, sich mit unerlaubten Mitteln, sprich Doping, durchzuschlagen? Immerhin gab es schon eine "Voltaren-Diskussion" ...
"Ich kann ganz sicher sagen, dass mir Doping im Handball noch nie begegnet ist."
Klicken Sie zum Vergrößern! "Ich kann ganz sicher sagen, dass mir Doping im Handball noch nie begegnet ist."
Nikola Karabatic:
Ich kann nicht schwören, dass es kein Doping gibt im Handball. Aber ich kann ganz sicher sagen, dass mir Doping im Handball noch nie begegnet ist. Okay, es wäre vielleicht ein Ansatz, Regenerationsphasen zu verkürzen mit unterstützenden Substanzen ...
Frank Schneller:
... oder nachzuhelfen, um intensiver trainieren bzw. nach Verletzungen schneller zurückkommen zu können ...
Nikola Karabatic:
Nein, nein. Ich glaube das nicht. Wenn man das auf illegalem Wege versuchen würde, hätte man doch keine Kontrolle mehr darüber, wie sich das auf die Gesundheit auswirkt. Das wäre doch total gefährlich! Ich kann sogar mit etwas Stolz sagen, dass ich bislang noch nicht einmal zu Voltaren greife, um Schmerzen zu lindern.
Frank Schneller:
Sondern?
Nikola Karabatic:
Wenn ich nicht ernster verletzt bin, erdulde ich sie. Es gibt ja auch Tape und Verbände ... Außerdem kann man auf dem Spielfeld viel verdrängen. Da vergisst man die Schmerzen.
Frank Schneller:
Wann haben Sie denn das letzte Mal so richtig hart trainiert und angesichts des Terminkalenders nicht nur Taktik- oder Regenerationseinheiten absolviert?
Nikola Karabatic:
In der Saison-Vorbereitung im vergangenen Sommer. Seit Juli/August muss unser Trainer ja andauernd auf die hohe Belastung und Spielfrequenz Rücksicht nehmen. Dabei wäre eine zweite Aufbauphase, wie sie die Fußballer beispielsweise in der Winterpause haben, enorm wichtig. Aber in der Zeit war ja EM ...
Frank Schneller:
Wie schalten Sie denn überhaupt ab?
Nikola Karabatic:
Musik, Internet, Filme, Kunst. Ich male ab und zu. Während das Handball-Gen von meinem Vater Branco stammt, habe ich die künstlerische Veranlagung von meiner Mutter Lala, die abstrakte Bilder malt und ausstellt (in Karabatics Junggesellenbude in Kiel kann man einige ihrer Werke bewundern).
Frank Schneller:
Zugegeben eine verfängliche Frage: Gehen Sie viel aus?
Nikola Karabatic:
Wenn man einem Profi entsprechend bewusst und für den maximalen Erfolg lebt, kann man das nur selten tun. Wenn wir mal frei haben, fahre ich allerdings schon mal nach Hamburg zum Shoppen.
Frank Schneller:
Coole Klamotten, CDs, ...
Nikola Karabatic:
... um ehrlich zu sein, waren mein Freund Vid Kavticnik und ich zuletzt in einem Spielzeuggeschäft und haben uns LEGO-Bausätze gekauft. Es kamen regelrecht Kindheitserinnerungen hoch im LEGO-Land. Ich habe mich für den Eiffelturm entschieden und zu Hause zusammengebaut - 3.428 Teile. War das ein Spaß! Und eine wunderbare Ablenkung vom Handballstress.
Frank Schneller:
Wollen Sie etwa Architekt werden - oder wie sehen Ihre Pläne für die Zeit nach dem Handball aus?
Nikola Karabatic:
Der Handball wird voraussichtlich immer eine Rolle spielen, bei dem was ich später einmal tue. Ich habe aber noch keine konkreten Pläne.
Frank Schneller:
Ist eine Trainerlaufbahn denkbar?
Nikola Karabatic:
Warum nicht? Unser Nationaltrainer, Claude Onesta, hat uns bei der letzten EM bewusst viel Verantwortung und Gestaltungsfreiheit gegeben - auch im taktischen Bereich. Da waren die Leistungsträger auch alle ein bisschen Trainer. Dieses Mitspracherecht hat schon Spaß gemacht. Vielleicht aber beschäftige ich mich auch intensiver mit der Kunst. Egal, was es sein wird - mein Ziel ist es, so lange so gut Handball zu spielen, dass ich genug damit verdiene, um in allen weiteren beruflichen Entscheidungen völlig frei zu sein. Meine Profikarriere ist meine Zukunftsabsicherung. Darum lebe ich jetzt zu hundert Prozent für den Sport.
Frank Schneller:
In welcher anderen Sportart hätten Sie ähnlich Karriere machen können?
Nikola Karabatic:
Sicher nicht im Fußball. Aber als kleiner Junge habe ich schon ganz gut Tennis gespielt. Offenbar hatte ich dafür Talent. Und aufgrund meiner physischen und athletischen Voraussetzungen wäre ich vielleicht auch im Rugby sehr gut geworden.
Frank Schneller:
Gutes Stichwort: Können Sie nachvollziehen, dass manchen Eltern Handball ein zu harter Sport für ihre Kinder ist?
"Ich lebe jetzt zu hundert Prozent für den Sport."
Klicken Sie zum Vergrößern! "Ich lebe jetzt zu hundert Prozent für den Sport."
Nikola Karabatic:
Nein. Alle Eltern sollten sich wünschen, so schöne, athletische und gut gebaute Kinder zu haben, wie wir Handballer es sind (lacht). Vor allem aber vermittelt Mannschaftssport sehr wichtige Werte für das Leben. Kameradschaft, soziales Verhalten, Integration, Teamspirit - das alles braucht man nicht nur beim Handball. Das wiegt schwerer als das körperbetonte Element des Spiels.
Frank Schneller:
In Ihrer Heimat ist die Nachwuchsarbeit sehr gut, die Nationalmannschaft ist ebenfalls stark - aber auf Klubebene gibt es international Grenzen. Woran liegt das?
Nikola Karabatic:
Zunächst: Unsere Nachwuchsarbeit und das Ausbildungssystem sind wirklich gut. Das liegt an den Vereinen und ihren Konzepten. Ich profitierte in Montpellier vom Nachwuchszentrum, in dem übrigens jetzt auch mein 19 Jahre alter Bruder aufgenommen wurde. Aber dann gehen die guten Spieler ins Ausland, weil sie sich dort mit den Besten messen wollen, um daran zu wachsen. Denn die französische Liga hat eine Entwicklungs- und somit auch Leistungsgrenze, sieht man von Montpellier ab, weil man eben nicht auf die stärksten internationalen Spieler trifft.
Frank Schneller:
Das würde bedeuten, dass es um die Chancen der deutschen Talente angesichts der hohen, internationalen Qualität in der Bundesliga gar nicht so schlecht steht.
Nikola Karabatic:
Das finde ich auch. Um dieses Thema gibt es zu viel Aufregung. Die Rahmenbedingungen für junge deutsche Spieler sind besser als sie oft dargestellt werden. Die beschriebene Entwicklungsgrenze wie in Frankreich sehe ich hier nicht. Es gibt viele einheimische Spieler, die in der ersten Liga spielen und sich an den Aufgaben steigern können. Hier kann man als junger Handballer sehr praxisbezogen lernen und sich weiterentwickeln - unabhängig davon, ob dies bei einem Topklub oder einem Verein aus niedrigeren Tabellenregionen möglich ist. Schauen Sie doch nur einmal auf die letzte EM: Frankreich, Dänemark, Norwegen und Russland spielten nahezu ohne Linkshänder im rechten Rückraum - Deutschland aber hat dort drei Optionen.
Frank Schneller:
Abschließend, nach Ihrer Hommage an Stefan Lövgren auf die Frage nach dem besten Handballer, noch zwei Fragen. Die erste: Wer ist die / der größte Sportler/in aller Zeiten?
Nikola Karabatic:
Das ist eine Frage, die man sicher von Generation zu Generation anders beantwortet: Ich habe Ali nicht mehr aktiv erlebt, ich war zu jung - darum: Michael Jordan.
Frank Schneller:
Und, zweitens: Welche ist aus Ihrer Sicht die größte sportliche Leistung?
Nikola Karabatic:
Vor dem Doping-Zeitalter hätte ich wohl gesagt, der Gewinner der Tour de France vollbringt die größte Leistung. Aber nun? Vielleicht der Iron-Man. Oder die Rugby-Jungs ... Und nicht zu vergessen, wir Handballer. Zumindest, wenn man wie wir in Kiel auf so vielen Hochzeiten tanzt und alles gewinnt. Was wir beim THW letzte Saison geleistet und geschafft haben, eine ganze Saison lang, das war phänomenal. Ich finde, das hat man außerhalb Kiels übrigens zu wenig realisiert, wenn ich das mal sagen darf ...

(Das Gespräch führte Frank Schneller)


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