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18./19.08.2008 - Letzte Aktualisierung: 19.08.2008 Olympia 2008 / Nationalmannschaft

Deutschland verliert gegen Dänemark - Aus nach der Vorrunde

Update #1 Spielbericht der KN ergänzt ...

Die deutsche Nationalmannschaft hat beim olympischen Turnier den Einzug ins Viertelfinale verpasst. Im "Endspiel" der Gruppe B verlor das Team von Bundestrainer Heiner Brand gegen den Europameister Dänemark völlig verdient mit 21:27 (12:15) und musste somit den letzten freien Viertelfinalplatz an Russland abgeben, das Südkorea mit 29:22 (17:12) bezwang.
In letzten Partie der Gruppe B spielten Island und Island und Ägypten 32:32 (14:17)-Unentschieden.

Überraschend setzte Bundestrainer Heiner Brand nach den zuletzt starken Leistungen von Johannes Bitter zunächst auf Henning Fritz im Tor. Deutschland begann konzentriert, ging schnell mit 2:0 in Führung, doch Boesen konnte beim 3:3 (5.) erstmals für die Dänen ausgleichen. Wenig später erzielte der Hamburger Lindberg per Siebenmeter das 4:3 - es folgten starke Minuten der beiden Keeper Fritz und Hvidt, was auch zur zunehmenden Hektik auf dem Spielfeld beitrug. Technische Fehler, verzogene Würfe, ungenaue Anspiele - beiden Teams war nun die Nervosität anzumerken, die ein drohendes Scheitern auslösen kann. Als erstes befreiten sich davon die Dänen, die rund um die zwanzigste Minute einen deutlich sicheren Eindruck machten. Nöddesbo und Christiansen erzielten beim 11:9 die erste dänische Zwei-Tore-Führung, die durch eine mehr als mangelhafte Chancenauswertung des deutschen Angriffs bis zum Pausentee nicht mehr in Gefahr geriet. Schlimmer noch: Als Klein in der 28. Minute zum 11:13-Anschluss für das DHB-Team traf, keimte Hoffnung auf Besserung unter den vielen deutschen Schlachtenbummlern in Peking auf - doch weit gefehlt. Jensen erzielte aus zehn Metern das 15:11, Jansen konnte vor der Halbzeit nur noch per Siebenmeter auf 12:15 verkürzen - das Aus kündigte sich schon zur Pause an.

Nach der Pause schickte Brand Johannes Bitter in den deutschen Kasten, doch die Aufbruchstimmung, die dadurch vermittelt werden sollte, bekam kurz darauf einen Knacks: Michael Kraus knickte um, humpelte vom Feld - eine Schrecksekunde, der das 16:12 der Dänen durch Lindberg folgte. Als Klimovets nach 35 Minuten den 14:16-Anschluss herstellte, stellte Brand die deutsche Abwehr auf eine offensive 3-2-1-Formation um. Kraus, wieder im Spiel, holte einen Siebenmeter heraus, doch Jansen scheiterte am überragenden Hvidt. Kurz darauf war Deutschland nach einem erneuten Kliomvets-Treffer beim 15:16 (39.) scheinbar wieder im Spiel. Doch die Dänen konterten eiskalt, nutzten die Freiräume und Fehler der deutschen Mannschaft konsequent aus. Spellerbergs Kullerball zum 18:15 (41.) - Sinnbild eines bis dato unglücklichen Auftritts des DHB-Teams. Doch kämpferisch stimmte es, Kraus erzielte von Außen das 16:18, Bitter parierte, und Christophersen drückte von der Bank kommende den Ball zum 17:18 über die Linie. Die Dramatik nahm 17 Minuten vor dem Ende zu...

Spielerisch konnte das DHB-Team zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht mit den Dänen mithalten, aber die deutsche Rumpftruppe warf den Kampf in die Waagschale. Und dieser schien den Dänen fortan gar nicht gut zu schmecken. Dominik Klein, nun auch in der Abwehr eingesetzt, hätte per Tempogegenstoß den Ausgleich erzielen können, verlor jedoch den Ball. Boesen bedanke sich mit dem 19:17 für die Dänen, deren Schwächeperiode die Mannschaft von Heiner Brand nicht entscheidend nutzen konnte. Als Jensen jurz darauf zum 20:17 traf, war der alte Abstand wieder hergestellt, das Viertelfinale wieder durch fehlende Durchschlagskraft im Angriff in weite Ferne gerückt. Glandorf an die Latte, Kraus am Tor vorbei - auch in dieser entscheidenden Phase des Spiels lief es einfach nicht in der deutschen Offensive. Elf Minuten dauerte die komplette Flaute, in der Lindberg zehn Minuten vor dem Ende zum 21:17 traf und Boldsen auf 22:17 erhöhte - die Vorentscheidung. Mit einer offenen Manndeckung versuchten die Deutschen noch einmal, das Blatt zu wenden. Doch wie so oft in diesem Turnier scheiterte das DHB-Team nach Kehrmanns 21:23 an technischen Unzulänglichkeiten, die Lindberg mit dem 24:21 bestrafte.

Als alles gelaufen war, schraubten die Dänen das Endergebnis sogar noch auf 27:21 - das Aus. Nach zwei Monaten Vorbereitungszeit lief es vor allem im Angriff nicht beim DHB-Team, weshalb der frühzeitige K.O. nicht unbedingt überraschend kam. Der Ausfall von Pascal Hens schwächte die deutsche Mannschaft zusätzlich, im Rückraum fehlten die Alternativen. Nur 6 von 24 Würfen fanden im letzen Vorrundenspiel aus dem Rückraum den Weg ins Tor - eine unterirdische Quote, die auch mit der Überlastung von Glandorf, Kraus & Co. kaum zu erklären ist. Der Weltmeister raus nach der Vorrunde - bitterer hätten die olympischen Spiele für die deutsche Mannschaft nicht verlaufen können.

(Christian Robohm)

Gruppe B, 5. Spieltag: 18.08.08, Mo., 13.00: Deutschland - Dänemark: 21:27 (12:15)

Flagge GER Deutschland:
Fritz (1.-30., 5 Paraden), Bitter (31.-60., 11 Paraden); Roggisch, Klein (1), Schwarzer (2), Köhrmann (1), Glandorf (1), Christophersen (1), Zeitz, Jansen (4/3), Klimovets (2), Kraus (6/2), Kehrmann (3), Haaß; Trainer: Brand
Flagge DEN Dänemark:
Hvidt (18 Paraden), Henriksen (0 Paraden); Boesen (8), Jörgensen, Jensen (3), Christiansen (2), Spellerberg (2/1), Hansen (1), Nöddesbo (3), Söndergaard (1), Boldsen (1), Lindberg (6), Bruun-Jörgensen, Nielsen, Trainer: Wilbek
Siebenmeter:
Deutschland: 6/5 (Hvidt hält Jansen (37.));
Dänemark: 2/1 (Fritz hält Spellerberg (9.))
Zeitstrafen:
Deutschland: 4 (3x Klimovets (11., 21., 58.), Jansen (40.));
Dänemark: 6 (2x Boldsen (10., 56.) Jensen (29.), 2x Nielsen (36., 43.), Jörgensen (60.)),
Rote Karte:
Deutschland: Klimovets (58., 3. Zeitstrafe)
Schiedsrichter:
Krstic/Ljubic (SLO)
Spielfilm:
1. Hz.: 2:0, 3:3 (5.), 5:5 (11.), 7:7 (16.), 9:11 (23.), 11:13 (28.), 11:15 (29.), 12:15;
2. Hz.: 12:16, 13:16 (34.), 15:16 (38.), 15:18 (40.), 17:18 (42.), 17:22 (51.), 19:22 (55.), 21:23 (56.), 21:27
Zuschauer:
3000 (Olympic Sports Center Gymnasium, Peking)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 19.08.2008:

Der Weltmeister im Tal der Tränen

Dänen besiegelten das frühe Aus - Brand muss sich viele Gedanken machen
Peking - Der Europameister verpasste dem Weltmeister den Olympia-K.o. und die Fans des Siegers sangen "Deutschland, Deutschland, alles ist vorbei". Vier Jahre nach dem Silber von Athen und 17 Monate nach dem Wintermärchen bei der WM erlebten die deutschen Handballer mit dem 21:27 (12:15) gegen Dänemark eine bittere Pleite.

Als Kasper Hvidt beim Stand von 24:21 zu Beginn der 58. Minute einen Pass seines deutschen Torhüter-Kontrahenten Johannes Bitter auf Dominik Klein abfängt und 30 Sekunden später auch noch einen Dreher des Kieler Linksaußen meistert, kniet er in seinem Torraum, schreit und reckt den Ball in die Höhe wie im Januar den EM-Pokal. In diesem Moment ist den Dänen der 28. Sieg im 91. Duell mit dem großen Nachbarn nicht mehr zu nehmen, der Sieg, den sie brauchten, um sich in der Gruppe B für das Viertelfinale zu qualifizieren.

Klein dagegen wird ausgewechselt und verkriecht sich hinter der deutschen Bank. Er wird später die Niederlage als ähnlich bitter bezeichnen wie die mit dem THW im Champions-League-Finale im Mai gegen Ciudad Real. Und der 24-Jährige wird mit einem Kloß im Hals und Leere im Blick einen Großteil der Schuld auf sich nehmen, da er bereits beim 17:18 in der 42. Minute einen Tempogegenstoß nicht an Hvidt vorbei gebracht hatte: "Da hätten wir die Wende schaffen können, Ich muss mich beim Trainer und der Mannschaft für meine Gegenstöße entschuldigen, der Frust sitzt sehr tief, besonders bei mir."

Doch der Kieler ist nur ein kleiner Teil eines ehemals großen Ganzen. Nach Pascal Hens' Schienbeinfraktur bei der Niederlage im zweiten Gruppenspiel gegen Island ist der Weltmeister zusehends in seine Einzelteile zerfallen. Von einem "bitteren Tag, der zu befürchten war", spricht Heiner Brand, da die Möglichkeiten nach dem Ausfall von Hens und dem Muskelfaserriss dessen Vertreters Lars Kaufmann eine Woche vor Turnierbeginn sehr beschränkt gewesen seien.

"Wenn wir mit unserer kompletten Mannschaft spielen, können wir jeden schlagen", glaubt der Bundestrainer, doch die Verluste im Rückraum seien nicht zu verkraften gewesen. Brand: "Die Probleme lagen im Angriff, besonders auf der Mittelposition fehlten Torgefahr und Dynamik." Gegen Dänemark ging zudem auch noch Holger Glandorf auf Tauchstation. Von acht Würfen des zuvor treffsicheren Linkshänders im rechten Rückraum fand nur einer sein Ziel. "Wir haben es geschafft, Glandorf aus dem Spiel zu nehmen", freut sich der dänische Linksaußen Lars Christiansen von der SG Flensburg-Handewitt.

Michael Kraus spricht von einer Niederlage, die "wahnsinnig weh tut, weil wir an uns selbst gescheitert sind". Und selbst Torsten Jansen kann der Chance, früher als gedacht seine hochschwangere Frau wiederzusehen, absolut nichts abgewinnen. "So höre ich nicht auf, das würde ja nach Kapitulation aussehen", verkündet der 31 Jahre alte Hamburger. Mit dem Aus geht auch die Länderspielkarriere des 38-jährigen Kreisläufers Christian Schwarzer endgültig zu Ende. "Blacky" hatte eine eigene Erklärung für das Scheitern: "Man muss das auch ein bisschen der Jugend zuschreiben. Viele waren das erste Mal bei Olympia." Heiner Brand muss sich jetzt viele Gedanken machen - im Januar steigt die WM Kroatien.

(von Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 19.08.2008)


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