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02.09.2008 Interview

Zebra-Journal-Interview mit Alfred Gislason: Titel werden jedes Jahr erwartet

Alfred Gislason will dafür sorgen, dass der THW weiter Erfolge feiert

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 29.08.2008:

Alfred Gislason.
Klicken Sie zum Vergrößern! Alfred Gislason.

Im Mai dachte Alfred Gislason noch darüber nach, wie er mit seinem VfL Gummersbach dem THW Kiel in der kommenden Saison ein Bein stellen könne. Dann krachte es hinter den Kulissen des Rekordmeisters, Trainer Noka Serdarusic musste gehen, Gislason wurde im Eiltempo verpflichtet. Und jetzt macht sich der 48-Jährige Gedanken, wie er künftig Gummersbach schlagen soll - als neuer Trainer des THW.
Zebra-Journal:
Die Olympischen Spiele waren einmal mehr eng mit dem Thema "Doping" verbunden. Mit welchen Gefühlen verfolgen Sie als ehemaliger Leistungssportler dieses Ereignis, und halten Sie es für möglich, dass auch der Handballsport verseucht ist?
Alfred Gislason:
Vielleicht bin ich ja blauäugig, aber ich halte es für ausgeschlossen, dass im Handball gedopt wird. Zunächst einmal ist das in Mannschaftssportarten grundsätzlich schwierig. Dass alle im Team dopen, ist unmöglich, und der Einzelne würde riskieren, den Erfolg aller zu gefährden. Zum Muskelaufbau macht es auch keinen Sinn, schließlich haben Handballer inzwischen das ganze Jahr Saison, arbeiten elf Monate im Kraftraum, ein Muskelabbau findet also gar nicht mehr statt. Ich selbst habe in meiner aktiven Zeit nicht einmal Voltaren genommen, sondern gegen die Schmerzen lediglich eine Wärmesalbe aufgetragen. Ohne die hätte ich meine Karriere allerdings auch einige Jahre früher beenden müssen. Die Olympischen Spiele verfolge ich mit gemischten Gefühlen. Ich habe zuletzt einige beunruhigende Berichte über Gen-Doping gelesen und die Leistungsexplosion einiger Sportler aus bestimmten Nationen ist schon sehr verwunderlich.
Zebra-Journal:
Zum THW Kiel: Die Trennung von Noka Serdarusic hat alle überrascht. Sie auch?
Alfred Gislason:
Ja. Ich hatte zwar gehört, dass es Probleme zwischen ihm und Uwe (Schwenker, Anm. der Red.) geben soll. Aber ich war mir sicher, dass sie diese ausräumen würden und geglaubt, dass Noka seinen Vertrag längst verlängert hat. Ich war ziemlich überrascht, als mich Uwe anrief und fragte, ob ich nicht Trainer in Kiel werden möchte.
Zebra-Journal:
Können Sie sich noch an diesen Anruf erinnern? Was ging Ihnen durch den Kopf?
Alfred Gislason:
Ich saß im Auto und musste erstmal an die Seite fahren. Uwe hat zwar gesagt, ich solle mir ruhig ein, zwei Tage Zeit lassen mit meiner Entscheidung. Aber als ich aufgelegt hatte, war mir nach fünf Minuten klar, was ich zu tun hatte - wenn schon ein neuer Trainer in Kiel, dann wollte ich es sein. Hier habe ich die Chance, um Titel zu spielen. Das hatte ich seit sechs Jahren nicht mehr und mit dem VfL wäre in dieser Saison auch nicht mehr als Platz vier möglich gewesen. Allerdings war ich anfangs nicht sonderlich optimistisch, dass mein alter Verein mich ziehen lassen würde. Claus Horstmann (Vorsitzender des Aufsichtsrates, Anmerk. der Red.) hat anfangs gesagt, dass ein solcher Wechsel völlig ausgeschlossen ist. Aber der finanzielle Aspekt hat am Ende auch ihn überzeugt.
Zebra-Journal:
In Magdeburg wurden Sie im Januar 2006 entlassen, Gummersbach haben Sie nun nach knapp zwei Jahren verlassen. Was sagen Ihre Frau und die drei Kinder zu den vielen Umzügen?
Alfred Gislason:
Meine Familie hat damit kein Problem. Mein ältester Sohn ist bereits außer Haus, und meine Tochter hat sich entschieden, in Köln zu bleiben. Sie will dort ihr Abitur machen. Mein Jüngster, Andri, der in diesem Jahr 14 wird, ist ganz begeistert von diesem Umzug. Er interessiert sich zwar nicht für Handball, liebt aber das Segeln und hat durch meinen Wechsel von Nordrhein-Westfalen nach Schleswig-Holstein auch seine Sommerferien verdoppelt.
Zebra-Journal:
Zum "Unser-Norden-Cup" werden Sie zum ersten Mal als Nachfolger von Noka Serdarusic in die Kieler Halle kommen. Nervös?
Alfred Gislason:
Nein. Ich freue mich darauf. Wenn ich mit meinen Mannschaften hier zu Gast war, habe ich oft gedacht, dass es schön wäre, einmal mit dieser Halle im Rücken antreten zu dürfen. Es gibt zwar lautere Arenen, aber diese ist immer ausverkauft und hat durch die Nähe der Tribünen zum Spielfeld einfach eine einzigartige Atmosphäre.
Zebra-Journal:
Der THW Kiel hat in den beiden vergangenen Spielzeiten das Triple und das Double gewonnen. Spüren Sie den Druck, ähnliche Erfolge wiederholen zu müssen?
Alfred Gislason:
Ich mache mir keinen Druck. Wer sich darüber Gedanken macht, sollte nicht Trainer in Kiel werden. Hier werden in jedem Jahr Titel erwartet und da ist es egal, ob in der Saison zuvor das Triple gewonnen wurde oder nicht. Außerdem - ich habe auch schon mit dem SC Magdeburg Titel gewonnen. Und wenn weitere Erfolge in Kiel mit der Arbeit von Noka in Verbindung gebracht werden, habe ich damit kein Problem. Die THW-Mannschaft ist jedes Jahr besser geworden, und ich möchte dafür sorgen, dass das so bleibt. Alle Spieler haben noch Steigerungsmöglichkeiten, auch ein Nikola Karabatic.
Zebra-Journal:
Welchen Kontakt haben Sie noch zu Noka?
Alfred Gislason:
Im Moment keinen, auch weil er seit Wochen in Kroatien ist. Wir sind gute Freunde und haben uns in meinen ersten Kieler Tagen einmal zum Abendessen getroffen. Mehr aber auch nicht.
Zebra-Journal:
Die Konkurrenz in der Bundesliga hat mächtig aufgerüstet, der THW Kiel nicht Besorgt?
Alfred Gislason:
Nein. Kiel hat das Glück gehabt, dass Uwe rechtzeitig eine Mannschaft zusammengestellt hat, die im Kern seit Jahren unverändert und eingespielt ist. Diesen Vorsprung müssen andere Vereine erst einmal aufholen.
Zebra-Journal:
Mit Thierry Omeyer und dem einzigen Neuzugang, Andreas Palicka, hat der THW lediglich zwei Torhüter Zu wenig?
Alfred Gislason:
Nein. Der Vorteil ist, dass beide wissen, woran sie sind. Thierry ist Weltklasse und Andreas ein Spitzentalent. Aber eine Spielgarantie für Thierry ist das natürlich nicht, seine Leistung muss stimmen. Sollte sich einer der beiden leicht verletzen, helfen wir uns mit einem jungen Torhüter aus. Verletzt sich einer schwerer, verpflichten wir sicher einen Ersatztorwart. So hat es zuletzt auch der VfL Gummersbach nach der Verletzung von Stojanovic gemacht.
Zebra-Journal:
Eine weitere Problemzone könnte die Position des Kreislaufers sein. Der zweite Mann, Igor Anic, hat in der vergangenen Saison kaum gespielt. Was trauen Sie ihm zu?
Alfred Gislason:
Er hat das Glück, dass Marcus Ahlm wegen seiner Rückenprobleme geschont wird und er dadurch in der Vorbereitung viele Spielanteile bekommt. Anic hat großes Potenzial. In der Abwehr wird er das Niveau von Marcus wahrscheinlich nicht erreichen, aber im Angriff traue ich ihm einiges zu. Ich gehe davon aus, dass er bald im Kader der französischen Nationalmannschaft auftauchen wird.
Zebra-Journal:
THW-Spielmacher Stefan Lövgren hat angekündigt, seine letzte Saison in Kiel zu spielen. Haben Sie schon eine Idee, wie Sie den Kapitän auf und neben dem Feld ersetzen können?
Alfred Gislason:
Als Mittelmann bieten sich mit Börge Lund und Nikola Karabatic zwei Alternativen an. Börge ist zwar nicht so ein genialer Anspieler wie Stefan, in l:l-Situationen im Angriff und als Abwehrspieler aber vielleicht stärker. Er wird im Angriff mehr zum Einsatz kommen als in der vergangenen Saison. Aber auch Stefan wird mehr Spielanteile erhalten. Er hat sich im Sommer sehr gut auf seine letzte Saison vorbereitet. Ich hoffe, dass es ein tolles Jahr für ihn wird. Neben dem Feld ist eine Persönlichkeit wie er kaum zu ersetzen. Ich werde mich als Trainer bei der Suche nach einem neuen Führungsspieler nur bedingt einmischen. Das muss sich aus der Mannschaft heraus entwickeln. Vielleicht müssen auch mehrere die Lücke stopfen, die er hinterlassen wird. Stefans Abschied wird ein großer Verlust für den THW Kiel.
Zebra-Journal:
Noka Serdarusic war kein Freund der Rotation und hat stets auf eine Stamm-Sieben gesetzt. Wird sich an diesem System etwas ändern?
Alfred Gislason:
Mein Plan ist, die Breite dieses Kaders ausnutzen zu wollen. Marcus wird mehr Pausen bekommen als zuletzt und auch ein Nikola Karabatic wird nicht immer 60 Minuten durchspielen müssen. Der Traum wäre, im Rückraum in Dreierblöcken zu wechseln. Aber das wird auch in Kiel nur schwer möglich sein. Ich möchte die Spieler mehr rotieren lassen, damit wir das Tempo noch länger auf einem hohen Niveau halten können. Aber eines ist auch klar, wenn Rotation nicht funktioniert, dann muss ich eingreifen. Denn wir alle, auch ich, brauchen den Erfolg. Und: Es wird auch nicht jeder die gleichen Anteile wie Nikola bekommen. Er ist ein unglaublicher Spieler, der zurecht Welthandballer geworden ist und der diese Auszeichnung nicht zum letzten Mal bekommen hat. Es ist aber auch für ihn besser, wenn unser Angriffsspiel nicht nur über ihn läuft.
Zebra-Journal:
Unter der Präsenz von Nikola Karabatic schien zuletzt auch Kim Andersson gelitten zu haben, der in wichtigen Spielen zuletzt oft untergetaucht war...
Alfred Gislason:
... das kann ich nicht beurteilen. Aber wenn es so gewesen ist, könnte es auch daran gelegen haben, dass er in einem bestimmten Konzept spielen musste. Das hat ihn möglicherweise behindert. In der schwedischen Nationalmannschaft habe ich ihn sehr torgefährlich erlebt. Er hat alle Voraussetzungen, um einen noch klangvolleren Namen in der Handballszene zu bekommen. Ich würde mich freuen, wenn er seinen Vertrag über das Jahr 2010 hinaus beim THW verlängern würde.
Zebra-Journal:
Sie haben in Magdeburg viel mit jungen Spielern gearbeitet Haben Sie ein ähnliches Konzept in Kiel geplant?
Alfred Gislason:
Schön wäre es, wenn es irgendwann einmal sechs junge Spieler geben würde, die mit einem Doppelspielrecht für den THW und den Zweitligisten TSV Altenholz ausgestattet wären. Außerdem würde es Sinn machen, einen jungen Ausländer in Altenholz spielen zu lassen. Zum Pflichtprogramm der großen Klubs gehört es längst, die Talente bei den großen Juniorenmeisterschaften zu beobachten. Da waren uns die Spanier lange voraus, doch die deutschen Klubs haben inzwischen aufgeholt. Jüngstes Beispiel dafür, wie gut der THW diesen Markt im Blick hat, ist der Este Mait Patrail und Henrik Pekeler, der das größte deutsche Kreisläufer-Talent sein soll. Aber die Erwartungen dürfen nicht zu hoch sein: Es ist schwierig, in der Weltklasse mitzuspielen und gleichzeitig Jugendspieler zu integrieren.
Zebra-Journal:
Der THW Kiel startet als Meister einmal mehr als gejagte Mannschaft in die neue Saison. Wo vermuten Sie die stärkste Konkurrenz?
Alfred Gislason:
Der härteste Gegner wird meiner Meinung nach der HSV sein. Der Kern der Mannschaft spielt seit einigen Jahren zusammen, zudem haben sie sich mit Blazenko Lackovic, Marcin Lijewski und anderen gut verstärkt. Der HSV hat einen tollen Kader. Allerdings wird der Druck, endlich die Meisterschaft zu gewinnen, bei diesem Klub auch immer größer. Im Titelrennen erwarte ich auch die SG Flensburg, die mit Alen Muratovic mehr als einen Lackovic-Ersatz gefunden haben, und die Löwen. Gudjon Sigurdsson, der von Gummersbach nach Mannheim gewechselt ist, könnte der Kopf werden, der dieser Mannschaft noch fehlt. Dahinter erwarte ich Nordhorn, Lemgo, Gummersbach, Magdeburg und den TV Großwallstadt, der sich sehr gut verstärkt hat.
(Mit THW-Trainer Alfred Gislason sprachen Wolf Paarmann und Reimer Plöhn, aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 29.08.2008)


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