Von Dr. Oliver Schulz:
24 Stunden vor dem Kampf der Giganten, Barcelona gegen den
THW Kiel, fand in Skopje das erste von zwei Entscheidungsspielen
um den dritten Platz in
Gruppe C
statt. Metalurg schlug vor 2500 Zuschauern den ersatzgeschwächten
norwegischen Spitzenklub Drammen HK überraschend deutlich mit
37:30 (21:14). Damit dürfte es für die Skandinavier im Rückspiel
selbst in Bestbesetzung schwer werden, dem mazedonischen Meister
Rang drei abspenstig zu machen, der zur Teilnahme am
Pokalsieger-Wettbewerb berechtigt.
Schon seit Tagen hatte sowohl die norwegische als auch die
mazedonische Presse auf den Schlüsselcharakter der beiden
Partien Metalurg Skopjes gegen Drammen HK hingewiesen. Zu
klar scheint die Dominanz Kiels und Barcelonas, als dass
sich einer der beiden verbleibenden Vereine aus
Gruppe C wohl echte
Hoffnungen auf den Verbleib in der Königsklasse gemacht hätte.
Großer Zuspruch bei Medien und Zuschauern
Umso härter umkämpft ist der dritte Platz hinter den beiden
europäischen Topadressen. Das große Interesse am Duell der
"Kleinen" spiegelte sich nicht nur in den Medien wider -
sowohl der mazedonische Sender A2 als auch der norwegische
Kanal TV2 übertrugen live - sondern äußerte sich auch auf
den Rängen. Die Partie wurde nicht in Metalurgs gewohnter
Heimspielstätte "Avtokommanda" ausgetragen, sondern fand
in der 6963 Zuschauern Platz bietenden, nach dem früheren
mazedonischen Präsidenten benannten Halle "Boris Trajkovski"
statt. Hier waren am Samstag Abend 2500 Handballbegeisterte
unter sich.
Honig und Wermut für Drammen
Die Woche hatte für Drammen HK eigentlich gut angefangen:
neben dem 35:26 Sieg über Herulf im Viertelfinale des
norwegischen Pokals wurden zwei Spieler in ihre
Nationalmannschaften berufen. Der Halbrechte Marius Hovde
Andersen, bislang vier Mal für Norwegen im Einsatz, erhielt
dank seiner guten Leistungen eine Einladung vom neuen
Nationaltrainer Robert Hedin. Rechtsaußen Eldin Hajdarevic
fand sich im Aufgebot Bosniens wieder.
Schon seit einigen Wochen muss Drammen auf seinen Topspieler,
den torgefährlichen Mittelmann Steffen Stormo Stegavik,
verzichten. Der Torschützenkönig der norwegischen "Postenligaen"
hatte sich vor Beginn des Konzerts der Großen, bei dem er
für Drammen eigentlich die erste Geige spielen wollte, einen
Finger zweifach gebrochen.
17-stündiger Anreise-Marathon
In Ermangelung einer Direktverbindung für 20 Personen in die
mazedonische Hauptstadt war DHK am Freitag Morgen um fünf Uhr
aufgebrochen und über Prag nach Sofia geflogen. Wie "Drammens
Tidende" erfahren haben will, soll der Busfahrer, der den
Tross von dort nach Skopje bringen sollte, den Weg aus der
bulgarischen Metropole erst einmal nicht gefunden haben.
Später an der Grenze soll der Zoll sich für das Gefährt
interessiert haben. Nach Aussage des Blattes brauchte der Bus
für die 230 Kilometer Wegstrecke sieben Stunden.
Es zehre zwar nicht an der Physis der Spieler, da diese ja
lange nur stillsäßen. Wohl aber greife es sie mental an. Es
sei anstrengend, sich nicht irritieren zu lassen und sich mit
Dingen zu befassen, die nicht wie geplant abliefen, teilte
Trainer Dahl Drammens Tidende mit. Dennoch soll der Humor
in der Truppe überraschend gut gewesen sein: Leiter Svein-Erik
Bjerkrheim etwa habe an einem Imbiss irgendwo in der Pampa
Hühnchen mit Brot, Nachtisch und Kaffee spendiert, fügte
Kapitän Bard Nordhagen hinzu.
Erst gegen 22 Uhr am Freitag Abend checkte der Tross endlich
im Hotel "Aristocrat Palace" in Skopje ein. Das eigentlich
angedachte Abendtraining fand aus nachvollziehbaren Gründen
nicht mehr statt. Das schaffe man schon. Wenn man jetzt nur
noch einen Happen zu essen, etwas zu trinken und eine Mütze
Schlaf bekomme, sei schon viel getan, teilte Nordhagen der
Zeitung mit.
Hovde Andersen im Abschlußtraining verletzt
Zu allem Übel hatte Marius Hovde Andersen beim Abschlusstraining
am Samstag Morgen Pech. Nach einer Einheit Fußball wurden Konter
eingeübt, als sich der Linkshänder eine schmerzhafte
Bänderverletzung im Knöchel zuzog. Die Einschätzung von
Physiotherapeut Roger Nebell, Hovde Andersen könne am Nachmittag
spielen, bewahrheitete sich nicht. Der Halbrechte fiel für die
so wichtige Partie aus. So ruhte noch mehr Verantwortung auf
den Schultern Bard Nordhagens.
Youngsters geben Partie vor der Pause aus der Hand
Ohne Pechvogel Hovde Andersen, dafür aber mit der strapaziösen
Anreise in den Knochen, gerieten die im Schnitt nur 21 Jahre
jungen Gäste von Beginn an in Rückstand und blieben im gesamten
ersten Durchgang unter ihren Möglichkeiten. Die Abwehr erreichte
nicht ihre normale Form, und im Angriff verdiente sich die rechte
Seite zwar hin und wieder Pluspunkte, aber die linke blieb blass.
Die Gäste offenbarten Schwächen bei Kontern.
Zur Pause hatten sich die Mannen von Trainer Zvonko Shundovski
so bereits ein komfortables Polster von sieben Toren erarbeitet
(21:14). Danach trat Drammen in allen Mannschaftsteilen deutlich
verbessert auf, so dass der Vorsprung des mazedonischen Meisters
nicht noch weiter anwuchs. Mehrfach gelang es den Südnorwegern,
die Tordifferenz durch Konter etwas zu schmälern.
Ausgerechnet als sie beim Stand von 26:22 wieder etwas Morgenluft
witterten, verhängte das tschechische Schiedsrichtergespann
Kohout/Novak zwei Zeitstrafen gegen Drammen. Dies nutzte Metalurg,
schlug zurück und stellte den alten Abstand wieder her. Der
Pausenvorsprung von sieben Toren hatte daher auch am Ende
Bestand (37:30).
Spannes Dutzend Treffer nicht genug
Drammen verlor das erste von zwei Endspielen also in der ersten
Halbzeit. Die zweite konnten sie zwar immerhin ausgeglichen
gestalten (16:16), mehr aber war für die ersatzgeschwächten
Youngsters nicht mehr drin. Rechtsaußen Christian Spanne war der
mit Abstand torgefährlichste Drammener Schütze. Bei 13 Versuchen
zappelte zwölf Mal ein von ihm abgefeuerter Ball in den Maschen.
Seine drei Siebenmeter verwandelte er sicher. Für Skopje traf
ein Trio am besten: Smigic steuerte acht Tore bei, Kapitän
Dimovski und Maltsev je sieben. Alle sechs Strafwürfe des
Ukrainers fanden ihr Ziel.
Neben Spanne überzeugte einmal mehr Drammens schwedischer
Torhüter Peter Carlsson. Durch seine solide Leistung trug er
nach der Pause maßgeblich dazu bei, dass die Niederlage nicht
noch höher ausfiel. Trainer Bent Dahl beurteilte die
Vorstellung seines Teams gegenüber Drammens Tidende als
schwach auf der ganzen Linie. Wenn man zur Pause mit sieben
hinten liege, sei es schwer, noch einmal heranzukommen. Der
Übungsleiter freute sich allerdings über Spannes Potential.
Natürlich sei das Team ein wenig enttäuscht. Aber man habe
eine gute zweite Halbzeit gespielt. Da habe man nur noch mit
vier Toren in Rückstand gelegen. Gegen Ende aber sei es dann
etwas zu heiß geworden, so dass Metalurg den Abstand zur
Pause wiederhergestellt und mit sieben Toren gesiegt habe.
Dennoch sei die Sache noch nicht gelaufen. Die sieben Treffer
könne man nächsten Monat vor eigenem Publikum wettmachen,
glaubte Begleiter Leif Ole Engen gegenüber "Verdens Gang".
Rückreise in zwei Gruppen
Bereits unmittelbar nach dem Match setzten sich die Spieler
erneut in den Bus, um sich nach Sofia zurückbringen zu lassen.
Wie schon im Falle der Anreise waren für eine derart große
Gruppe keine freien Direktflüge mehr zu haben. Mitten in der
Nacht bezogen sie in der bulgarischen Metropole ein Hotel.
Schon um fünf Uhr am Sonntag Morgen eilte eine erste Gruppe
von Spielern zum Flughafen, um über Prag am Nachmittag
schließlich heimische Gefilde zu erreichen. Die restlichen
Akteure werden Sofia erst am Montag Morgen verlassen. Bereits
am Mittwoch steht das schwere Auswärtsspiel gegen Haslum an.
Entscheidung um Platz drei erst ganz zum Schluss?
Die Entscheidung um den bedeutsamen dritten Platz wird
vermutlich erst am 23. November fallen, dem letzten Spieltag
der
Gruppe C. Dann nämlich
muss der mazedonische Meister in der Drammenshalle antreten.
Die Hausherren, die zuvor noch zwei schier unüberwindbare
Hürden in Kiel und Barcelona vorfinden, müssen alles daran
setzen, einen möglichst hohen Heimsieg zu landen. Sie hoffen,
bis dahin nicht nur auf Linkshänder Hovde Andersen, sondern
auch auf das begnadete (geheilte) Händchen Steffen
Stegaviks zurückgreifen zu können.
(von Dr. Oliver Schulz)
- Metalurg Skopje (MKD ):
-
Ristovski (14 Paraden), Brestovac (1 Parade);
Zivkovic (2), Dimovski (7), Stojance Stoilov,
Lazarov (3), Stanojevic (2), Mirkulovski (2),
Nedanovski, Gjorgonoski, Maltsev (7/6),
Canturia (6), Jovic, Smigic (8)
- Drammen HK (NOR ):
-
Kolstad Holm (4 Paraden), Carlsson (8 Paraden); Hajdarevic,
Hovind, Spanne (12/3), Tverdal (2), Ekelund, Nordhagen (5),
Lie Hansen (2), Hykkerud (5), Larsson (1), Sörheim (2),
Augensen (1)
- Schiedsrichter:
-
Vaclav Kohout / Petr Novak (Tschechien)
- Zeitstrafen:
-
Skopje: 3;
Drammen: 3
- Siebenmeter:
-
Skopje: 6/6;
Drammen: 3/3
- Zuschauer:
-
2500 (Halle "Boris Trajkovski", Skopje (MKD))