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23.04.2009 Mannschaft

Kieler Nachrichten: Ein Vulkan, der nur Erfolge spuckt

Alfred Gislason steht in Kiel vor Krönung seiner Karriere

Aus den Kieler Nachrichten vom 23.04.2009

Alfred Gislason holte gleich in  seiner ersten Saison beim THW die deutsche Meisterschaft.
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Kiel - Als es 2008 hinter den Kulissen krachte und Noka Serdarusic in der Folge seinen Hut nehmen musste, gab es für den damaligen THW-Manager Uwe Schwenker als Trainer-Nachfolger nur einen: Alfred Gislason. Aber der umworbene Mann stand beim VfL Gummersbach unter Vertrag. Egal, 700 000 Euro, die höchste Transfersumme, die im Handball je für einen Trainer bezahlt wurde, wechselten die Seiten. Pünktlich zum Saisonstart stand Alfred Gislason in Kiel auf der Kommandobrücke.
Die Investition hat sich bezahlt gemacht. Gislason tastete sich beim Bundesliga-Start mit dem 28:28 gegen Aufsteiger Dormagen zwar sehr zurückhaltend in seine neue Aufgabe, danach aber gab es kein Halten mehr. Unter der Leitung ihres neuen Übungsleiters schwangen sich die "Zebras" zur größten Rekordhatz in der Vereinsgeschichte auf. 55:1 Punkte in Folge sammelte der THW bis zu seiner ersten Saison-Niederlage Mitte April in Lemgo ein. Am Dienstag stand der Titelgewinn durch den Sieg des Erzrivalen SG Flensburg über Kiels ärgsten Verfolger Hamburg endgültig fest. Der Titel-Gewinn habe ihn fast ein wenig überrascht, "plötzlich ging alles so schnell", sagt Gislason.

Mit der 15. Meisterschaft für die erfolgsverwöhnten Kieler knüpft Gislason zugleich an eigene große Zeiten an. 2001 hievte er den SC Magdeburg auf den Meisterthron, ein Jahr später gewann der 189-malige isländische Nationalspieler mit den Ostdeutschen als erstes Bundesliga-Team die Champions League. Dann aber wurde das Geld knapper, es kam zum Zerwürfnis mit Manager Bernd-Uwe Hildebrandt, Gislason wurde entlassen. Auch der Neubeginn in Gummersbach begann verheißungsvoll - ehe es wirtschaftlich kriselte. So kam das Angebot aus Kiel gerade zur rechten Zeit. "Die Chance, Trainer in Kiel werden zu dürfen, bekommt man nur einmal. Und dann muss man zugreifen", so der studierte Historiker im August 2008.

Mauern hat Gislason nicht eingerissen. "Warum soll ich verändern, was prima läuft?" fragte er bei Arbeitsbeginn. Nachfragen, wie er sich fühle, in die großen Fußstapfen von Serdarusic zu treten, nervten den Isländer irgendwann dann trotzdem. "Das kann ich nicht mehr hören", antwortete Gislason immer häufiger. Der kluge Mann hatte schnell seinen eigenen Weg eingeschlagen und Respekt im fast ausschließlich mit Weltklassespielern bestückten Team gewonnen. "Alfred findet den richtigen Ton, ist Teil der Mannschaft, aber versteht es, den notwendigen Abstand zu wahren", beschreibt Kapitän Stefan Lövgren die Arbeitsweise seines neuen Chefs. Dankbar sind diesem vor allem jene Spieler im Kader, die unter Serdarusic nur selten zum Einsatz gelangten. Igor Anic, Christian Zeitz, Börge Lund. Sie alle spielen bei Gislason mehr als nur ein paar Minuten. Damit stellte der Trainer seinen knapp bestückten Kader auf eine breitere Basis, entlastete die bisherigen Zwangs-Dauerbrenner und sorgte für noch bessere Stimmung im Team. Trotz der angeblichen Unruhen wegen der Manipulations-Affäre erklärte beispielsweise Filip Jicha, dass man über die Verlängerung seines 2011 auslaufenden Vertrages, bitteschön, schon jetzt diskutieren könne. Ganz sicher auch ein Verdienst des Trainers.

Längst hat auch das Publikum den Mann, der an der Seitenlinie springt, hüpft und jeden Spielzug seiner Mannen durchleidet, ins Herz geschlossen. "Alfred, Alfred"-Sprechchöre gab es erstmals am 15. April im Spiel gegen Stralsund. Sprechchöre die Vorgänger Serdarusic niemals hören durfte. "Ich dachte, die rufen Abwehr, Abwehr", erzählte Gislason. Lövgren klärte seinen Chef auf. "Was mir ziemlich peinlich war, denn die Mannschaft steht im Mittelpunkt, nicht der Trainer." Zurückhaltung fiel Kiels Trainer zuletzt allerdings in der angeblichen Manipulationsaffäre schwer. Er stützte Uwe Schwenker und polterte in Richtung Hamburg und Mannheim. Nachvollziehbar zwar, vor allem, weil Gislason sein Herz auf der Zunge trägt, er das offene Wort schätzt. Glücklich waren die Äußerungen aber nicht immer. Dennoch: Das erste Jahr in Kiel könnte das erfolgreichste seiner Sportkarriere werden. Nach der Meisterschaft hat der THW noch heiße Eisen in der Champions League und im Pokal im Feuer. "Es kann viel passieren", orakelt der Vulkan an der Kieler Seitenlinie.

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 21.04.2009)


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