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19./20.04.2009 - Letzte Aktualisierung: 20.04.2009 Bundesliga

Schwarzer Sonntag statt Meisterfeier für den THW

Niederlage beim TBV Lemgo - Verletzungsdrama um Filip Jicha

Bundesliga, 28. Spieltag: 19.04.2009, So., 15.00: TBV Lemgo - THW Kiel: 34:27 (19:13)
Update #2 KN-Spielbericht, weitere Stimmen, Fotos, Spielbericht und Statistik ergänzt...

Zwei der Protagonisten: Morten Michelsen zeigte tolle Paraden, Filip Jich  bescherte allen Zuschauern nach seiner Verletzung bange Minuten.
Klicken Sie zum Vergrößern! Zwei der Protagonisten: Morten Michelsen zeigte tolle Paraden, Filip Jich bescherte allen Zuschauern nach seiner Verletzung bange Minuten.
Der THW Kiel hat am Sonntag einen rabenschwarzen Tag erwischt: Der souveräne Tabellenführer und designierte Meister der TOYOTA Handball-Bundesliga unterlag am Nachmittag dem TBV Lemgo im ausverkauften Gerry-Weber-Stadion in Halle/Westfalen mit 27:34 (13:19). Überschattet wurde die erste Bundesliga-Niederlage der Zebras nach 505 Tagen allerdings von einem bösen Zusammenprall zwischen Filip Jicha und Holger Glandorf in der 37. Spielminute, nach dem der Tscheche nach minutenlanger Behandlungspause ins Bielefelder Krankenhaus gebracht werden musste. Dort gab es glücklicherweise Entwarnung, der Kieler Rückraumspieler kam an seinem 27. Geburtstag mit einem leichten Schleudertrauma davon.
Nikola Karabatic hielt den THW mit sechs Treffern im ersten Durchgang noch einigermaßen im Spiel.
Klicken Sie zum Vergrößern! Nikola Karabatic hielt den THW mit sechs Treffern im ersten Durchgang noch einigermaßen im Spiel.
Rund 2.000 THW-Fans hatten sich auf den Weg nach Halle gemacht, um mir ihrer Mannschaft bereits sieben Wochen vor dem letzten Spieltag die 5. Meisterschaft in Folge zu sichern. Da der TBV Lemgo nach zuletzt 13 Niederlagen gegen die Zebras aber jeden Zähler im Kampf um die Champions League Qualifikation benötigt, wurde eine spannende Partie erwartet.

Die Gäste, die mit Nikola Karabatic auf der Spielmacherposition, Henrik Lundström auf Linksaußen und ohne Börge Lund in der Abwehr begannen, erwischten zunächst einen guten Start: Karabatic und Zeitz mit einem Unterarmwurf besorgten das 2:0 für die Zebras, Thierry Omeyer parierte den ersten Wurf von Michael Kraus, der an der Seite von Martin Strobel im Lemgoer Angriff agierte. Doch die Gastgeber fanden durch einen Wurf von Holger Glandorf langsam ihre Sicherheit im Angriff, und auch die Defensive - die stärkste der Liga - um den Mittelblock Kubes / Preiß leistete ganze Arbeit. Die Kieler wirkten zu langsam, zu behäbig in ihren Angriffsversuchen, mehrere Fehlpässe und -würfe der Rückraumspieler sowie ein starker Martin Galia zwischen den Pfosten bedeuteten nur drei weitere Gästetore in den folgenden 15 Spielminuten.

Machte im zweiten Durchgang eine großartige Partie:  A-Jugend-Torhüter Morten Michelsen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Machte im zweiten Durchgang eine großartige Partie: A-Jugend-Torhüter Morten Michelsen.
Der TBV hingegen traf beinahe nach Belieben, denn die Zebras waren auch in der Deckung nicht hellwach. Insbesondere Holger Glandorf, schon bei der letzten Kieler Bundesliga-Niederlage am 1. Dezember 2007 in Nordhorn einer der entscheidenden Faktoren, nutzte seine ungeahnten Freiräume nach Belieben und traf allein in der Anfangsviertelstunde fünfmal. Im Positionsspiel zeigte vor allem Michael Kraus mit wundervollen Anspielen auf die auch bei Gegenstößen brandgefährlichen Außen Kehrmann und Bechtloff seine Klasse, so dass die Mannschaft von Markus Baur nach 17 Minuten bereits mit 11:5 in Führung lag.

Auch die schon nach zehn Minuten genommene Auszeit Gislasons brachte keine Besserung. Erst als der Isländer den an alter Wirkungsstätte nervösen Filip Jicha im Angriff durch Kapitän Stefan Lövgren ersetzte und die beiden Linkshänder Kavticnik und Zeitz ihre Positionen tauschten, lief es zeitweilig etwas besser. Ein Treffer des Slowenen aus dem Rückraum und zwei tolle Treffer des Verantwortung übernehmenden Karabatic brachten die Zebras zumindest auf 8:12 (22.) heran. Doch weiterhin waren einige Aktionen der Kieler im Angriff zu überhastet, der TBV nutzte dies eiskalt aus und konterte mit drei Treffern binnen 60 Sekunden. Karabatic und erstmals auch der im Hinspiel überragende, diesmal aber gut abgeschirmte Marcus Ahlm verkürzten noch einmal auf 10:15, ehe es richtig hektisch wurde auf dem Parkett.

Einer der entscheidenden Momente: Erst verlor Svavarsson, kurz darauf Thierry Omeyer die Nerven.
Klicken Sie zum Vergrößern! Einer der entscheidenden Momente: Erst verlor Svavarsson, kurz darauf Thierry Omeyer die Nerven.
Stefan Lövgren kassierte bei einem Treffer Bechtloffs wegen Reklamierens eine Zeitstrafe, wenige Sekunden später stoppte Henrik Lundström Florian Kehrmann unfair und löste damit eine folgenschwere Rudelbildung aus: In dem Handgemenge verloren Lemgos Kreisläufer Vignir Svavarsson und THW-Torhüter Thierry Omeyer die Nerven und wurden folgerichtig und konsequent vom guten Schiedsrichtergespann Geipel / Helbig mit roten Karten bedacht. Da zudem Lundström für das auslösende Foul eine Zeitstrafe kassierte, standen sich nun drei THW-Feldspieler und der 17-jährige Torhüter Morten Michelsen einer Lemgoer Übermacht gegenüber. Doch der THW-A-Jugendliche kaufte erst Michael Kraus einen Siebenmeter und dann auch Bechtloff einen Wurf ab, Karabatic gelang sogar im Angriff der Treffer zum 11:16. Mit nur einem Gegentor überstanden die Zebras diese doppelte Unterzahlsituation, zur Halbzeit sah es beim 19:13 für den Gastgeber dennoch bereits nach der ersten Saisonniederlage aus.

Als nach dem Seitenwechsel der heute unglücklich agierende Christian Zeitz verwarf und Glandorf sowie Kehrmann per Strafwurf auf 21:13 für den TBV erhöhten, bahnte sich gar ein Debakel für den THW an - zumal Nikola Karabatic früh signalisierte, dass es für ihn und sein noch immer angeschlagenes Knie nicht weitergehen würde. Immerhin schafften es die Kieler im Angriff, sich Strafwürfe zu ergattern, welche Kavticnik traumwandlerisch sicher gegen Galia und Lichtlein verwandelte und den Schaden in Grenzen hielt. Als dann Zeitz doch endlich sein zweiter Treffer gelang und Lövgren im Anschluss aus dem Rückraum auf 17:23 verkürzte, keimte beim Tabellenführer gar noch einmal kurz Hoffnung auf.

Momente des Bangens für Zuschauer und Spieler nach dem Zusammenprall zwischen Jicha und Glandorf.
Klicken Sie zum Vergrößern! Momente des Bangens für Zuschauer und Spieler nach dem Zusammenprall zwischen Jicha und Glandorf.
Doch dann kam es zu der bereits erwähnten, folgenschweren Szene in der 37. Spielminute: Nationalspieler Holger Glandorf wackelte den herauseilenden Filip Jicha aus, traf dabei aber den Tschechten mit seiner linken Schulter am Kopf. Während Glandorf das 24:17 erzielte, sank Filip Jicha zu Boden. Es folgten bange Minuten im Gerry-Weber-Stadion, in denen der bewegungslos auf dem Parkett liegende Tscheche behandelt und anschließend mit einer Halsstütze auf einer aufgepumpten Trage aus der Halle und ins Krankenhaus gebracht wurde.

Als die Partie nach zehn für alle Handballfans unendlich langen Minuten fortgesetzt wurde, schien diese vor allem für die Kieler Spieler zur Nebensache verkommen zu sein. Im Angriff unterliefen den geschockten Zebras weitere Fehler, die Kehrmann, Kraus und Preiß zum 27:17 (40.) bestraften. Doch die Mannschaft von Alfred Gislason riss sich nun noch einmal zusammen, insbesondere in der Abwehr mit Ahlm und Lund im Mittelblock war endlich die in dieser Saison bekannte Aufmerksamkeit zurückgekehrt. Da jetzt auch noch Morten Michelsen über sich hinaus wuchs und reihenweise freie Bälle des TBV parierte, kamen die ob des sicheren Sieges auch nachlassenden Gastgeber nur noch zu sieben Treffern in den letzten zwanzig Minuten.

Tief durchatmen: Filip Jicha ist nach kurzem Krankenhausaufenthalt wieder auf den Beinen.
Klicken Sie zum Vergrößern! Tief durchatmen: Filip Jicha ist nach kurzem Krankenhausaufenthalt wieder auf den Beinen.
Dass es nicht mehr zur großen Aufholjagd des THW reichte, lag vor allem an der fehlenden Durchschlagskraft im eigenen Angriff: Ohne Karabatic, Jicha und Andersson fehlten die "einfachen" Tore, immerhin wusste Igor Anic am Kreis zu gefallen, der noch mehrere Siebenmeter rausholte und selbst zweimal traf. So fiel die spätestens nach dem Ausfall Jichas besiegelte und zumindest für den THW zur Nebensache verkommene Niederlage letztlich mit 27:34 doch noch glimpflich aus - und aus dem zwischenzeitlich "rabenschwarzen" Sonntag wurde zumindest nur ein schwarzer.

Somit ist die endgültige Entscheidung um die Deutsche Meisterschaft zwar vertagt, aber vermutlich nicht für sehr lange. Denn bereits am kommenden Mittwoch können die Zebras - dann auch im eigenen "Wohnzimmer" - mit einem Heimsieg über die HSG Wetzlar den 15. Titelgewinn perfekt machen. Vielleicht können sich die Kieler sogar schon einen Tag vorher freuen, sollte die SG Flensburg-Handewitt am Dienstag in der Campushalle gegen den HSV Hamburg punkten.

(Sascha Krokowski)

Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.

Hier geht's zu weiteren Fotos vom Spiel...

Stimmen zum Spiel:

THW-Trainer Alfred Gislason:
Herzlichen Glückwunsch an den TBV, es war ein verdienter Sieg. Als Erstes möchte ich mich beim Lemgoer Mannschaftsarzt bedanken. Er ist mit Filip Jicha ins Krankenhaus gefahren und hat ihn versorgt. Wir haben eben die Rückmeldung bekommen, dass alles gut ist und er auf seinen eigenen Beinen steht und hierher zurückkommt.

Zum Spiel: wir haben zu langsam und ohne Biss gespielt. Wir waren in der Abwehr völlig passiv. Vorne haben wir zu viele Fehlwürfe und technische Fehler gehabt. Lemgo war sofort die bessere Mannschaft. Wir hatten Schwierigkeiten zu unserem Spiel zu finden. Knackpunkt war die rote Karte für Omeyer. Wichtig ist aber vor allem für uns, dass Filip ok ist. In der zweiten Halbzeit hatte Karabatic Probleme und ich musste ihn draußen lassen.

Wir haben dann versucht ranzukommen und uns besser zu präsentieren. Positiv war heute der Auftritt von Morten Michelsen. Er hat sehr gut gespielt und war heute die große Überraschung. Lemgo hat eine sehr gute Mannschaft.

[gegenüber den KN:]
Die Niederlage ist kein Weltuntergang, wichtig war die Nachricht, dass Filip Jicha nicht ernsthaft verletzt wurde. Der Sieg von Lemgo war verdient, man fährt nicht mal eben nach Lemgo, um zu gewinnen, TBV ist eines der stärksten Teams in Europa. Aber wir dürfen stolz sein, so lange ungeschlagen geblieben zu sein. Einen Knacks wird diese Niederlage der Mannschaft nicht geben.

TBV-Trainer Markus Baur:
Als Erstes freue ich mich auch sehr, dass es Filip besser geht. Ich freue mich aber auch über unser heutiges Auftreten. Wir haben aggressiv gespielt. Sehr wahrscheinlich war es auch der richtige Zeitpunkt, um gegen Kiel zu spielen. Mit kleineren Verletzungen und 12 Punkten Vorsprung ist es schwer den letzten Schalter umzulegen.

In der ersten Halbzeit hatten wir eine gute Leistung geboten. Wir waren ständig unter Körperkontakt. Das Ergebnis gibt Mut und Selbstvertrauen. Ich bin froh, es ist ein positives Ergebnis für die nächsten Aufgaben.

[gegenüber den KN:]
Beide Roten Karten waren zu hart, das Spiel hat unter den Pausen gelitten, war aus unserer Sicht aber trotzdem stark. Wir waren kein Spielverderber für Kiel, der THW wird trotzdem Meister. Ich wünsche mir, dass diese beiden Punkte dazu führen, dass wir noch in die Champions League rutschen.

THW-Kapitän Stefan Lövgren gegenüber den KN:
Ich bin enttäuscht über die Art und Weise, wie wir verloren haben. Keine Aggressivität, müde Köpfe, aber ich könnte weitere 20 Punkte anführen. Wichtig ist, dass Filip gesund ist. Bis zur guten Nachricht war es sehr leise in der Kabine.
THW-Torhüter Thierry Omeyer gegenüber den KN:
Ich bin sauer über die Rote Karte. Plötzlich war eine Rangelei, es wurde hektisch, vielleicht habe ich ein bisschen gedrückt, und plötzlich gab es Rot, sehr komisch.
THW-Rückraumspieler Börge Lund gegenüber den KN:
In dem Moment, in dem es mit Filip geschah, wird man sehr nachdenklich. Ich bin nur froh, dass es gut gegangen ist.
THW-Torhüter Morten Michelsen gegenüber den KN:
Oh, Mist, habe ich gedacht, als die Rote Karte kam. Dann ging es ins kalte Wasser, mir rutschte das Herz in die Hose. Als ich dann den ersten Siebenmeter erwischte und noch ein paar Bälle, stieg das Selbstvertrauen. Thierry hat mir immer ein paar Tipps gegeben. Die Riesenkulisse habe ich abgeschaltet, die Ostseehalle ist ja auch nicht klein.
THW-Linkshänder Kim Andersson gegenüber den KN:
Gut, dass es mit Filip so ausgegangen ist. Morten Michelsen hat gezeigt, dass er es kann. Mit der Meisterschaft klappt es jetzt hoffentlich am Mittwoch.

28. Spieltag: 19.04.09, So., 15.00: TBV Lemgo - THW Kiel: 34:27 (19:13)

Logo TBV Lemgo:
Lichtlein (bei zwei Siebenmetern, keine Parade), Galia (1.-60., 17 Paraden); Kraus (6/1), Preiß (5), Bechtloff (6), Glandorf (7), Schmetz, Kehrmann (5/2), Strobel (1), Hermann, Kaufmann (2), Svavarsson (2), Kubes; Trainer: Baur
Logo THW Kiel:
Omeyer (1.-27., 6 Paraden), Michelsen (27.-60., 13/2 Paraden); Lund (2), Lundström (1), Kavticnik (6/4), Anic (2), Lövgren (3/1), Ahlm (1), Zeitz (3), Karabatic (6/1), Klein (1), Jicha (2); Trainer: Gislason
Schiedsrichter:
Lars Geipel (Steuden) / Marcus Helbig (Landsberg)
Zeitstrafen:
TBV: 3 (2x Preiß (8., 33.), Schmetz (28.));
THW: 3 (Lövgren (26.), Lundström (27.), Jicha (30.))
Rote Karten:
TBV: Svavarsson (27.) nach Tätlichkeit;
THW: Omeyer (27.) nach Tätlichkeit
Siebenmeter:
TBV: 4/2 (Michelsen hält Kraus (27.) und Kehrmann (43.));
THW: 8/6 (Karabatic an die Latte (13.), Kavticnik an die Latte (48.))
Spielfilm:
1. Hz.: 0:2 (3.), 3:2 (6.), 3:3, 5:3, 5:4, 7:4 (11.), 7:5, 11:5 (18.), 11:6, 12:6, 12:8 (22.), 15:8 (23.), 15:10, 16:10, 16:11, 17:11, 17:12, 19:12, 19:13;
2. Hz.: 21:13, 21:14, 22:14, 22:15, 23:15, 23:17 (37.), 27:17 (40.), 27:20 (43.), 28:20, 28:21, 29:21, 29:22, 31:22 (50.), 31:25 (57.), 32:25, 32:26, 33:26, 33:27, 34:27.
Zuschauer:
10500 (ausverkauft) (Gerry-Weber-Stadion, Halle (Westfalen))
Spielgrafik:
Spielgrafik

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 20.04.2009:

Schleudertrauma: Bangen um Jicha

27:34-Niederlage des THW Kiel in Lemgo wurde zur Nebensache - "Roter" Omeyer von Michelsen gut vertreten
Halle/Westf. - Der Blumenstrauß mit fünf weißen Rosen blieb unbeachtet auf einem Tisch im Presseraum liegen. Gedacht war er als Glückwunsch zur Meisterschaft. Doch nach 55:1 Punkten in der laufenden Bundesligarunde und insgesamt 47 Spielen ohne Niederlage beendete der TBV Lemgo die Siegesserie des THW Kiel mit einem klaren 34:27 (19:13)-Sieg.

Die "Zebras" müssen ihre Meisterfeier verschieben. Die nächste Gelegenheit bietet sich am kommenden Mittwoch in der Sparkassen Arena im Heimspiel gegen die HSG Wetzlar. Viel wichtiger war für die Kieler jedoch, dass kurz nach dem Abpfiff im mit 11000 Zuschauern ausverkauften Gerry-Weber-Stadion in Halle/Westfalen Entwarnung aus einem Bielefelder Krankenhaus kam. Noch einmal gutgegangen, lautete der Inhalt der SMS von THW-Pressesprecher Björn Goos: Filip Jicha hat nach Überstreckung des Halswirbels "nur" ein leichtes Schleudertrauma erlitten.

Ausgerechnet Filip Jicha: Der Tscheche hatte sich so sehr auf das Spiel gegen seine Ex-Mannschaft gefreut. An seinem 27. Geburtstag wollte er die TBV-Heimstätte als deutscher Meister und Triumphator verlassen. Stattdessen wurde er auf den Rollen einer ambulanten Trage des Rettungsdienstes hinausgeschoben, um den Hals eine gelbe Halskrause, die rechte Hand zum Dank für die Anfeuerungsrufe aus dem Publikum in die Höhe gesteckt. Vorangegangen war ein unglücklicher Zusammenprall in der eigenen Abwehr mit Nationalspieler Holger Glandorf. Kiels Rückraumspieler blieb rücklings liegen, strampelte mit den Beinen, schnappte nach Luft, Entsetzen machte sich auf dem Parkett und im Publikum breit.

Der Notarzt eilte auf das Spielfeld, 15 Minuten später wurde Filip Jicha abtransportiert. Er habe den Vorfall gar nicht bemerkt, erklärte der geschockte Glandorf später. "Ich weiß nicht, wie es passiert ist", rätselte auch Jicha, der noch den Mannschaftsbus nach Kiel erreichte. Noch einmal gut gegangen.

Die Verletzung Jichas setzte den traurigen Höhepunkt einer von Beginn an hektischen Partie, in der Lemgo vor 2000 mitgereisten THW-Fans und DFB-Präsident Theo Zwanziger sowie Bundestrainer Heiner Brand als Ehrengästen die Akzente setzte. Das Team von Trainer Markus Baur ging wesentlich entschlossener zu Werke und hatte nach dem 0:2 bald eine deutliche Führung herausgeworfen.

Kiels 6:0-Abwehr packte nur halbherzig zu, bekam in der Anfangsphase vor allem Holger Glandorf nicht in den Griff und lag nach 20 Minuten mit 6:12 zurück. Der Kieler Angriff agierte statisch, weder Marcus Ahlm am Kreis noch der Rückraum mit Jicha, Zeitz, Karabatic oder Lövgren setzten die gewohnten Akzente. Hinzu kam, dass TBV-Schlussmann Martin Galia insgesamt 18-mal Endstation Kieler Angriffe blieb und zum besten Lemgoer Akteur avancierte.

Kieler Hoffnungen auf eine Wende endeten spätestens in der 27. Minute beim 16:10, als es nach einer spektakulären Attacke von Lundström an Kehrmann zur Rudelbildung kam. Es wurde geschubst, gestoßen, und am Ende dieses unsportlichen Zwischenspiels zog das unsichere Schiedsrichterpaar Geipel/Helbig Rot gegen den Lemgoer Kreisläufer Vignir Svavasson und THW-Torhüter Thierry Omeyer, Kieler Sieggarant vergangener Wochen und Monate.

Ersatzmann Bruno Martini war in Frankreich geblieben - also kam es zur Feuertaufe für den 17-jährigen THW-A-Jugendlichen Morten Michelsen. Der junge Mann startete sein Bundesligaabenteuer gleich mit einem gehaltenen Siebenmeter gegen Michael Kraus, auch den Nachwurf von Bechtloff machte er unschädlich. Das gab Selbstvertrauen. 15 Bälle hielt Michelsen fortan, Sicherheit saugten seine Vorderleute aus diesen Taten allerdings nicht.

Kurz nach dem Wechsel zogen die Lemgoer auf 22:14 davon, lagen beim 27:17 in der 40. Minute gar mit zehn Toren vorn. Der Rest aus THW-Sicht, der neben Omeyer und Jicha in der zweiten Halbzeit auch auf den knieverletzten Karabatic verzichten musste, lautete Schadensbegrenzung. Die immerhin glückte. Am Ende kam der designierte Meister mit 27:34 und einem dicken blauen Auge davon. Vor allem aber mit einem nur leicht angeschlagenen Filip Jicha.

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 20.04.2008)


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