Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Zurück aus dem Ruhestand gibt sich
Bruno Martini
ganz entspannt. Im ZEBRA-Interview spricht
der Franzose über sein plötzliches Comeback beim THW Kiel, seinen mitunter grimmigen
Gesichtsausdruck und über das Älterwerden.
Bruno Martini ist eine beeindruckende Erscheinung.
Wer ihm auf dem Handballfeld gegenüber steht, der kann es
leicht mit der Angst zu tun bekommen. Denn der 38-jährige
Franzose mit dem grimmigen Blick lässt seinen Gegenspielern
schon einmal den Schrecken in die Glieder fahren. Auch
jetzt noch - zwei Jahre nach seinem Abschied vom aktiven
Profisport. Denn der zweimalige Weltmeister (1995, 2001)
und Champions-League-Sieger (2003) ist zurück zwischen
den Pfosten.
Für den THW Kiel streift sich Bruno Martini
jetzt noch einmal das Trikot über, um den Zebras über die
Verletzungsmisere von Andreas Palicka
hinweg zu helfen und seinem alten Weggefährten Thierry Omeyer
zur Seite zu stehen. Allerdings gibt Martini
im Interview freimütig zu, dass er längst nicht mehr in der
Weltklasseform vergangener Tage sei. Was auch kein Wunder
ist, denn Bruno Martini hat längst andere Wege eingeschlagen.
Gemeinsam mit seiner Frau Sonia betreibt er im südfranzösischen
Montpellier die Marketingfirma "MP Sport", unter anderem
betreuen sie die französische Handballliga und einige
französische Handballvereine. Deswegen weilte Martini
über Ostern auch in den USA, die Franzosen spielten ihr Final
Four erstmals in Miami unter der Sonne Floridas aus.
An einen geregelten Trainingsbetrieb gemeinsam mit dem THW Kiel war
demnach in den vergangenen Tagen auch nicht zu denken.
Bruno Martini wird weiterhin als Vielflieger
zwischen Montpellier und Kiel pendeln.
Dass er von seinen alten Torwartqualitäten nur wenig eingebüßt hat,
bewies Martini bei seinen ersten beiden
Auftritten im THW-Trikot: Zweimal wurde er eingewechselt,
zweimal parierte Martini einen Siebenmeter
von Champions-League-Torschützenkönig Kiril Lazarov - ein Einstand
nach Maß. Vielleicht auch, weil seine Erscheinung nach
wie vor so beeindruckend ist. Dass er allerdings auch
ohne grimmigen Gesichtsausdruck begeistern kann, bewies
ein gut gelaunter
Bruno Martini unmittelbar nach seiner Ankunft
in Deutschland im Gespräch mit ZEBRA.
- ZEBRA:
-
Bruno, wann haben Sie eigentlich vor Ihrer Reise
nach Kiel zum letzten Mal im Tor gestanden?
- Bruno Martini:
-
Mein letztes Spiel bestritt ich im Mai 2007 für USAM Nimes, das ist in der Tat lange her.
- ZEBRA:
-
Eigentlich stehen Sie inzwischen abseits des Feldes voll im Beruf.
Ist Ihre Rückkehr zwischen die Pfosten nur so etwas wie ein Hobby?
- Bruno Martini:
-
Das könnte man fast meinen (lacht)! Aber wenn ich etwas tue,
dann seriös. Ich möchte diese Herausforderung annehmen,
aber gleichzeitig möchte ich auch niemanden enttäuschen.
Davon ganz abgesehen werde ich wohl eh nicht viel
spielen, da Thierry Omeyer derzeit
in überragender Form ist. Ich verstehe mich in den
kommenden Wochen als eine Art Bodyguard von
Thierry. Ich muss aufpassen, damit er auch
im Alltag bloß kein Risiko eingeht, damit ich nicht spielen
muss.
- ZEBRA:
-
Keine Lust?
- Bruno Martini:
-
Natürlich doch! Aber ich werde nicht in der Lage sein, lange zu
spielen. Denn ich bin einfach nicht in der entsprechenden
körperlichen Verfassung dafür. Ich war auf dieses Abenteuer
schließlich nicht vorbereitet. Im vergangenen Jahr
fragte schon einmal der TuSEM Essen bei mir an, aber
ich lehnte damals ab - die sind eben nicht so attraktiv
wie der THW Kiel.
- ZEBRA:
-
Wie fit sind Sie wirklich?
- Bruno Martini:
-
Ich habe inzwischen beruflich so viel zu tun, und die Familie
fordert auch ihr gutes Recht, da bin ich in den vergangenen
Monaten einfach nicht dazu gekommen, viel Sport zu
treiben. Nachdem Alfred Gislason jedoch
bei mir angerufen hatte, schnappte ich mir sogleich
mein Fahrrad und bin eine Stunde lang unter Volldampf
um den Block gefahren, um zu schauen, ob es mit meiner
Fitness noch einigermaßen geht - es ging. Der Kopf
ist bereit, der Körper wird folgen!
- ZEBRA:
-
Also lief der erste Kontakt über Alfred Gislason
und gar nicht über einen der drei Kieler Franzosen, die Sie
ja bereits aus Montpellier gut kennen?
- Bruno Martini:
-
Das stimmt. Alfred Gislason hatte zunächst
bei Christian Gaudin angefragt. Mit ihm, im Übrigen auch ein
ehemaliger französischer Nationaltorwart, hatte er schon
in Magdeburg zusammen gearbeitet. Aber Christian musste
absagen - und empfahl Alfred
stattdessen, bei mir nachzufragen.
- ZEBRA:
-
Also sind Sie nur zweite Wahl?
- Bruno Martini:
-
Ja, wenn man so will - aber bitte nicht laut sagen... (lacht)
- ZEBRA:
-
Früher haben Sie auf dem Platz immer finster dreingeschaut,
dabei wirken Sie jetzt so fröhlich .
- Bruno Martini:
-
Ja, das stimmt wohl. Früher dachte ich immer, ich müsste meine
technischen Defizite kompensieren, indem ich die Gegner durch
mein Auftreten einschüchtere. Aber mit dem Alter wird man auch
diesbezüglich entspannter.
- ZEBRA:
-
Bei Ihrem Engagement werden Erinnerungen an Andrej Xepkin wach.
- Bruno Martini:
-
Natürlich. Aber er war noch älter als ich .
- ZEBRA:
-
. und verließ Kiel nach nur drei Monaten trotzdem mit drei Titeln.
- Bruno Martini:
-
Ja, auch ich bin sehr hoffnungsvoll! Nikola Karabatic
fragte mich am Telefon, was ich davon halten würde, noch einmal
Champions-League-Sieger zu werden. Dieses Kieler Team ist
natürlich dazu gemacht, um Titel zu gewinnen.
- ZEBRA:
-
Und jetzt sind Sie ein Teil dieser Mannschaft. Können Sie
das schon glauben?
- Bruno Martini:
-
Das ist eine riesige Herausforderung für mich, die ich hoffentlich
meistern werde. Aber noch ist das Ganze ein wenig schwer zu
realisieren. Trotzdem bin ich froh, dass ich hier bin.
Ich hätte schließlich auch nein sagen können. Aber wer
hätte das gemacht? Der THW Kiel ist schließlich der
beste Klub der Welt.
- ZEBRA:
-
Wie können Sie dem THW Kiel helfen?
- Bruno Martini:
-
Ich kann Thierry den Rücken frei halten
und ihm die nötigen Ruhephasen gewähren, wenn er mal eine kurze
Pause benötigt. Für ihn ist diese Saison schließlich
verdammt lang. Er hat im vergangenen Sommer quasi gar
nicht pausiert, da die olympischen Spiele in Peking
anstanden. Und seitdem ist er unentwegt gefordert. Er ist
so wichtig für sein Team! Der THW Kiel wird ihn zum Ende
der Saison noch brauchen.
- ZEBRA:
-
Wie ist Ihr Verhältnis untereinander?
- Bruno Martini:
-
Als wir beide im Jahr 2000 nach Montpellier kamen, war ich dort
für ihn so etwas wie sein großer Bruder. Ein Jahr später
wurden wir gemeinsam Weltmeister, 2003 gewannen wir
zusammen die Champions League. Wir sind immer ein sehr
gutes Duo gewesen. Ich war damals 30 Jahre alt, er
erst 22 und ein großes Talent. Jeder wusste, dass er die
nächste Nummer eins sein würde. Wir kämpften natürlich
beide um unsere Spielanteile, aber immer voller
Respekt für den anderen.
- ZEBRA:
-
Und jetzt sind Sie wieder auf den Geschmack gekommen? Sie haben
keinen Vertrag für die kommende Saison. Und über Torhüter
sagt man, dass sie mit dem Alter immer besser werden .
- Bruno Martini:
-
Naja, aber ich bin wohl doch etwas zu alt. Oh man, ich habe schon mit dem Vater von
Igor Anic zusammen gespielt . (lacht). Nein,
ich bin wirklich keine gute dauerhafte Lösung. Aber keine Sorge:
Der THW Kiel hat mit Thierry die Gegenwart und mit
Andreas die Zukunft.
- ZEBRA:
-
Haben Sie sich dennoch Ziele für Ihren Kurzaufenthalt in Kiel gesteckt?
- Bruno Martini:
-
Ich möchte mich nicht lächerlich machen. Das Trikot des THW Kiel zu tragen,
ist nicht nur eine große Ehre, es bedeutet auch Druck. Ich
möchte dem Verein, der Mannschaft und
Thierry helfen, einfach ein guter Sparring-Partner sein.
(Von Sascha Klahn, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)