16.04.2009 | Mannschaft |
Morten Michelsen. |
Aber von Anfang an: Mit dem Anruf aus der Geschäftsstelle des THW Kiel nahm der aufregende Stress seinen Lauf. "Montagnachmittag hatten wir in der Schule einen dreistündigen Sportblock", berichtet Michelsen. Wieder kam ein Anruf. "Zum Glück hörte ich mein Handy, bis 15.30 Uhr sollte ich in der Geschäftsstelle sein, um einen Vertrag bis zum Ende der Saison zu unterschreiben", schildert der Schüler des Hans-Geiger-Gymnasiums seinen ersten Tag bei den Profi-Zebras. Viel Zeit blieb nicht, denn die Meldefrist für einen neuen Spieler der TOYOTA Handball-Bundesliga drohte abzulaufen. Doch alles lief perfekt. Der Schulunterricht durfte an diesem Tag einmal hintenanstehen. Am gleichen Abend noch bat Alfred Gislason zum Training. "Dabei drückte er mir gleich ein Video in die Hand, welches ich mir zuhause ansehen sollte." Darauf waren die Wurfbilder der Spieler aus Melsungen zusammengeschnitten. "An einen Kurzeinsatz hatte ich in dem Moment noch gar nicht gedacht", schildert der Teenager. "Vielmehr habe mich in dem Moment geehrt gefühlt, von der Mannschaft so toll aufgenommen und so mit einbezogen zu werden."
Die Chance, die der Gymnasiast durch die THW-Torwart-Not bekam, möchte er nur zu gern nutzen. Schon im ersten Spiel stellte Gislason den Jung-Torhüter für einen Siebenmeter in den Kasten. "Alfred nahm mich zur Seite und sagte, dass ich aufs Feld solle." Daran kann sich Morten Michelsen noch erinnern. Alles andere sei beinahe wie in Trance passiert. "Ich habe gemerkt, wie es lauter wurde in der Halle und 10.250 Zuschauer anfingen, zu klatschen", beschreibt er den Moment, in dem er das Parkett betrat. Er habe versucht, sich bloß auf diesen Ball zu konzentrieren, er wollte sein Bestes geben und sich vor allen Dingen nicht blamieren. "Was aber ziemlich schwer ist, wenn man die Hosen voll hat", lacht der Jung-Torhüter.
Mehr schlecht als recht ging Michelsen beim Wurf vom zurzeit besten Torschützen der Liga, Savas Karipidis, zu Boden, ohne den Ball zu berühren. Kurz darauf sei er sauer auf sich gewesen. "Ich wollte ja mein Bestes geben - das war es bei diesem Siebenmeter nun wahrlich nicht." Aber sofort gab es einen Tipp von Alfred Gislason: "Er sagte mir sofort danach, dass ich mich beim nächsten Mal einfach ein wenig weiter nach vorn stellen solle, um den Winkel für den Werfer noch kleiner zu machen", erinnert sich Michelsen an die Worte des Isländers. Und auch Vid Kavticnik versuchte den 17-Jährigen schnell wieder aufzubauen. "Auf der Bank hat er viele Scherze gemacht, aber mir auch gute Tipps gegeben."
Auch andere sparten nicht mit Ratschlägen und Ermutigungen. Selbst der verletzte Andreas Palicka kam vor dem Anpfiff der Bundesligapartie zu dem Nachwuchskeeper, um ihm viel Glück zu wünschen. Aber auch um ihm zu sagen, dass man diese Kulisse mit Spaß erleben soll; denn vor nicht allzu langer Zeit machte Palicka ebenfalls erste Bekanntschaft mit der Stimmung, die die 10.250 Zuschauer auf den Rängen erzeugen.
Morten Michelsen versucht nun jede Sekunde im Dress des THW Kiel zu genießen. Im Spiel bei Frisch Auf Göppingen wurden daraus sogar vier Minuten. Am Ende verbuchten die Statistiker die erste Parade des 17-Jährigen in der TOYOTA Handball-Bundesliga. "Mir bietet sich eine große Chance". Dass der Elftklässler jedoch die Schule für das Training der Zebras schwänzt, findet Trainer Gislason alles andere als gut. "Alfred Gislason hat mir sofort gesagt, dass ich keine Stunden ausfallen lassen soll. Ich soll dann zum Training kommen, wenn meine Schule vorbei ist." Doch nun stehen die Ferien an. "Dann trainiere ich auch täglich zweimal mit der Mannschaft zusammen", gibt sich der Keeper ehrgeizig.
Doch selbst in der Klasse kann Michelsen inzwischen nicht mehr abschalten vom Handball. "Natürlich sehen viele die Spiele des THW Kiel im Fernsehen oder sind sogar live in der Halle dabei", so Michelsen, der von der Begeisterung seiner Mitschüler überrumpelt wurde. "Nach dem ersten Spiel gegen Melsungen kamen alle auf mich zu, begrüßten mich mit dem Spielbericht aus den Kieler Nachrichten in der Hand oder meinten, dass ich diesen Siebenmeter doch wohl hätte halten müssen."
Nicht ganz einfach, sich dann zu rechtfertigen. Zurückziehen von dem ganzen Rummel kann sich Michelsen bei seiner Familie und seiner Freundin. "Sie hat vollstes Verständnis und freut sich für mich, auch wenn ich nun ein bisschen weniger Zeit für sie habe", so der Torwart, der die kommenden Monate, so stressig sie auch werden mögen, für sich nutzen will.
(Von Annika Stöllger, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)
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