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09.09.2009 Mannschaft

Zebra-Journal: Gentzel nimmt die Ausfahrt Kiel

Weltklasse-Torhüter verabschiedet sich beim THW aus der Bundesliga

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.09.2009:

Peter Gentzel bewies beim Saisonauftakt in Hohwacht, dass er auch mit dem Golfball hervorragend umgehen kann.
Klicken Sie zum Vergrößern! Peter Gentzel bewies beim Saisonauftakt in Hohwacht, dass er auch mit dem Golfball hervorragend umgehen kann.

Ein leidenschaftlicher Läufer ist Peter Gentzel nicht. "Es macht mir keinen großen Spaß, mir fehlt der Ball." Trotzdem hat sich der 40-Jährige im Urlaub mit Extra-Runden auf das Trainingslager in Lingen vorbereitet. "Ich wusste von meinen schwedischen Landsleuten, was mich hier erwarten wird."
Bei der HSG Nordhorn, für die er acht Jahre spielte, hätte das Krafttraining mehr im Mittelpunkt gestanden. "Alfred lässt seine Spieler eben mehr laufen."

Im Hotel "Zum Märchenwald", in dem die Kieler während des Trainingslagers Quartier bezogen haben, ist Gentzel der einzige THW-Spieler, der von den Touristen erkannt wird. Sogar seine ehemalige Nachbarn sind nach Lingen gereist, um ihn zu treffen.

Körperlich fühlt sich der dreifache Europameister dennoch besser als vor zehn Jahren. "Ich trainiere viel bewusster als damals." THW-Physiotherapeut Uwe Brandenburg attestiert dem Göteborger ein "unglaubliches Körpergefühl". Er sei ein alter Haudegen wie Stefan Lövgren, einer, der genau in seinen Körper hinein hört.

Gentzel hat in Kiel einen Ein-Jahres-Vertrag unterschrieben, um dem verletzten Andreas Palicka nach dessen schwerer Verletzung (Muskelabriss im Oberschenkel) eine ausreichende Regenerationsphase zu ermöglichen. Er wird die Nummer 16 von Mattias Andersson tragen. "Nummern sind mir egal. Ich glaube, im Verein hatte ich noch nie das mit der Eins." Der Vater von drei Kindern strahlt eine große Gelassenheit aus. Er wirkt wie einer, der mit dem Leben im Reinen ist. "Geld war mir nie wichtig, Titel mit Vereinsmannschaften auch nicht. Ich wollte in erster Linie Spaß haben", sagt Gentzel, der erst als 30-Jähriger Profi wurde. "Viele Freunde wundern sich noch heute darüber, dass ich Handballer geworden bin. Als Fußballer war ich eigentlich viel besser;" Der gelernte Bank- und Versicherungskaufmann war einer der besten Nachwuchskicker Göteborgs. Warum Handball? "Wahrscheinlich war es Bequemlichkeit", sagt der Enkel des Schauspielers Ludde Gentzel. "Fußball in Schweden wurde damals noch auf Grantplätzen gespielt, das tat gerade bei Herbstwetter richtig weh. Und in der Halle war es immer schön warm."

Den Durchbruch verdankt er Ola Lie und Johan Eklund. Das Trainergespann von Redbergslids Göteborg stellte den damals 24-Jährigen zwischen die Pfosten, obwohl der schwedische Spitzenklub auch über arriviertes Personal auf dieser Position verfügte. "Sie glaubten, ich hätte das größere Potenzial", erinnert sich Gentzel, der zuvor jahrelang bei Redbergslids auf der Bank gesessen hatte. Gestört hat es ihn nicht, blieb doch viel Zeit für die Familie und seine Hobbys.

Der 224-fache Nationalspieler ist ein sportliches Multitalent. So golfte er lange mit einem Handicap von 5,5 und 1991 führte er die schwedische Nationalmannschaft im Ultimate-Frisbee zur Vize-Weltmeisterschaft. "Das besondere an dieser Sportart ist, dass sie ohne Schiedsrichter funktioniert. Die Spieler entscheiden alles selbst", meint Gentzel, der auch in der Lage ist, eine Frisbeescheibe so zu werfen, dass er sie nach einem flotten 64-MeterSprint wieder auffangen kann.

Im Kontakt mit dem THW stand der Weltmeister von 1999 schon seit vielen Jahren. So sprach ihn Kiels Ex-Trainer Noka Serdarusic bereits bei der EM 2000 in Kroatien auf einen Wechsel an. Damals hatte Gentzel mit seiner schwangeren Frau Anna-Lena gerade den Sprung ins Ausland gewagt und gleich einen schwierigen Start erwischt. Sein Arbeitgeber, Santander, zahlte das erste Gehalt drei Monate zu spät. Gentzel entschied sich aber, nach Granollers zu wechseln. Dort war sein Kumpel Ljubomir Vranjes unter Vertrag, die Frauen sind gut befreundet. Als die HSG Nordhorn ihnen dann Fünf-Jahres-Verträge bot, gab es kein Zögern mehr. "Mir war immer wichtig, dass es meiner Familie gut geht", sagt Gentzel, dessen Kindern zehn, sieben und dreieinhalb Jahre alt sind.

Auch das Kapitel Nordhorn schien sich schnell zu schließen. Beirat und Sponsoren wollten in der Saison 2002/2003 den Spielbetrieb einstellen. Dann tauchte überraschend Peter Gentzel in der Sitzung auf, bot einen 20-prozentigen Gehaltsverzicht der Mannschaft an und es ging weiter. "Das Gehalt kam in Nordhorn zwar nie pünktlich. Aber die Atmosphäre in diesem Klub war einmalig", sagt Gentzel, den der SC Magdeburg (Trainer Alfred Gislason) verpflichten wollten. Er blieb, Nordhorn war eine Herzensangelegenheit. Auch vier Jahre später, als die SG Flensburg-Handewitt Vranjes und ihn verpflichten wollte. Vranjes ging, Gentzel nicht. Mit dem Lizenzentzug der HSG in der vergangenen Saison verlor Gentzel nicht nur vier Gehälter, deren verspätetes Erscheinen er für sehr unwahrscheinlich hält. Er verlor auch ein Stück Heimat.

Als der THW Kiel über seinen Freund Stefan Lövgren bei ihm anfragte, zögerte er keine Sekunde. "Kiel, das ist gerade für einen Schweden ein Traum." Außerdem seien gerade Torhüter gefordert, sich im Kopf immer wieder neu motivieren zu können. "Damit werde ich jetzt bestimmt keine Probleme haben", meint Gentzel, den eine schmerzhafte Gürtelrose in der Vorbereitung handicapte. Seine Rolle in der THW-Hierarchieist für ihn klar. "Egal, wer mit Thierry Omeyer in einer Mannschaft ist, er ist immer die Nummer zwei. Von ihm kann ich auf meine alten Tagen vielleicht sogar noch etwas lernen."

Gentzel weiß aber auch, dass sie sehr unterschiedliche Torhütertypen sind und deshalb wird er schon aus taktischen Gründen seine Einsätze bekommen wird. "Für die Mannschaft ist es gut, dass wir so verschieden sind." Eines haben sie aber gemeinsam - sie sind beide besondere Könner ihres Fachs.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 07.09.2009)


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