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So frei wie Wolfgang Strobel kamen die HBW-Spieler selten zum Wurf.
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HBL |
Der THW Kiel hat sich auch von der HBW Balingen-Weilstetten nicht stoppen lassen:
Am Mittwochabend gewannen die Zebras ihr siebtes Saisonspiel in der
TOYOTA Handball-Bundesliga und arbeiteten damit weiter an ihrem eigenen
Bundesliga-Rekord: Nur noch ein Sieg fehlt den Kielern, um die vereinseigene Bestmarke
von 13:1-Startpunkten aus der Saison 97/98 zu übertreffen. In der ausverkauften
Balinger Sparkassen-Arena hatten die Zebras 20 Minuten lang gegen
aufopferungsvoll kämpfende Gastgeber Schwerstarbeiten zu verrichten, ehe sie bis
zur Pause einen Sechs-Tore-Vorsprung heraus warfen. In der zweiten Halbzeit verkürzte HBW zwischenzeitlich
noch einmal auf drei Tore, wirklich in Gefahr geriet der THW aber nicht mehr. Am Ende
feierten die Schwarz-Weißen einen weiteren Kantersieg. Beim 31:21 (17:11) waren
Daniel Narcisse und
Momir Ilic
mit je sechs Treffern erfolgreichste Zebras,
Marcus Ahlm netzte
fünf Mal ein.
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Ausverkaufte Arena in Balingen.
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THW-Trainer
Alfred Gislason verzichtete in der proppenvollen Balinger Sparkassen-Arena auf die
angeschlagenen
Henrik Lundström und
Aron Palmarsson.
Wieder in den Kader zurück kehrte indes
Kim Andersson: Der
Schwede, zuletzt als "Ersatz-Coach" für den in der Champions League für ein Spiel
gesperrten
Gislason auf der Bank, begann in einer Zebra-Herde,
die den Balingern zunächst mit einer 5-1-Deckung den Zahn ziehen wollte.
THW früh in Führung
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Die Kieler Deckung agierte sehr aufmerksam. Hier wird Alexandros Alvanos von einem
THW--Trio gestoppt.
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Dieses Unterfangen dauerte jedoch lange: Wie so oft in der Vergangenheit ging es hektisch
zu. Ballverluste, technische Fehler und Fouls hüben und drüben bestimmten die erste Halbzeit.
Nach der schnellen Kieler 2:0-Führung durch einen Siebenmeter von
Momir Ilic
und einen Gegenstoß von
Daniel Narcisse kämpften sich
die Gastgeber ins Spiel. Nach acht Minuten glichen die Gastgeber zum 3:3 aus - die HBW-Fans
erwachten aus ihrer Kiel-Starre. Doch anders als in den Jahren zuvor behielt der THW die
Ruhe und ließ sich nicht aus seinem Konzept bringen.
Sprenger
erzielte zunächst nach einem feinen
Andersson-Pass,
Kim spielte den Ball hinter dem Rücken weiter zu
Sprenger, das 6:4, wenig später legte der Rechtsaußen das 7:5 (12.)
nach. Die Tempohatz dieser Phase - sieben Tore fielen zwischen der 9. und 13. Minute auf beiden
Seiten - sah den THW nach der feinen Einzelleistung von
Narcisse auch beim
8:6 noch mit zwei Toren in Front.
Balingen bleibt dran
Auch die erste Zwei-Minuten-Strafe gegen
Sprenger, der sich innerhalb
weniger Sekunden erst die Gelbe Karte und dann die Zeitstrafe abholte, änderte nichts am THW-Spiel: Der an den
Kreis eingelaufene Klein markierte das 10:8 in Unterzahl. Nach Königs Anschlusstreffer
markierte
Filip Jicha, der zwischenzeitlich auch die Spitze der
5-1-Abwehr von
Narcisse übernommen hatte, das 11:9. Dem ließ
Christian Zeitz einen Hammer zum 12:9 folgen - ein Tor, das weh tat.
Balingens Trainer Rolf Brack nahm die Auszeit, und
Zeitz ließ sich an der
Schulter behandeln. Kurz nach dem Time-Out markierte Gutbrod mit einem abgefälschten Wurf
den 11:12-Ascnhlusstreffer für die Balinger (25.).
THW überrollt die Gastgeber bis zur Pause
Das sollte der Startschuss für die Halbzeit-Schlussoffensive der Gastgeber sein - doch
der THW ließ es dazu nicht kommen.
Omeyer nagelte seinen Kasten zu,
die Abwehr ging offensiv zwischen die Angriffszüge, und die HBW-Spieler machten die erzwungenen
Fehler: Bis zum Pausenpfiff blieben die Gastgeber ohne Torerfolg, die Zebras galoppierten davon:
Andersson mit der zweiten Welle und
Narcisse
nach seinem Steal per Tempogegenstoß trafen. Dann schnappte sich
Klein
einen Kempa-Trick-Versuch der Balinger und schickte
Ilic zum 15:11, der
nach einem Sauer-Fehler wenige Sekunden später die Führung gar auf 16:11 ausbaute. Elf Sekunden
vor der Pause erhöhte
Ahlm sogar noch auf 17:11 - eigentlich hätten
die Kieler zufrieden in die Kabine gehen können. Doch
Sprenger holte
sich kurz vor dem Pfiff noch seine zweite Zeitstrafe ab - eine Hypothek in der hitzigen Atmosphäre
am Rand der Schwäbischen Alb.
HBW schöpft Mut
Konzentriert begann der THW auch die zweiten dreißig Minuten. Bis auf acht Tore bauten sie
den Vorsprung aus (21:13, 36.). Dann brachten Herth und Strobel die HBW wieder auf das Pausenniveau,
zudem handelte
Ahlm sich eine Zeitstrafe an.
Herth verwandelte den fälligen Siebenmeter zum 16:21 (39.). Dann begannen die Minuten
des Frank Ettwein: Die HBW-Kultfigur, von den Gegenspielern wegen seiner harten Gangart gefürchtet,
schnappte sich einen Pass von
Jicha und spurtete zum 17:21, die
Gastgeber und ihre Fans schöpften neuen Mut, der von
Ilic und
Jicha zunächst ein wenig eingedämmt wurde. Dann traf Alvanos zum 18:23,
Zeitz machte einen Schrittfehler. Im Gegenzug
tunnelte Ettwein
Omeyer von Außen zum 19:23, als Alvanos dann
mit einem Hammer-Hüftwurf das 20:23 erzielte, war Balingen wieder in Schlagdistanz.
Die Halle tobte und puschte ihr Team -
Gislason zog den grünen
Auszeit-Karton, um die Gemüter zu beruhigen.
Balingen urplötzlich wieder da
Tobias Reichmann wurde ins Geschehen geschickt, und
Zeitz
legte den Ärger über unnötige Spannung
in einen Gewaltwurf zum 24:20. Dann schnappte sich die THW-Defensive einen Balinger Wurf,
eiskalt verwandelte
Jicha den Gegenstoß zum 25:20. Den Gastgebern versagten
die Nerven, sie leisteten sich einen erneuten Ballverlust. Und wieder war es
der Weltklasse-Tscheche im Dress des THW, der die Situation erkannte, sich an den Kreis
durchtankte und zum 26:20 traf (51.). Drei Minuten gönnten die Kieler den Balingern den
Glauben an eine weitere Sensation. So schnell die Euphorie bei HBW aufgekommen war, so schnell
hatten die Zebras diese auch wieder erstickt.
Klein beendete
mit dem 27:20 (52.) alle Zweifel
an einem Kieler Erfolg, der gegen nun resignierende Gastgeber doch noch in einem Kantersieg mündete.
Mit einem Kempa-Trick,
Klein hatte
Reichmann
bedient, beendete der THW die harte Auswärtstour zum südlichsten Verein der Liga. Diese
endete versöhnlich: Die heißblütigen Balinger Fans verabschiedeten auch den THW mit Szenenapplaus,
ihrer eigenen Mannschaft dankten sie für einen beherzten, kämpferisch starken Auftritt.
Montpellier vor der Brust
Jetzt gilt alle Konzentration der Kieler wieder der europäischen Königsklasse: Am kommenden Sonntag
kommt es zum Spitzenspiel gegen den französischen Meister Montpellier HB. Ein echter Härtetest der
noch jungen Saison. Es ist aber auch das Spiel der Rückkehr:
Nikola Karabatic
und
Vid Kavticnik werden erstmals nach ihrem von einem medialen
Getöse begleiteten Abschied aus Kiel bei einem Pflichtspiel die Platte der Sparkassen-Arena in Kiel
betreten.
(Christian Robohm)
Bitte lesen Sie auch
HBW-Trainer Dr. Rolf Brack:
Wir haben eine 3:2:1-Abwehr gespielt,
wir hatten aber nur zwei Tage Zeit, diese intensiv zu üben.
Meine Spieler waren teilweise mit dieser Abwehrvariante
überfordert. Der THW hat immer Überzahl auf der
Ballseite geschaffen. Wir hatten zudem 18 technische Fehler,
das waren durchschnittlich viel mehr als sonst in den Spielen.
Durch die vielen Krankheitsausfälle haben alle Spieler an der
physischen Grenze gespielt. Wir hatten in Halbzeit zwei einen 5:0-Lauf,
aber dann waren wir zu unclever und haben unnötige Zeitstrafen kassiert. Diese
Defizite führten dann zur Niederlage. Danke für die Komplimente
an Alfred (siehe unten), die gebe ich gerne zurück.
Die Gedanken an die 37:39-Niederlage waren da, aber ich bin schon
so lange Trainer: Hier haben es alle Mannschaften immer wieder schwer zu spielen.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir jemals so viele technische Fehler gemacht
haben. Es waren insgesamt 15 an der Zahl. Die wurden erzwungen durch
die gute Balinger Abwehr. In Halbzeit zwei stand das Spiel auf der Kippe,
auch deshalb bin ich zufrieden mit dem Sieg, der
aber viel zu hoch ausgefallen ist.
THW-Linksaußen Dominik Klein gegenüber Sport1:
Wir wussten aus den vergangenen Jahren, dass es hier heiß her geht. Am meisten freut sich unser
Sportausrüster Adidas, denn wegen der aggressiven Balinger Deckung benötigen wir immer
einen Satz neuer Trikots.
Aber wir haben auch ganz gut dagegen gehalten und so das Spiel nach Hause gebracht.
Hier muss man Geduld zeigen, einen kühlen Kopf bewahren. Das haben wir gemacht und
so auch verdient gewonnen.
Derzeit haben wir einen sehr guten Lauf, wir spielen immer Vollgas.
HBW-Spieler Fabian Gutbrodt:
Man hat gesehen, dass wir ganz gut mitgehalten haben, wenn wir am Maximum gespielt haben.
Aber der THW ist eben zwei Mal mit Weltklasse besetzt, da ist es schwierig,
das 60 Minuten durchzuhalten. Wir müssen trotzdem nicht unzufrieden sein.
Schlinger hat uns gefehlt, er hätte uns heute helfen können. Aber damit müssen wir klar kommen.
Hier ist eine Atmosphäre wie beim Spiel Flensburg gegen Kiel,
wir haben ein tolles Spiel gesehen. Balingen hat
die Klasse, hier noch einige Mannschaften zu schlagen.
Zum THW: Wir hatten im vergangenen Jahr zu viele Ausfälle zu verkraften,
aber jetzt jammern wir nicht mehr. Jetzt haben wir über
60 Minuten die Möglichkeit, alles zu kompensieren.
- HBW Balingen-Weilstetten:
-
Ziemer (13.-52., 5 Paraden),
Puhle (1.-13., 52.-60., 3 Paraden);
König (1),
Herth (4/1),
Sauer (2),
Keinath (1),
Foth,
Ettwein (2),
Strobel (3),
Wessig
Häfner (1),
Bürkle,
Alvanos (4),
Gutbrodt (3);
Trainer: Brack
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-60., 10 Paraden),
Palicka (n.e.);
Andersson (1),
Dragicevic (n.e.),
Sprenger (3),
Ahlm (5),
Kubes (n.e.),
Reichmann (1),
Zeitz (2),
Narcisse (6),
Ilic (6/3),
Klein (3),
Jicha (4);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Martin Harms / Jörg Mahlich
- Zeitstrafen:
-
HBW: 4 (Wessig (20.), Forth (24.), Keinath (31.), Strobel (34.));
THW: 3 (2x Sprenger (18., 30.), Ahlm (39.))
- Siebenmeter:
-
HBW: 2/1 (Omeyer hält Herth, der den Nachwurf verwandellt (8.));
THW: 3/3
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:2 (4.), 2:4, 4:4 (10.), 4:6, 6:9 (16.), 9:10 (19.), 9:12 (23.), 11:12 (25.), 11:17 ;
2. Hz.: 11:18, 12:19 (34.), 13:21 (36.), 17:21 (41.), 17:23 (43.), 20:23 (47.), 20:27 (52.),
21:28 (54.), 21:31.
- Zuschauer:
-
2239 (ausverkauft) (SparkassenArena, Balingen)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 06.10.2011:
"Zebras" waren viel zu abgezockt
Kieler nach 31:21 in Balingen weiter auf Rekordkurs
Balingen. Das zweite Handball-Wunder nach 2009 blieb aus, Rekordmeister
THW Kiel nahm die Hürde bei HBW Balingen gestern
Abend in der mit 2350 Zuschauern bis unters Dach gefüllten Sparkassen-
Arena mit dem am Ende zu hohen 31:21 (17:11)-Sieg sicher,
baute seine Bundesliga-Tabellenführung auf 14:0 Punkte aus und
könnte - ein Erfolg am 12. Oktober in Großwallstadt vorausgesetzt -
den bisherigen Vereinsrekord von 15:1 Zählern knacken.
Die Gastgeber hatten Premiere, kassierten
nach Siegen über Gummersbach und Hannover ihre erste Heimniederlage,
machten es dem Favoriten aus dem hohen Norden aber erneut
sehr schwer. "Wir wollten alles geben, vor allem in der Abwehr", sagte Balingens
"Oberkämpfer" Frank Ettwein, wie gewohnt in schweißnassem
Trikot. Dass es nicht zur Überraschung reichte, der THW im elften
Aufeinandertreffen den zehnten Sieg feierte, führte Ettwein auf "die abgezockte
Spielweise der Kieler" zurück.
"Die haben sich auch in engen Situationen
nie aus der Ruhe bringen lassen."
Das legendäre Weltpokalsiegerbesieger-T-Shirt der St-Pauli-Fans steht
in abgewandelter Form auch in der Balinger Sparkassen-Arena hoch im
Kurs. "HBW - THW 39:37" prangt in goldenen Buchstaben auf jenen
schwarzen Hemden, die von der "harten" Anhängerschaft so stolz getragen
werden wie ein Sonntagsanzug. Das Ergebnis erinnert an den sensationellen
Sieg der Halbprofis vom 23. Dezember 2009. Eine Wiederholung der
kleinen Revolution des Außenseiters hatte Trainer Dr. Rolf Brack im Vorfeld
mit dem Hinweis, dass inzwischen ein ganz anderer THW "mit einer
unglaublichen Entwicklung" die Bundesliga beherrsche, abgetan. Außerdem,
so Brack, habe der "Bayern-München-Effekt" auch Kiel erreicht.
"Nach dem Verlust des Titels sind die Spieler noch heißer, noch teamorientierter."
Wenig Chancen räumte auch
Ex-"Zebra" Daniel Wessig, der im Februar
aus Coburg in den Zollernalbkreis gewechselt war, seinem neuen
Club ein. "Meine ehemaligen Jungs haben einen unfassbaren Lauf, außerdem
müssen wir improvisieren, haben einige Verletzte und Kranke", erklärte
der 23-Jährige. Vier Stammspieler fehlten Brack, kurz vor der Partie
meldete sich auch noch Rechtsaußen Wilke mit einer Grippe ab. Komplette
Besetzung hatte aber auch der THW nicht dabei.
Aron Palmarsson (Oberschenkelzerrung)
und Henrik Lundström
(Wade) waren in Kiel geblieben.
Balingen gegen Kiel also mit völlig anderen Vorzeichen? Nun, immerhin
war die Schiedsrichterbesetzung eine Konstante. Martin Harms und Jörg
Mahlich hatten das Balinger "Spiel des Jahres" auch 2009 geleitet. Parallel
zu diesem Duell verliefen die ersten Minuten gestern. Kiels Rückraum
musste Schwerstarbeit leisten gegen die gewohnt offensive Balinger Deckung,
musste um seine Tore kämpfen. Zäher Widerstand kam auch von
den Rängen, der Geräuschpegel der Sparkassen-Arena ließ die Balken erzittern.
Doch mit stoischer Gelassenheit spulten die "Zebras" ihr Pensum
herunter, agierten selbst mit einer offensiven Abwehr, zumeist mit
Daniel Narcisse als Speerspitze. Der Franzose
überzeugte in der Abwehr, "klaute" Bälle, düpierte Balingens Hinterreihe
mit seinem unnachahmlichen "Wackler".
Sechs Tore hatte Narcisse am Ende
auf seinem Konto, er war einer der
Matchwinner im Team und ließ sich auch von einer blutenden Fleischwunde
nach Zusammenstoß mit Jens
Bürkle nicht beeindrucken.
Erstmals schüttelten die "Zebra" ihren zähen Gegner Ende der ersten
Halbzeit ab, auch weil Momir Ilic (8) erneut treffsicher war,
Marcus Ahlm
(5) am Kreis schuftete und traf. 17:11 stand es beim Wechsel, laut wurde es
dann, als Kiels 21:13-Vorsprung in der 46, Minute auf 23:20 geschrumpft war.
Die Auszeit von Trainer Alfred Gislason
folgte zur rechten Zeit, die "Zebras" nahmen ihren Rhythmus wieder
auf, und als Dominik Klein in der 52. Minute zum 27:20 traf, war's gelaufen.
"Wir haben den erwarteten Kampf angenommen", sagte Kapitän Ahlm
und schnaufte. "Es gab eine schwere Phase, aber wir haben sie gemeistert."
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 06.10.2011)