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Sicherer Siebenmeterschütze: Niclas Ekberg traf sechs Mal von
der Strafwurflinie.
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Angela Grewe |
Mit einem letztlich deutlichen 37:25 (18:14)-Sieg bei TuSEM Essen hat der THW Kiel
zwei weitere Punkte in der DKB Handball-Bundesliga eingefahren und
ist auf Platz zwei der Tabelle vorgerückt. Allerdings hatten die
Kieler vier Tage nach dem Kräfte zehrenden
Spiel bei MKB Veszprem
in Ungarn lange Zeit hart zu kämpfen, um den Aufsteiger auf Distanz zu halten.
Ein 5:0-Zwischenspurt zwischen der 43. und 47. Minute brach dann aber entgültig den Widerstand
der Gastgeber. Bester Torschütze der "Zebras", die nach einer Roten Karte 41 Minuten
lang auf ihren Torhüter
Thierry Omeyer sowie komplett auf den
verletzten
Aron Palmarsson verzichten mussten, war
Niclas Ekberg mit sieben Treffern. Sechs davon erzielte der
Rechtsaußen bei sechs Versuchen vom Siebenmeterstrich - eine hundertprozentige Strafwurf-Quote.
THW-Trainer
Alfred Gislason setzte in der mit 2.600 Zuschauern
ausverkauften Sporthalle "Am Hallo" zunächst auf die beiden Neuzugänge auf der
rechten Seite:
Niclas Ekberg und
Marko Vujin
durften von Beginn an ran. Die ersten Akzente setzte jedoch der Gastgeber: Durch Treffer von
Rahmel, letztlich mit sieben Toren bester Essener Werfer, und Pieczkowski ging TuSEM mit 2:0 in Führung.
Drei Minuten dauerte es, bis der THW zum ersten Mal traf:
Marcus Ahlm und
Dominik Klein beendeten die Torflaute mit einem Doppelschlag,
dem
Daniel Narcisse und
Niclas Ekberg
zwei weitere Tore folgen ließen. Essen ließ sich davon aber nicht schocken und kam wenig später
wieder zum Ausgleich. Zwischen der zehnten und 13. Minute nahm die Partie dann richtig Fahrt auf. Insgesamt
sieben Mal zappelte der Ball in diesen 180 Sekunden in beiden Tornetzen - am Ende dieser Express-Fahrt
führten die "Zebras" nach einem
Vujin-Treffer mit 10:8.
Rot für Thierry Omeyer
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Rote Karte: Thierry Omeyer musste nach 19 Minuten vom Feld.
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Angela Grewe |
Klein erhöhte kurz darauf auf 11:8, doch THW-Trainer
Alfred Gislason
war mit dem Gezeigten trotzdem nicht zufrieden: Auch aufgrund der vielen Fehler nahm er
bereits nach 15 Minuten eine Auszeit.
Rahmel verkürzte - und wenig später stand der
Rechtsaußen der Essener wieder im Mittelpunkt des Geschehens: Auf dem Gegenstoß-Weg zum 10:11 prallte
er mit dem aus seinem Kasten geeilten
Omeyer zusammen, was das
Schiedsrichter-Gespann mit einer roten Karte für den Kieler Franzosen ahndete.
Andreas Palicka
ging zwischen die Pfosten, konnte aber den fälligen Siebenmeter von Breuer nicht entschärfen: Nach 20 Minuten
waren die Gastgeber beim 10:11 wieder dran am Rekordmeister.
Jicha
traf in Unterzahl zur neuerlichen Zwei-Tore-Führung und legte wenig später das 13:10 nach.
Gislason gönnte
Vujin eine Verschnaufpause,
die
Christian Zeitz zu einem wuchtigen Treffer zum 14:11 (24.) nutzte.
Das Tor des Linkshänder läutete die bis dato stärksten Kieler Minuten ein:
Momir Ilic,
Zeitz und
Ahlm trafen zum 18:14-Halbzeitstand.
Zwischenspurt sorgt für Entscheidung
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"Air France": Daniel Narcisse traf erneut aus luftiger Höhe.
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Angela Grewe |
Kurz nach dem Seitenwechsel traf Böhm zum 15:18, die Kieler verschliefen den Neustart hingegen komplett:
Fünf Minuten dauerte es, bis
Niclas Ekberg mit einem Siebenmeter den
starken Kuhlanek im Essener Tor erstmals in der zweiten Halbzeit überwinden konnte - der Treffer kam
zur richtigen Zeit, denn die Gastgeber hatten zuvor zum 16:18 verwandelt und schnupperten wieder am
Ausgleich.
Gislason setzte nun in der Abwehr auf
Patrick Wiencek,
der sich mit
Vujin die Spielzeit teilte. Zunächst überstanden die Kieler
eine Unterzahl-Situation,
Jicha musste für zwei Minuten von draußen zuschauen,
schadlos:
Klein verwandelte einen Gegenstoß sogar zum 20:16 (37.),
wenig später ließ es
Zeitz zum 21:17 ansatzlos krachen. Weil
Klein erneut traf, wuchs die Kieler Führung Stück für Stück auf
fünf Tore an. Die Entscheidung läutete
Daniel Narcisse mit einem feinen
Wackler zum 24:19 ein: Sechs Minuten lang zauberten die Gäste von der Förde nun, kassierten keinen
Gegentreffer und machten mit einem 5:0-Lauf alles klar.
Sprenger von Außen und mit
einem Gegenstoß,
Ekberg von der Strafwurflinie und
Narcisse aus luftiger Höhe ließen die
"Zebras" von 23:19 auf 28:19 davonziehen.
THW am Mittwoch in Leipzig
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Müde, aber glücklich: Gemeinsam mit ihren Fans freuten sich die "Zebras" über den Auswärtssieg.
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Angela Grewe |
Als Pieczkowski zwölf Minuten vor dem Ende zum 20:28 traf, wurde bei den Essenern nur noch verhalten
gejubelt: Die Spieler des Aufsteigers wussten, dass sie keine Sensation mehr schaffen würden. Stattdessen
machten die Kieler nun kurzen Prozess und nutzten die letzten zehn Minuten, um einen letztlich doch deutlichen
Sieg herauszuwerfen.
Mit nun 15:1 Punkten ist der THW bis auf einen Zähler an
die Tabellenspitze der DKB Handball-Bundesliga heran gerückt.
Am kommenden Samstag können die "Zebras" mit einem Sieg im
Spitzenspiel beim HSV Hamburg erstmals selbst vorlegen und
die Tabellenführung übernehmen. Zuvor sind die Kieler aber
noch im
DHB-Pokal gefordert,
Auftaktgegner des THW ist der ambitionierte Zweitligist
SC DHfK Leipzig. Der Anwurf in der mit 5.800 Zuschauern
ausverkauften Arena Leipzig erfolgt um 19.30 Uhr, Sport1
überträgt die Partie live und kostenpflichtig im Internet.
Hier geht's zu weiteren Fotos vom Spiel...
Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht aus den Kieler Nachrichten.
Ich bin froh, dass wir dieses Spiel gewonnen haben. Essen hat
in der ersten Halbzeit gut in der Deckung und mit einem starken
Torhüter gespielt. Die erste Halbzeit war nicht das, was wir uns erträumt hatten,
aber ich muss anerkennen wie TuSEM Essen in der ersten Halbzeit gespielt hat.
Bei uns habe ich die richtige Einstellung vermisst:
Wir haben nicht das gespielt, was wir uns vorgenommen haben, und versucht,
mit halber Kraft zum Erfolg zu kommen. Zum Glück wurde es nach der Pause besser.
Sicher lag es auch daran, dass wir die besseren Auswechselmöglichkeiten hatten als TuSEM.
Essens Trainer Maik Handschke:
Ich bin mit der ersten Halbzeit zufrieden. Wir haben Tempo gemacht, unsere
Abwehr war mit Torhüter sehr gut. Vorne haben wir unsere Chancen geduldig
herausgespielt. In der zweiten Halbzeit schwanden dann die Kräfte.
Ein bis zwei Fehlwürfe entstanden durch die fehlende Konzentration.
Wir können erhobenen Hauptes aus der Partie gehen.
THW-Rückraumspieler Filip Jicha gegenüber Sport1:
Das Resultat ist viel zu hoch ausgefallen.
Es zeigt nicht, wie schwer dieses Spiel war und wieviel Kraft es gekostet hat.
Die Essener haben tollen Handball gezeigt und eine tollen Fight geboten - das habe ich mehrmals
im Spiel zu spüren bekommen.
Ich bin froh, dass die Partie vorbei ist und dass wir unseren sechtägigen Trip hinter uns haben -
jetzt können wir uns erstmal einen Tag ausruhen, das braucht jeder für seinen Kopf, um den Handball
und den Stress heraus zu bekommen. Am Dienstag gibt es dann das Abschlusstraining für Leipzig.
In Leipzig müssen wir hellwach sein und richtig aufpassen, und zu dem dann folgenden Spiel am
Wochenende in Hamburg muss ich nicht mehr viel sagen. Das wird ein Spitzenspiel mit allem Drum und Dran.
Ich freue mich auf dieses Handball-Spektakel.
TuSEM-Mittelmann Fabian Böhm gegenüber Sport1:
Es ist unglaublich schwer gegen solch eine Mannschaft, man muss um jedes Tor kämpfen.
30 bis 40 Minuten haben wir das total gut gemacht, aber hinten raus fehlte uns die Kraft.
Es ist schwer für uns, von Niederlage zu Niederlage zu gehen, aber wir werden
trotzdem weiter jede Woche alles geben.
- TuSEM Essen:
-
Kulhanek (1.-46., 15 Paraden),
Bliß (46.-60., 2 Paraden),
Vukas (1 Siebenmeter, 0 Paraden);
Böhm (6),
Kühn,
Leenders,
Pieczkowski (3),
Seidel,
Breuer (5/4),
Lindt (1),
F. Handschke (2),
Rahmel (7),
Kropp (1);
Trainer: M. Handschke
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-19., 1 Parade),
Palicka (19.-60., 11 Paraden);
Toft Hansen (n.e.),
Sigurdsson (n.e.),
Sprenger (2),
Ahlm (3),
Wiencek (2),
Ekberg (7/6),
Zeitz (3),
Narcisse (3),
Ilic (2),
Klein (5),
Jicha (5),
Vujin (5);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Lars Schaller / Tobias Küsters
- Zeitstrafen:
-
Essen: 2 (Kühn (19.), Handschke (44.));
THW: 2 (Jicha (36.), Wiencek (54.))
- Rote Karte:
-
THW: Omeyer (19.) nach grobem Foulspiel
- Siebenmeter:
-
Essen: 4/4;
THW: 6/6
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 2:0 (2.), 2:1 (3.), 2:4 (6.), 4:4 (7.), 5:5, 5:7, 7:8 (11.), 8:9, 8:11 (15.), 10:11 (19.),
11:12, 11:14 (23.), 11:15 (26.), 13:16 (29.), 13:18 (30.), 14:18;
2. Hz.: 15:18 (31.), 16:18 (34.), 16:19 (35.), 16:20, 17:21 (38.), 19:23 (43.), 19:28 (47.), 20:28, 20:31 (50.),
23:33, 24:34, (54.), 25:37.
- Zuschauer:
-
2.600 (ausverkauft) (Sporthalle "am Hallo", Essen)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 22.10.2012:
Müder THW wurde erst auf der Zielgeraden munter
Tabellenschlusslicht Essen hielt beim Kieler 37:25-Sieg lange dagegen - Rot für Omeyer
Essen. Das hatte sich der THW Kiel vor 2300 Zuschauer
in der ausverkauften Sporthalle "Am Hallo" leichter vorgestellt.
Beim Bundesliga-Letzten, dem TuSEM Essen, setzte sich der
Handballmeister gestern Nachmittag erst eine
Viertelstunde vor dem Ende ab, um dann noch deutlich mit 37:25 (18:14)
zu siegen. Mit 15:1 Punkten festigte der THW
Platz drei.
Die Gastgeber waren von vielen Experten als Zwischenmahlzeit
für die "Zebras" eingestuft worden. Kein Wunder, hatte der Aufsteiger doch seine
ersten acht Spiele im Oberhaus verloren - und das mit durchschnittlich acht Toren
Differenz. Doch gegen den hohen Favoriten hatte das Team
von Maik Handschke nichts zu verlieren, keine zitternden
Hände, keine flatternden Nerven. Gegen Kiel, so der Gedanke
der Chancenlosen, könnten sie sich endlich einmal ungerührt
von ihrer frechen Seite zeigen. Und das taten sie. Als
Fabian Böhm mit einem Kempa-Trick auf 7:8 (16.) verkürzte,
sammelte Trainer Alfred Gislason ("Halbe Kraft reicht
eben nicht") seine offensive
Deckung ein. Drei Tage nach der
30:31-Niederlage beim ungarischen Meister MKB Veszprem
in der Champions League fehlte seiner Mannschaft die geistige Frische, um auf
müden Beinen und mit leeren Köpfen eine solide 5:1-Abwehr
zu präsentieren.
Auch im Angriff taten sich die Kieler gegen leidenschaftlich
kämpfende Hausherren schwer, erarbeiten sich jedes Tor sehr mühsam. Erst kurz
vor der Pause hatten die "Zebras" sich erstmals ein Vier-Tore-Polster (15:11/26.) auf den
Turn- und Sportverein Essen-Margarethenhöhe (TuSEM)
erarbeiten können, der in Jan
Kulhanek einen starken Rückhalt hatte.
Zu diesem Zeitpunkt mussten die Gäste bereits auf Thierry Omeyer
verzichten, der in der 19. Minute eine Rote Karte erhalten hatte, als er den heranstürmenden
Ole Rahmel außerhalb seines Torkreises auflaufen ließ. "Ich bin plötzlich
gegen eine orange Wand geknallt, das war ein Schock
für mich", sagte der siebenmalige Torschütze. "Das war von
ihm aber sicher nicht böse gemeint."
Er habe darauf spekuliert, den hohen Ball auf den
Außen abfangen zu können, sei dabei allerdings einen Schritt
zu spät gekommen, sagte der Franzose. Die diesbezügliche
Regel ist sehr umstritten, die Schiedsrichter legten sie aber
korrekt aus.
Auch ohne Omeyer setzten sich die Kieler im zweiten
Durchgang allmählich ab, zu groß war der individuelle Unterschied
zwischen den Weltstars aus dem Norden und der
jungen Rasselbande aus dem Ruhrpott, dessen Star Toon Leenders heißt. Ein Kreisläufer,
der 25 Länderspiele für die Niederlande bestritten hat.
Ein Verdienst auch von Niclas Ekberg, der die jüngste
Siebenmeter-Seuche beendete und alle sechs Strafwürfe verwandelte.
Für viele Kieler war die Reise nach Essen auch eine in die
Vergangenheit. Gislason wurde hier als Spieler zweimal
Meister, Gudjon Valur Sigurdsson
feierte mit Essen vor sieben Jahren den letzten großen
Erfolg, als der TuSEM in einem dramatischen EHF-Pokal-Finale den SC Magdeburg
besiegte. Patrick Wiencek
spielte im rot-weißen Dress so gut, dass der VfL Gummersbach
ihn verpflichtete. Und auch für Filip Jicha ("Essen
hat uns einen tollen Kampf geliefert, das durfte ich persönlich
einige Mal sogar sehr intensiv spüren") hat diese
Sporthalle eine besondere Bedeutung. In einem Länderspiel
gegen Deutschland spielte der damals 20-Jährige so gut auf,
dass ihn Spielerberater Jochen Bergener sofort unter Vertrag
nahm und nach St. Gallen vermittelte. "Damals war er noch
ein Riesenbaby. Aber eines, das bereits einen unglaublichen
Wurf hatte."
Der THW baute seine beeindruckende Serie in der Bundesliga
damit weiter aus. Unbesiegt seit Mai 2011, der 44.
Sieg im 45. im Spiel. Auf eine härtere Probe wird der Rekord
am Sonnabend gestellt, dann erwartet der HSV Hamburg
den Meister (15 Uhr).
(von Kerstin Börß und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 22.10.2012)