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29.08.2012 Bundesliga

Zebra-Journal: Einmal Regionalliga und zurück

TuSEM Essen feiert sieben Jahre nach dem Absturz die Wiederauferstehung

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 25.08.2012:

Das Team von TUSEM Essen.
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Irgendwann waren die "jungen Wilden" einfach nicht mehr zu bremsen. "Nie mehr zweite Liga", schmetterten die Handballer vom TuSEM in einem Irish Pub in der Essener Innenstadt, als ihr sensationeller Aufstieg in die Bundesliga endgültig perfekt war. Das war am 6. Mai (siehe Bericht), sechs Jahre und 364 Tage nach dem 31:22-Triumph im zweiten Endspiel um den EHF-Pokal in Oberhausen über den SC Magdeburg, der das erste Finale mit 30:22 gewonnen hatte.
Die grandiose Aufholjagd mit Happyend war der vorerst letzte Europapokal-Auftritt des Traditionsvereins von der Margarethenhöhe. Denn am 9. Juni 2005 wurde Klaus Schorn, dem ehemaligen "Mister TuSEM", durch den HBL-Vorsitzenden Bernd-Uwe Hildebrandt der Zwangsabstieg in die Anonymität der Drittklassigkeit schriftlich mitgeteilt.

Das Lebenswerk des mächtigen Managers wurde nach drei deutschen Meisterschaften, drei DHB-Pokalsiegen, dem Gewinn des Europapokals der Pokalsieger, des Euro-City-Cups zerstört. 25 Jahre gehörte der Club aus dem Revier, einst Branchenführer zusammen mit dem THW Kiel und dem VfL Gummersbach, der deutschen Renommierklasse an, war exakt 99-mal Bundesliga-Tabellenführer und wurde von Experten oft als der "FC Bayern des Handballs" bezeichnet.

Am Ende zählten nicht mehr die Tradition, die Verdienste, die Seilschaften - wenn die Finanzen nicht stimmen, wenn das Vertrauen verloren gegangen ist. Die Regeln im Handball, im Profisport allgemein, sind knallhart und unumstößlich: Wer kein Geld hat, besitzt keine Perspektive - und erhält erst recht keine Lizenz. Meisterschaften, Europacup-Erfolge - sie spielten keine Rolle, als den Essenern der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Den Todesstoß versetzte ihnen ein Mann namens Georg Weiner, Geschäftsmann aus Oberhausen. Er stieg mit seiner Firma Weinerplan ein, versprach fünf Millionen Euro in zwei Jahren in den Verein zu pumpen. Weiners Versprechungen waren aber nichts weiter als Wortgeklimper. Der vermeintliche Sponsor bezahlte nicht einen Cent - und der TuSEM wurde wegen fehlender Wirtschaftskraft in die Regionalliga verbannt. Schorn hat aus Verbitterung danach kein Spiel der ersten Mannschaft mehr in der Halle besucht.

Sieben Jahre nach dem Absturz ist der TuSEM wieder erstklassig. Alle Erstligisten gratulierten zur Rückkehr, auch Heiner Brand, die Lichtgestalt des deutschen Handballs. "Dass der TuSEM wieder da ist, wo er hingehört, ist gut für die Bundesliga. Essen ist eine Handballstadt mit Tradition, eine Bereicherung für die Liga", freute sich die Gummersbacher Legende über die Rückkehr des Clubs aus dem Revier und fügte hinzu: "Hoffentlich schaffen es die Jungs, in der ersten Liga zu bleiben." Das ist das große Ziel der Essener. Dass das ein schweres Unterfangen ist, weiß auch Trainer Maik Handschke. Aber der ist kein Typ, der vor irgendetwas Angst hat, schon als Kreisläufer ging er dorthin, wo es weh tut. Der 45-Jährige, der in elf Bundesliga-Jahren als Spieler in Düsseldorf, Dormagen, Essen und Gummersbach 332 Spiele bestritt und 8189 Tore erzielte, freut sich auf die Herausforderung in der stärksten Liga der Welt - mit dem jüngsten Team: "Wir haben nichts zu verlieren. In so gut wie jedem Spiel sind wir Außenseiter, was durchaus ein Vorteil sein kann. Der Druck liegt nicht bei uns und so werden wir in jede Partie gehen", erklärt Handschke. Er weiß, dass er keinen Filip Jicha oder andere Stars im Aufgebot hat, doch er ist davon überzeugt: "Wenn sich jeder Einzelne so rasant weiterentwickelt wie in der vergangenen Saison, dann können wir das Wunder schaffen", sagt Handschke. Er setzt dabei auf Teamspirit, Leidenschaft und Begeisterung.

Der gebürtige Schweriner, der Sportliche Leiter Stephan Krebietke und Geschäftsführer Dr. Niels Ellwanger werden sich beim Kampf um den Klassenerhalt nicht auf finanzielle Drahtseilakte einlassen, sondern an ihrem Konzept festhalten, keine teuren Stars zu kaufen. "Es ist und bleibt unsere Philosophie, auf die eigene Jugend zu setzen, wir geben nicht mehr Geld aus, das wir nicht haben", sagt Dr. Ellwanger.

Der Bundesliga-Etat beträgt 1,7 Millionen Euro, knapp 400 000 mehr als in der 2. Liga. Und die sind verplant. Die Eintrittspreise hat der Verein leicht erhöht, es sind dennoch die niedrigsten der Liga. Dr. Ellwanger: "Wir wollen die Fans, die uns in den letzten Jahren so fantastisch unterstützt haben, nicht über Gebühr belasten." Er hat beim Lizenzantrag bei der HBL konservativ mit 1500 Zuschauern pro Heimspiel kalkuliert, hofft aber auf einen Schnitt von 2500. Mit 40.153 Besuchern (2113 pro Heimspiel) war der TuSEM in Liga zwei der Zuschauerkrösus.

"Das zeigt, dass das Interesse am Handball in Essen ungebrochen ist. Das beweist auch der gute Dauerkarten-Vorverkauf", freut sich Krebietke. Der frühere Linksaußen hat den Kader für die neue Saison mit Fabian Böhm (Bergischer HC), dem Holländer Toon Leenders (HSG Nordhorn-Lingen), David Breuer (DHC Rheinland) und Torhüter Ante Vukas (Split) verstärkt. Hinzu kommt Marcus Bouali aus der eigenen Jugend. Der Kader umfasst 16 Spieler. "Ich bin sehr zufrieden mit der Personalplanung", sagt Handschke und fügt hinzu: "Wir wollten die Mannschaft ohnehin nicht völlig umkrempeln. Mit den Neuen habe ich noch mehr Alternativen. Da können wir auf einzelnen Positionen schneller reagieren."

Pavel Prokopec (DHFK Leipzig), Simon Ciupinski (TV Korschenbroich), Daniel Krüger (HSG Schalksmühle) und Paul Trodler (HSG Nordhorn-L.) haben den Aufsteiger verlassen. Geblieben ist Trainer-Sohn Felix Handschke (21), der gemeinsam mit dem Papa im Essener Stadtteil Rüttenscheid wohnt. Vater Maik: "Ich habe ihm und den jungen Spielern gesagt, dass sie die Bundesliga genießen sollen. Auch wenn es hart wird - soviel wie dort kann ein Handballer nirgendwo anders lernen."

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 25.08.2012)


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