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27.08.2012 Mannschaft

Zebra-Journal: Wiencek als Schwarzer-Erbe?

23-jähriges "Zebra" könnte größte Baustelle in der Nationalmannschaft schließen

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 25.08.2012:

Als C-Jugendlicher meldete sich Patrick Wiencek aus der Niederrhein-Auswahl ab: Handball und Schule, das war ihm zuviel geworden.
Klicken Sie zum Vergrößern! Als C-Jugendlicher meldete sich Patrick Wiencek aus der Niederrhein-Auswahl ab: Handball und Schule, das war ihm zuviel geworden.
Als Christian Schwarzer nach der WM 2007 seine Karriere beendete, hinterließ er am Kreis eine große Lücke. Seitdem war in der deutschen Nationalmannschaft keiner in der Lage, sie zu schließen. Mit Patrick Wiencek könnte sich das ändern.
Am Kreis steht derzeit die größte Baustelle. Christoph Theuerkauf ist flink, kann aber keine Sperren stellen und auch nicht decken. Er muss für Oliver Roggisch ausgewechselt werden, der kein Angriffsspieler ist. Zwei halbe Kreisläufer versuchen, was ein Wiencek bald alleine lösen kann. Der blonde Hüne geht mit dieser Rolle unaufgeregt um. Natürlich sei er in seinem Innersten ein wenig nervös gewesen, aber das würde er nicht zeigen, sagte Wiencek, der am Tag nach dem 24:23-Gruppensieg gegen Mazedonien bei der Europameisterschaft in Serbien erstmals von Journalisten umlagert worden war. Der gebürtige Duisburger hatte innerhalb von zwei Minuten zwei wichtige Tore geworfen und dem Team von Martin Heuberger nach der Auftaktniederlage gegen Tschechien den Traum vom Erreichen der Hauptrunde gerettet. Er blickt gelassen aus 2,01 Metern Höhe herab, spricht mit leiser Stimme, sein Handschlag ist ein ganz sanfter. Ehrlich erzählt er eine Geschichte, die für einen Handballer in Deutschland ungewöhnlich ist. Als Quereinsteiger war er vor drei Jahren von Heuberger ins Junioren-Team berufen und prompt Weltmeister geworden. Bis dato war er kaum aufgefallen. Als C-Jugendlicher hatte er sich aus der Niederrhein-Auswahl abgemeldet. Handball, Auswahl, Schule - ihm sei einfach alles zu viel geworden. Vor knapp sechs Jahren verpflichtete ihn der TuSEM Essen, doch eingesetzt wurde der Anlagenmechaniker beim Oberligisten TV Jahn Hiesfeld. Eine Nominierung für die deutsche A-Nationalmannschaft, in der er am 1. Dezember 2009 gegen Weißrussland sein Debüt geben sollte, war da noch eine Fata Morgana. Dann stürzte Essen in die Insolvenz, die Arrivierten flüchteten, und Wiencek rückte nach. Er sollte helfen, den Traditionsclub zu retten. Und er half. So gut, dass der VfL Gummersbach sich für ihn erwärmte und anschließend der THW. Wiencek wird ein außergewöhnliches Talent nachgesagt.

Er würde, so sein einstiger VfL-Kollege Adrian Wagner, in der Deckung immer richtig stehen. Dass er im Mittelblock nicht nur steht, trug ihm den Spitznamen "Bamm-Bamm" ein. Jenes kräftige Kerlchen aus der Vorabendserie "Familie Feuerstein", das sich mit seiner Riesenkeule durch die Steinzeit prügelt. "Wahrscheinlich heiße ich so, weil ich in der Abwehr ziemlich fest zupacke", sagt der 23-Jährige. Wiencek hat stürmische Zeiten erlebt. So schickte ihn VfL-Trainer Sead Hasanefendic aus der Trainingshalle nach Hause, als er erfuhr, dass Wiencek nach Kiel wechseln würde. Und nicht nur das - er suspendierte ihn für drei Monate. "Den ersten Ärger kann ich verstehen", sagt Wiencek. "Die Suspendierung fand ich übertrieben." Sicher, es wäre ein Fehler gewesen, dem THW zuzusagen, ohne mit den VfL-Verantwortlichen gesprochen zu haben. "Aber an der Situation hätte sich nichts geändert. Ich wäre sowieso nach Kiel gegangen." Die ungewollte Freizeit hatte der Formel-1-Fan genutzt, um seinen in Duisburg-Walsum lebenden Eltern bei Renovierungsarbeiten zu helfen. Mit Konsequenzen: Die Bohrmaschine spielte verrückt und verdrehte seine Hand derart, dass er sie sich brach. "Das war unglücklich", sagt Wiencek und wirkt dabei so, als würde er seinem Vater, der Maurer ist, jederzeit wieder auf dem Bau helfen.

Weil die deutsche Nationalmannschaft trotz des wichtigen Sieges gegen Mazedonien lediglich EM-Siebter wurde und die Olympia-Qualifikation verpasste, konnte Wiencek sich ganz auf seinen neuen Verein konzentrieren, bei dem er einen Dreijahresvertrag unterschrieben hat. Er erlebte die Kieler Woche als Tourist und fand in Projensdorf eine Wohnung - Wiencek ist in seiner neuen Heimat schon angekommen.

Das sagt Alfred Gislason:

Er bringt alle Voraussetzungen mit, einmal der beste deutsche Kreisläufer zu werden. Er wird viel lernen müssen, aber seine Einsätze bekommen. Mein Plan ist, alle drei Kreisläufer einzusetzen. Wenn er diese erste Saison für sich richtig zu nutzen weiß, dann halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass er auch in zehn Jahren noch für den THW spielen wird.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 25.08.2012)


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