Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 25.08.2012:
|
Die Überflieger!
©
Susanne Schauer |
Überflieger, Titelhamster, unbesiegbar, beste Mannschaft aller
Zeiten: Die
perfekte Saison, die der THW Kiel am 2. Juni 2012 mit
dem
39:29 gegen den VfL Gummersbach souverän abschloss,
erlaubte dem Team von Trainer
Alfred Gislason jedes erdenkliche
Superlativ. Übertrieben war nichts, gewannen die "Zebras" doch
alles, was es zu gewinnen gab. Jetzt hocken sie erneut in den
Startlöchern, sind in allen Wettbewerben die Gejagten. Keine ungewohnte
Situation, etwas ist jedoch neu: Das Wissen darum,
solch eine Bilderbuchsaison nicht wiederholen zu können.
Schier unglaublich erscheint
die Bilanz der vergangenen
Spielzeit:
Pokalsieg,
Champions-League-Triumph und die
17. Meisterschaft. Letztere dominierten
die Kieler überlegen
wie nie. Nur 30 Spieltage
brauchten sie, um sich die Schale
zu sichern. Nach dem letzten
Spieltag war klar: Die Null
steht. 68:0 Punkte zierten das
Punktekonto. Rekord für die
Ewigkeit. In der Liga begann
man, die erdrückende Überlegenheit
zu fürchten. "Es ist
schon langweilig für den Beobachter,
wenn der Meister so früh
feststeht", sagte Volker Zerbe,
Geschäftsführer des TBV Lemgo,
gegenüber der FAZ. Gespalten
ist die Meinung, die Horst
Bredemeier, Manager von Aufsteiger
GWD Minden, stellvertretend
für andere Kollegen vertritt.
Er könne sich nicht tief genug
verbeugen vor diesem THW,
erklärte er. "Aber dessen Leistung
spricht nicht für all die anderen."
Soll heißen: Ein Serienmeister,
der jetzt auch noch
sämtliche Spiele gewinnt, weil
die Konkurrenz schwächelt,
schadet dem Gesamtprodukt
Handball-Bundesliga.
Die Gefahr besteht, dass diese
Dominanz auf Dauer das Interesse
an der Liga abklingen
lässt. Darauf angesprochen,
gibt sich auch THW-Manager
Klaus Elwardt nachdenklich.
Zwar macht er den Mitkonkurrenten
Hoffnung auf eine ausgeglichenere
Saison. "Angesichts
der Olympischen Spiele und der
daraus resultierenden miserablen
Möglichkeiten, sich mit
den neuen Spielern vernünftig
einspielen zu können, wird es
viel schwieriger." Der THW
spiele einfach ganz normal mit,
erklärt er gönnerhaft. Dennoch
wünscht sich Elwardt eine ähnliche
Attraktion wie sie die Basketball-Bundesliga durch den
Aufstieg des FC Bayern München
"geschenkt" bekam. Das,
so der 56-Jährige, wäre eine
ganz große Nummer, die zu
mehr Aufmerksamkeit für die
beste Liga der Welt führen würde.
Allerdings: Ein FC Bayern
ist im Handball nicht in Sicht.
Den Kieler Überfliegern irgendwelche
Schuldzuweisungen
anzuhängen, wäre natürlich
kompletter Unfug. Vielmehr
steht die Konkurrenz in der
Bringschuld. Immerhin besteht
berechtigte Hoffnung, dass die
Mannschaften an der Spitze enger
zusammenrücken. "Das
wird man nie wieder toppen",
prophezeite schon Kim Andersson,
als er sich mit seinen Teamkollegen
von 20.000 Fans auf
dem Rathausplatz für die Überflieger-Saison feiern ließ. Ein
perfekter Abschluss für Andersson,
der nach der Party seine
Koffer packte und sich nach Kopenhagen
verabschiedete. Er
verließ Kiel aus privaten Gründen,
Frau und Kinder wollten
zurück zur Familie im nahen
Schweden. Doch der neue Job
bei AGK war beendet, bevor er
begonnen hatte. Die Pleite des
Clubs vom ehemaligen
Schmuckhersteller Jesper Nielsen
machte nicht nur Anderssons
Zukunftsplanung zunichte.
Beim THW hinterlässt der
Schwede eine große Lücke. War
er doch mit 225 Saisontoren,
zahlreichen Assists und der für
ihn typischen Spielintelligenz
maßgeblich am "Triple" beteiligt.
Ab sofort wird Marko Vujin
versuchen, in seine Fußstapfen
zu treten. Neben dem Serben
muss der Rekordmeister auch
Patrick Wiencek, Gudjon Valur Sigurdsson
und Rene Toft Hansen
integrieren. Die Olympischen Spiele, die viele "Zebras"
die Sommerpause kosteten,
machten das schwer. Nur sieben
Spieler standen Gislason bei
der Saisonvorbereitung zur
Verfügung. Von den Neuen war
lediglich Wiencek dabei. Rückenwind
bringen allerdings
die beiden Franzosen von den
Olympischen Spielen mit an die
Förde: Daniel Narcisse und
Thierry Omeyer kommen als
Goldmedaillengewinner gut gelaunt
zurück.
So lautet das Saisonziel wie
immer: Meisterschaft. Dass es
von Beginn an spannender werden
könnte, das hält ausgerechnet
der VfL Gummersbach in
Händen. Kiels Abschlussgegner
aus dem Rekordjahr ist auch
Kiels Gastgeber für den Saisonstart
2012/2013.
Bundesliga-Splitter
- Doppelspitze - Die Handball-Bundesliga (HBL)
geht nicht nur mit einem
neuen Sponsor (DKB) in
die neue Saison, sondern
präsentiert sich künftig
auch mit einer Doppelspitze.
Der bisherige Geschäftsführer
Frank Bohmann
arbeitet seit dem 1.
Juli gleichberechtigt mit
Holger Kaiser an der Spitze
der Organisation. Der
47-jährige Kaiser hatte
sich zuletzt bei der SG
Flensburg-Handewitt einen
Namen gemacht und
war zuvor als Sanierer
beim SC Magdeburg erfolgreich.
Holger Kaiser
wird sich bei der HBL vor
allem um die Finanzen und
die Lizenzierung kümmern.
In Flensburg führt
Dierk Schmäschke die Geschäfte
alleine weiter.
- Exot - Bundesliga-Absteiger
Eintracht Hildesheim
machte eine spektakuläre
Verpflichtung, holte sich
einen Grönländer. Angutimmarik
Kreutzmann
heißt der 24-jährige Rückraumspieler.
Ausgestattet
wird der Nordmann mit einem
Jahresvertrag. Er soll
die Eintracht in der Zweiten
Liga mit seinem
schnellen und schnörkellosen
Spiel unterstützen.
- Pech - Der TBV Lemgo
wird sehr lange auf seinen
Rückraumspieler Patrik
Johansson verzichten
müssen. Der 25 Jahre alte
Schwede hatte eine schwere
Schulterverletzung und
wurde operiert.
- Staub - Es sollte eine große
Geschichte werden, das
Handball-Testspiel unter
freiem Himmel am 25. Juli
zwischen den Bundesligisten
SC Magdeburg und
den Füchsen Berlin. Aber
die Geschichte endete
nach wenigen Minuten.
Beide Trainer entschieden,
die Begegnung beim Stand
von 4:4 zu stoppen. Grund
war die zu hohe Verletzungsgefahr.
Da es so heiß
und trocken war, landete
immer wieder Staub auf
der Spielfläche. Die Spieler
rutschten auf dem
Kunststoff-Untergrund
reihenweise aus.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 25.08.2012)