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15./16.01.2012 - Letzte Aktualisierung: 16.01.2012 EM 2012

Deutschland kassiert Auftaktpleite gegen Tschechien

Update #1 KN-Bericht und Stimmen ergänzt ...

Vom 15. bis 29. Januar 2012 findet die EM 2012 in Serbien statt.
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Die deutsche Handball-Nationalmannschaft ist mit einer ernüchternden Niederlage in die Europameisterschaft in Serbien gestartet. Im Duell mit den Tschechen um die THW-Spieler Filip Jicha und Daniel Kubes kassierte das DHB-Team am Sonntagnachmittag in Nis eine 24:27-Pleite. Nach einer desaströsen ersten Halbzeit und zeitweise sechs Treffern Rückstand kämpften sich die Deutschen nach dem Seitenwechsel zwar mehrmals bis auf einen Tor heran, die Wende wollte allerdings nicht gelingen.
In einer hektischen Anfangsphase setzte Tomas Sklelak nach beinahe drei Minuten den ersten Treffer, den Michael Haaß postwendend egalisierte. Doch dann folgten zehn grausame Minuten für das DHB-Team, in denen kein einziger Feldtreffer gelingen sollte. Zweimal Stehlik, zweimal Jicha und dreimal Jan Filip schraubten das Ergebnis bis zur 13. Minute auf 9:3 - lediglich Uwe Gensheimer konnte zwei Siebenmeter für Deutschland verwandeln -, ehe Haaß mit seinem zweiten Treffer endlich den Bann brach. Pascal Hens und Holger Glandorf leisteten auf den Halbpositionen einen Offenbarungseid, Silvio Heinevetter im Tor konnte selten Akzente setzen, und auch Gensheimer scheiterte zweimal vom Siebenmeterpunkt. So hatten die Tschechen, bei denen Filip Jicha in der Abwehr seinen vom THW bekannten offensiven Part spielte, keinerlei Mühe, den Vorsprung bis zum Seitenwechsel zu halten - und das, obwohl Kiels Welthandballer keine gute Wurfquote aufweisen konnte. In die Bresche sprangen aber andere: Pavel Horak aus Göppingen beispielsweise mit drei Treffern Mitte der ersten Halbzeit, und auch Petr Stochl, der das Torhüterduell mit seinem Berliner Vereinskameraden klar für sich entschied. So wurden beim Stand von 14:9 für die Tschechen die Seiten gewechselt.

Nach Wiederanpfiff präsentierte sich die deutsche Mannschaft aber endlich bissiger: Lars Kaufmann, bereits Mitte des ersten Durchgangs für Kapitän Pascal Hens ins Spiel gekommen, setzte einige Wirkungstreffer, und auch Kreisläufer Christoph Theuerkauf wusste sich mehrmals auszuzeichnen. Als Dominik Klein einen Gegenstoß zum 16:17-Anschlusstreffer (38.) abschloss, schien die Partie kippen zu können - erst recht, als der Kieler Linksaußen einen Jicha-Pass abfing und alleine auf Stochl zuraste. Doch Klein scheiterte am tschechischen Schlussmann und verpasste den möglichen Ausgleich. Tschechien erhöhte zunächst wieder, doch nachdem Pfahl und Roggisch (!) verkürzten, hatte das DHB-Team beim Stand von 19:20 erneut die Chance auf den Ausgleich. Doch dieser wollte selbst in Überzahl nicht gelingen: Lars Kaufmann verzog, auf der anderen Seite übernahm Jicha erfolgreich Verantwortung. Die Deutschen versuchten es nun mit der Brechstange, scheiterten dabei an der tschechischen Deckung und Stochl, während zweimal Vrany und Jicha mit seinem sechsten Treffer beim Stand von 24:19 (51.) für die Vorentscheidung sorgten.

Martin Heuberge nahm seine Auszeit, die auch fruchtete: Zweimal Kaufmann und Pfahl verkürzten noch einmal auf zwei Treffer. Doch als Stehlik zwei Minuten vor Schluss das 26:23 erzielte, war die Entscheidung gefallen. Für das DHB-Team bedeutet dies einen empfindlichen Rückschlag im Kampf um die Olympia-Qualifikation. Weiter geht es am Dienstag mit dem Spiel gegen Mazedonien um Superstar Kiril Lazarov. Die Partie wird um 18.15 Uhr angepfiffen und von der ARD übertragen. Im Handballbahnhof Kiel wird erneut ein Public Viewing angeboten.

(Sascha Krokowski)

 

Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.

Stimmen zum Spiel:

Bundestrainer Martin Heuberger gegenüber den KN:
Das ist bitter. Ich hatte vor dem Spiel ein gutes Gefühl, aber mit dem verpassten Start haben wir das Selbstvertrauen, was wir aufgebaut hatten, wieder verloren. Letztlich war unsere Chancenverwertung zu schlecht.
DHB-Spieler Oliver Roggisch gegenüber den KN:
Das Spiel wurde angepfiffen, und in allen Gesichtern war die Verkrampfung zu sehen. Warum? Keine Ahnung. Wir wollen nach Olympia, aber vielleicht haben wir uns zu viel vorgenommen.
DHB-Spieler Dominik Klein gegenüber den KN:
Unsere Stärke ist das schnelle Spiel, die zweite Welle. Wir haben es nicht geschafft, diese Stärke zu zeigen. Ob uns das Selbstvertrauen fehlt? Das kann ich mir nicht vorstellen, wir sind in unseren Vereinen doch alle Leistungsträger.
DHB-Spieler Pascal Hens gegenüber den KN:
Mir fehlen ein bisschen die Worte. Das war nicht, was wir uns vorgestellt haben.
Tschechiens Nationalspieler Daniel Kubes gegenüber den KN:
Wir sind alle älter als 30 Jahre und wir gehen davon aus, dass dies unser letztes Turnier ist. Wir wollen jede Minute genießen, die wir gemeinsam verbringen können und vielleicht ist es am Ende doch nicht das letzte.
Tschechiens Nationalspieler Filip Jicha gegenüber den KN:
Ich bin unglaublich glücklich. Wir waren am Ende total leer, das Spiel war sehr intensiv, viel härter als in der Bundesliga. Die Zweikämpfe haben viel Kraft gekostet. Ich glaube, dass wir die Deutschen mit der offensiven Abwehr überrascht haben. Sie haben wohl nicht geglaubt, dass wir die so gut spielen können.

Gruppe B, 1. Spieltag: 15.01.12, So., 17.20: Deutschland - Tschechien: 24:27 (9:14)

Flagge GER Deutschland:
Heinevetter (1.-60., 11 Paraden), Lichtlein (n.e.); Hens, Gensheimer (3/2), Roggisch (1), Klein (1), Pfahl (3/1), Wiencek, Theuerkauf (3), Glandorf (2), Christophersen, Groetzki (2), Sprenger (n.e.), Kaufmann (5), Haaß (4); Trainer: Heuberger
Tschechien:
Galia (bei zwei Siebenmetern, 1/1 Parade), Stochl (1.-60., 9/2 Paraden); Nocar (2), Vitek (n.e.), Vrany (2), Kubes, Motl, Jicha (7/1), Filip (4), Sobol, Horak (3), Mraz (n.e.), Juricek (3), Stehlik (3), Hynek (n.e.), Sklenak (3/1); Trainer: Liptak
Schiedsrichter:
Kenneth Abrahamsen / Arne M. Kristiansen (Norwegen)
Zeitstrafen:
Deutschland: 3 (2x Roggisch, Gensheimer);
Tschechien: 3 (Jicha, Stehlik, Motl)
Siebenmeter:
Deutschland: 6/3 (Stochl hält zweimal Gensheimer, Galia hält Theuerkauf);
Tschechien: 3/2 (Sklenak neben das Tor)
Spielfilm:
1. Hz.: 0:1, 1:1, 1:2, 2:2 (5.), 2:5, 3:5, 3:9 (12.), 5:9 (20.), 5:11 (23.), 6:11, 6:12, 7:12 (26.), 7:13, 8:13, 8:14, 9:14;
2. Hz.: 10:14, 10:15, 13:15 (35.), 13:17, 16:17 (38.), 16:19, 17:19, 17:20, 19:20 (44.), 19:24 (51.), 20:24, 20:25, 23:25 (57.), 23:27, 24:27.
Zuschauer:
3.600 (Sportski Centar Cair, Nis (SRB)))

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 16.01.2012:

Die Leichtigkeit verloren

24:27 - Während die Deutschen kein Selbstvertrauen haben, versetzt Tschechiens Teamgeist Berge
Nis. Fassungslos, ratlos und besiegt - die deutsche Handball-Nationalmannschaft wirkte nach der gestrigen 24:27 (9:14)-Niederlage gegen Tschechien wie ein Team, das mit der Europameisterschaft in Serbien bereits nach dem ersten Spieltag abgeschlossen hat.

Morgen treffen die Geschlagenen in Nis (18.15 Uhr/ARD) auf Mazedonien. Schwer vorstellbar, dass dem Team um Pascal Hens dann der ersehnte Befreiungsschlag gelingt. Der Kapitän gab in den Katakomben noch lange nach dem Abpfiff geduldig Interviews. Er bemühte sich, eine Antwort auf die vielen Fragen zu finden, die letztlich nur eine war: Was ist eigentlich mit der deutschen Nationalmannschaft los? Hens zuckte mit den Schultern. "Vielleicht haben wir nach dem verpassten Start zu viel nachgedacht."

Die Tschechen hatten ihren Gegner mit einer offensiven Deckung überrascht. Eine Notlösung, hatte sich am Vortag mit Jiri Hynek (Zerrung) vom deutschen Zweitligisten ASV Hamm doch einer ihrer wichtigsten Abwehrspieler verletzt. Und so viele Säulen hat der schmale Kader der Tschechen nicht zu bieten.

Die Deutschen fanden keine Lösungen, lagen nach einer knappen Viertelstunde mit 3:9 zurück. Auch, weil aus dem Rückraum nichts gelang. Sicher, sie sollten im Spielverlauf Pech haben, drei Siebenmeter durch Uwe Gensheimer und Christoph Theuerkauf verwerfen, oft an der Torumrandung scheitern, doch letztlich hatte die Auftaktniederlage in der Gruppe B andere Gründe. "Wir haben nach dem Fehlstart unsere Leichtigkeit verloren", sagte Hens, der womöglich sein letztes internationales Turnier erlebt. "Wir haben in den letzten zwei Jahren nicht viel gewonnen, woher soll das Selbstvertrauen auch kommen?"

Welche Berge Teamgeist versetzen kann, zeigten die Tschechen eindrucksvoll. Zwar hatte das Personal nicht die Klasse des Gegners, aber der Wille übertünchte diese Defizite. Da spielte es auch keine Rolle, dass Mittelmann Tomas Sklenak beim Zweitligisten ThSV Eisenach (derzeit Elfter) beschäftigt ist und sich dort offenbar ein kleines Bäuchlein leisten kann. Da spielte es keine Rolle, dass mit Jan Stehlik nur ein Linkshänder zur Verfügung stand. Einer, der für den französischen Mittelklasse-Club St. Raphael spielt und ebenfalls lediglich deutsches Zweitliga-Niveau hatte.

Als Abwehrchef Daniel Kubes in der zweiten Halbzeit mit zerkratzter Wange minutenlang auf der Bank Platz nehmen musste, um die Blutung zu stillen, kamen die Deutschen noch einmal auf 19:20 (45.) heran. Dann schenkte ihnen die Tschechen mit einem Wechselfehler sogar eine Überzahl, doch Lars Kaufmann hämmerte den Ball einmal mehr unbedrängt und überhastet neben den Pfosten. Im Gegenzug brach der siebenfache Torschütze Filip Jicha mit einem herrlichen Treffer den Bann, und die Heuberger-Schützlinge ließen wieder die Köpfe hängen. Sie haben derzeit nicht das Kreuz, um kritische Phasen zu überstehen. So auch diesmal. Die Tschechen zogen gegen die Geknickten zügig auf 24:19 davon und retteten das Polster ins Ziel. "Das war eine Riesenchance für uns. Wir spielen grottenschlecht, können am Ende fast noch ausgleichen und schaffen es nicht - unfassbar", schüttelte Oliver Roggisch den Kopf.

Auch Hens wirkte tief deprimiert, als er jene Worte sprach, die Sportler nach solchen Spielen in der Regel sprechen. "Wir müssen nach vorne schauen, noch ist nichts verloren." Allerdings war auch ihm klar, dass das Mazedonien-Spiel kein gewöhnliches werden wird. "Wir müssen nicht nur gegen eine Mannschaft gewinnen, sondern auch gegen diese unglaubliche Kulisse. Das wird verdammt schwer."

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 16.01.2012)


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