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07.01.2012 Interview / EM 2012

KN-Interview mit Martin Heuberger: "In mir ist ein Feuer entflammt"

Martin Heuberger über die EM in Serbien, den deutschen Nachwuchs und Euphorie

Aus den Kieler Nachrichten vom 07.01.2012:

Vom 15. bis 29. Januar 2012 findet die EM 2012 in Serbien statt.
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Barsinghausen. Martin Heuberger wuchs mit sieben Geschwistern auf, lernte früh, sich im Leben zu behaupten. So zielstrebig er seine Ausbildung zum Diplom-Verwaltungswirt verfolgte, so zufällig verlief seine Karriere als Trainer, die im Juni vergangenen Jahres ihren Höhepunkt erreichte: Der 47-Jährige wurde Nachfolger von Heiner Brand, dessen Assistent er sieben Jahre lang gewesen war. In Barsinghausen bereitete er erstmals als Chef eine deutsche A-Nationalmannschaft auf ein Turnier vor, die EM in Serbien (15. bis 29. Januar).
Mit dem Bundestrainer der Handball-Nationalmannschaft sprach Wolf Paarmann.
Kieler Nachrichten:
Herr Heuberger, Sie haben beim Supercup die ersten drei Spiele als Bundestrainer verloren und wurden anschließend hart dafür kritisiert, so viel gewechselt zu haben. Wie sind Sie damit umgegangen?
Martin Heuberger:
Natürlich wäre es schön, wenn ich gegen Ungarn meine ersten Siege als Bundestrainer feiern könnte. Aber mein Fokus ist ein anderer, das war er auch schon beim Supercup - für mich zählt nur die EM. Deshalb habe ich allen Spielern die Chance gegeben, sich noch einmal zu zeigen. Jeder ist wichtig. Es wäre schön für die Mannschaft, wenn sie die Leistungen, die sie zuletzt in den EM-Qualifikationsspielen gegen Island und Österreich gezeigt hat, wiederholen kann. Da waren sie auf die Aufgabe fokussiert. Zwei Siege gegen Ungarn, und wir fliegen mit einem guten Gefühl nach Serbien.
Kieler Nachrichten:
Erstmals wurde kein Ziel ausgegeben, das die Mannschaft bei einem Turnier erreichen soll. Warum nicht?
Martin Heuberger:
Welchen Sinn sollte das haben? In Serbien geht es um zwei Tickets für die Olympia-Qualifikationsturniere. Wenn wir Pech haben, sind wir nicht dabei, obwohl wir das Halbfinale erreichen. Wir müssen uns auf die Spiele gegen die Nationen konzentrieren, die ebenfalls nicht für London qualifiziert sind. Wie die Tschechen beispielsweise. Und da erwartet uns im ersten Spiel gleich ein starker Gegner. Allerdings möchte ich das Tschechien-Spiel auch nicht zu hoch hängen, es wird nicht ein Endspiel geben, sondern acht.
Kieler Nachrichten:
Wo liegen die Stärken der deutschen Mannschaft?
Martin Heuberger:
In der Breite des Kaders und im Teamgeist. Mir hat es sehr gut gefallen, wie die Mannschaft sich hier in Barsinghausen präsentiert hat. Alle ziehen voll mit, sind sehr fokussiert. Für ein derartig anstrengendes Turnier ist es wichtig, einen breiten Kader zu haben. Und den haben wir. Jeder kann und wird seinen Teil zum Erfolg beitragen können.
Kieler Nachrichten:
Welche Konsequenzen könnte es für den deutschen Handball haben, wenn die Nationalmannschaft sich nicht für Olympia qualifiziert?
Martin Heuberger:
Der Deutsche Handballbund ist der größte der Welt. Der Anspruch muss sein, an allen Turnieren teilzunehmen. Ein Weltuntergang wäre eine verpasste Olympia-Qualifikation aber sicher nicht.
Kieler Nachrichten:
Im 17-köpfigen Kader steht mit dem Gummersbacher Patrick Wiencek ein neues Gesicht. Was trauen Sie ihm zu?
Martin Heuberger:
Christoph Theuerkauf halte ich im Angriff für den derzeit besten deutschen Kreisläufer, Wiencek ist für mich eine Investition in die Zukunft. Er kann einmal eine feste Größe in der Nationalmannschaft werden. Früher war es so, dass die Deutschen erst im Alter von 25, 26 Jahren ihre ersten Länderspiele bestritten haben. Ich möchte sie früher an diese Aufgabe heranführen. Wiencek und Patrick Groetzki (RN Löwen, d. Red.) sind dafür die besten Beispiele.
Kieler Nachrichten:
Warum sind Sie Bundestrainer geworden?
Martin Heuberger:
Ich habe mich erst mit dem Thema beschäftigt, als ich nach der enttäuschenden WM in Schweden gefragt wurde, ob ich mir diese Aufgabe vorstellen kann. Seitdem ist in mir ein Feuer entflammt. Ich spüre eine große Euphorie, schließlich ist das Handball-Potenzial in unserem Land riesig. Ich bin stolz darauf und habe den Ehrgeiz, langfristig in diesem Amt zu arbeiten. Ich weiß aber auch um die Schwere der Aufgabe.
Kieler Nachrichten:
Was glauben Sie, welche Gründe letztlich den Ausschlag dafür gegeben haben, dass Sie den Job bekommen haben?
Martin Heuberger:
Ich habe nur gehört, dass meine Präsentation vor der "Arbeitsgruppe Nationalmannschaft" ganz gut angekommen sein soll. Am Ende waren neben mir noch drei weitere Kandidaten in der engeren Wahl. Ich bin aus diesem Kreis der einzige Deutsche gewesen, ich hoffe aber nicht, dass dies den Unterschied ausgemacht hat. Allerdings: Unsere Nationalmannschaft sollte einen deutschen Trainer haben.
Kieler Nachrichten:
Wie ist Ihre Philosophie?
Martin Heuberger:
Ich bin ein Kind des DHB und grundsätzlich deckt sich meine Philosophie mit der von Heiner (Brand, d. Red.), der aus meiner Sicht eine Ikone des deutschen Handballs ist. Die 6:0-Abwehr wird also unsere erste Deckung bleiben, auch wenn ich Alternativen einstudieren werde. Und im Angriff werden wir weiter auf taktischen Handball setzen, Spielertypen wie Filip Jicha (THW Kiel, d. Red.) oder Nikola Karabatic (Montpellier HB, d. Red.) haben wir in Deutschland nicht, also müssen wir die Tore im Verbund werfen. Die Maxime ist das Kollektiv.
Kieler Nachrichten:
Sie haben als Jugendtrainer den Nachwuchs der anderen Nationen seit Jahren beobachtet. Wie sieht die Konkurrenz-Situation aus?
Martin Heuberger:
Gut. Ich habe in den vergangenen vier Jahren nur zwei Spieler gesehen, die einmal das Format von Jicha oder Karabatic erreichen könnten: Der Isländer Aron Palmarsson (THW Kiel, d. Red.) und der Däne Mikkel Hansen (AG Kopenhagen). Unser Nachwuchs hat gerade im körperlichen Bereich stark aufgeholt, seit wir verstärkt auf das Training mit der Langhantel setzen. Wir müssen uns nicht verstecken, unser Ausbildungssystem ist gut.
Kieler Nachrichten:
Sie haben zuletzt als Nachwuchstrainer dafür gesorgt, dass deutsche Junioren-Nationalmannschaften in Serie bei großen Turnieren abräumten. Wo sind die kleinen Helden geblieben?
Martin Heuberger:
Das liegt einerseits daran, dass einige Clubs in der Bundesliga lieber einen Mittelklasse-Ausländer einkaufen, bevor sie sich die Mühe machen, mit einem deutschen Talent zu arbeiten. Es liegt aber auch daran, dass dem einen oder anderen von den jungen Leuten oftmals die Geduld und die richtige Einstellung zu ihrem Beruf fehlen. Sie glauben, als Junioren-Weltmeister bereits eine große Nummer zu sein. Das sind sie nicht. Ich würde mir wünschen, dass jeder von ihnen einmal einen Monat lang acht Stunden am Tag an einem Fließband steht, um zu sehen, was Arbeit wirklich bedeutet. Patrick Wiencek (VfL Gummersbach, d. Red.) beispielsweise kennt diese Welt, das macht den Unterschied.
Kieler Nachrichten:
Wie entspannen Sie sich von den Strapazen des Jobs?
Martin Heuberger:
Ich sorge schon dafür, dass ich mir ab und an einmal ein paar Stunden Auszeit gönne. Dafür reicht mir aber mein Crosstrainer oder mein Garten. Da kann ich die Seele baumeln lassen. Joggen kann ich leider nicht mehr, meine rechte Hüfte ist kaputt. Vermutlich vom Handball.
(Das Gespräch führte Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 07.01.2012)


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