Aus den Kieler Nachrichten vom 05.08.2013:
Kiel. Nach dem Karriereende von
Marcus Ahlm
übernimmt
Filip Jicha als neuer Kapitän
noch mehr Verantwortung beim Handballmeister THW Kiel. Im Interview
spricht er über Sorgen, die ihm der Umbruch bereitet. Über seine
Hoffnungen in
Ahlm, der dem THW als
Aufsichtsrat erhalten geblieben ist. Und darüber, dass er gar
nicht gefragt wurde, ob er Kapitän werden möchte.
- Kieler Nachrichten:
-
Warum sind Sie Kapitän des THW Kiel geworden?
- Filip Jicha:
-
Eigentlich ist bis heute nicht darüber gesprochen worden,
ob ich das werden will. Ich bin von Uli Derad
(ehemaliger THW-Manager, Anm. d. Red.) und Alfred
(Gislason, d. Red.) vor einigen Jahren gefragt worden, ob ich
Stellvertreter von Marcus Ahlm werden
möchte. Das war für mich ein logischer Schritt, also habe ich
zugestimmt.
- Kieler Nachrichten:
-
Und...
- Filip Jicha:
-
... dann gab es im vergangenen Oktober ein Gespräch mit
Alfred, in dem wir diskutiert
haben, ob wir den weiteren Weg gemeinsam gehen wollen.
Dass wir an unserem erfolgreichen Spielsystem festhalten,
was mir persönlich sehr wichtig ist. In diesem Gespräch
stand für Alfred bereits fest,
dass ich Nachfolger von Marcus
werde. Aber gefragt hat er mich nie.
- Kieler Nachrichten:
-
Was hätten Sie denn geantwortet?
- Filip Jicha:
-
Dass es eine große Ehre für mich sein würde. Ich bin zwar
Kapitän der tschechischen Nationalmannschaft, und war es
auch im Jugendbereich regelmäßig, aber noch nie in einer
Vereinsmannschaft. Davon habe ich schon als 13-Jähriger
geträumt, wie schön es sein könnte, als Kapitän diese
Mannschaft in die Halle führen zu dürfen.
- Kieler Nachrichten:
-
Zurück zum System: Ihre Mannschaft durchlebt gerade einen
erneuten Umbruch. Glauben Sie, dass der THW weiter
erfolgreich sein wird?
- Filip Jicha:
-
Was das betrifft, bin ich tatsächlich besorgt. Aber
vielleicht sieht es in drei Wochen ganz anders aus. In
der Saison, die wir mit 68:0 Punkten beendeten, wussten
wir, dass wir nicht verlieren können, wenn wir unser
System beibehalten. Da ging es stets nur darum, an
Kleinigkeiten zu feilen. Es muss unser Ziel sein, dieses
Niveau wieder zu erreichen.
- Kieler Nachrichten:
-
Wie werden Sie als Kapitän mit Konflikten umgehen?
- Filip Jicha:
-
Es ist wichtig, in einer Mannschaft eine Hierarchie zu
haben. Die haben wir. Aber ich bin der Letzte, der sich
überall einmischt, der glaubt, immer im Recht zu sein. Ich
habe mich beispielsweise vor drei Jahren einmal mit
Palle (Andreas Palicka, d. Red.)
im Training geprügelt. Wir spielten Basketball, waren alle
müde, er hat mich gefoult - da sind wir beide von der Leine
gegangen. Geschadet hat es unserem Verhältnis nicht.
Eingemischt hat sich keiner, auch der Trainer hat nur zugesehen.
- Kieler Nachrichten:
-
Was werden Sie ändern?
- Filip Jicha:
-
Eine Sache habe ich schon beschlossen: Bislang war es üblich,
dass jeder selbst entscheiden konnte, ob er bei der Anreise zu
einem Spiel in der Champions League eine Krawatte trägt oder
nicht. Ich finde, das geht nicht. Zu einem Anzug gehört eine
Krawatte, da können die Kollegen mit mir nur diskutieren, wenn
die 40-Grad-Grenze überschritten ist.
- Kieler Nachrichten:
-
Werden Sie mehr Mitsprache bei Personalentscheidungen haben?
- Filip Jicha:
-
Ich glaube nicht, dass diese Rolle mit der Binde zusammenhängt.
Ich bin zur Verpflichtung von Domagoj Duvnjak
(kommt 2014, d. Red.) befragt worden, und wenn einer wissen will,
wen ich mir als Nachfolger von Christian Zeitz
(geht 2014 nach Veszprem, d.Red.) wünsche, hätte ich dazu auch
eine Meinung.
- Kieler Nachrichten:
-
Welche?
- Filip Jicha:
-
Ich würde mir das Duo
Kim Andersson/Marko Vujin
wünschen. Kim kennt unser System sehr
gut und passt auch menschlich super zu uns. Mit ihm und
Duvnjak wären wir bestens
aufgestellt, allerdings hat Kim
in Kolding noch einen Vertrag bis 2015.
- Kieler Nachrichten:
-
Sie haben sich mit Tschechien für die EM in Dänemark
qualifiziert, Ihrem Vereinstrainer wäre es wahrscheinlich
lieber, Sie hätten dieses Turnier verpasst, um sich in
Ruhe auf die Rückrunde vorbereiten zu können...
- Filip Jicha:
-
... das ist wohl so. Aber eine Motivation, sich für ein
solches Turnier zu qualifizieren, ist auch, dass dann die
Vorbereitung mit dem THW im Januar ausfällt. Ich bin nicht
traurig darüber, dass ich diesmal fehlen werde, wenn die
Kollegen in Schönkirchen bei Minusgraden 20 Mal über die
400-Meter-Bahn rennen. In Dänemark werde ich mich auch fit
halten, allerdings in einer warmen Halle.
- Kieler Nachrichten:
-
Was sagt Ihre Frau Hana dazu, dass durch das neue Amt das
Zeitfenster für die Familie noch kleiner werden wird?
- Filip Jicha:
-
Wir haben darüber im Urlaub intensiv gesprochen. Über unsere
Rollen, schließlich haben wir zwei kleine Kinder, unser Leben
hat sich zuletzt stark verändert. Wir haben uns viel Zeit
genommen, uns zugehört, versucht zu verstehen, was den anderen
bewegt. Ich kann diese Rolle in Kiel nur ausfüllen, wenn Hana
mir dabei hilft. Wenn sie sich beispielsweise um die Frauen
der anderen Spieler kümmert, für sie Ansprechpartnerin ist.
Das ist wichtig, auch die Frauen und Familien müssen sich in
Kiel wohlfühlen. Ich werde tun, was ich kann, um Zeit für
meine Familie zu haben. Darunter wird mein Golfspiel leiden,
auch wenn mir das als Ausgleich sehr wichtig ist (lacht).
- Kieler Nachrichten:
-
Mit wem werden Sie sich denn beraten, wenn Sie ein Problem haben?
- Filip Jicha:
-
Mit Marcus Ahlm (jetzt Aufsichtsrat,
d.Red.) ist der ehemalige Kapitän ja noch immer da. Er wird ein
wichtiger Ansprechpartner sein. Ich kenne nur wenige Menschen,
die so gut verstehen, wie der Mannschaftssport funktioniert.
Marcus ist ein großer Analytiker.
- Kieler Nachrichten:
-
Was würden Sie sich von ihm noch wünschen?
- Filip Jicha:
-
Er soll sich immer sofort bei mir melden, wenn er in Kiel ist.
Auch wenn er einmal THW-Präsident sein sollte, so viel Zeit
muss sein. Macht er das nicht, gibt es Ärger. Und: Ich hoffe,
dass er hungrig und kritisch bleibt. Dass er so seinen Teil
dazu beiträgt, dass wir den Handball wieder dominieren, die
Champions League gewinnen, ein Mythos bleiben. Und nicht eines
Tages ein ganz normaler Verein sind, dessen Besonderheit es
ist, dass viele Fans zu den Heimspielen kommen.
(Das Gespräch führte Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 05.08.2013)
Die komplette Fassung des Interviews lesen Sie in
der THW-Saisonbeilage der Kieler Nachrichten, die in
der Sonnabend-Ausgabe am 24. August erscheinen wird.