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25.03.2014 Mannschaft / Bundesliga

Kieler Nachrichten: THW auf ganz dünnem Eis

Sieg in Balingen mit letztem Tropfen Benzin - Reicht die Personaldecke für große Erfolge?

Aus den Kieler Nachrichten vom 25.03.2014:

Kiel. 27. Spieltag in der Liga, Achtelfinale in der Champions League: Die Saison ist im Endstadium angekommen, aber auf den kleinen Kader des Handballmeisters THW Kiel wartet noch ein langer Weg. Zu lang? Der dramatische 28:25 (14:14)-Erfolg beim Tabellen-16. HBW Balingen-Weilstetten bestätigt entsprechende Befürchtungen.
Eine Saison ohne Titel gab es in Kiel zuletzt 2002/2003. Eine Überraschung wäre es nicht, nach dem Abschied von Marcus Ahlm (Karriereende), Daniel Narcisse (Paris), Thierry Omeyer (Montpellier) und Momir Ilic (Veszprem) ist es eine, dass der THW die Liga mit zwei Punkten Vorsprung auf die Rhein-Neckar Löwen anführt und nach dem 31:28-Sieg gegen Motor Saporoschje gute Aussichten hat, das Viertelfinale der Champions League zu erreichen. "Sollen wir uns dafür schämen, dass wir schon wieder Erster sind?", fragte Kapitän Filip Jicha nach dem 27:27 im Heimspiel gegen den SC Magdeburg am vorvergangenen Sonntag. Die Kieler sind genervt darüber, dass sie nicht objektiv beurteilt werden. In der Öffentlichkeit, so ihr Eindruck, werde nur auf ihren Absturz gewartet. Sie bemängeln zu Recht, dass der Fokus falsch ist. Mannschaften wie die Löwen und der HSV, deren Kader deutlich breiter sind, müssten am 27. Spieltag die Liga dominieren. Dass sie es nicht tun, hat viele Gründe, nur einen hat der THW zu verantworten: Das Team arbeitet mit einem beispiellosen Einsatz daran, sich nicht besiegen zu lassen.

Ein gutes Beispiel dafür war der mühsame Erfolg in Balingen, einer Mannschaft, die sich, angefeuert von ihren heißblütigen Fans, bis zum Ende auf Augenhöhe bewegte. Es waren letztlich Kleinigkeiten, die über den Sieg entschieden. Beispielsweise die Paraden des guten Andreas Palicka gegen Manuel Liniger und Florian Billek bei einer 27:25-Führung der Kieler. Marko Vujin hatte diesen 27. Treffer (58.) erzielt, als er aus zehn Metern traf. Mit Wut im Bauch darüber, dass die Unparteiischen Moles/Pittner den Balingern in den letzten Minuten gestatteten, ihn und seine Kollegen wie Freiwild zu behandeln.

Ein Sieg der Moral, einer, der aber gerade dem limitierten Personal im Rückraum den letzten Tropfen Benzin im Tank gekostet hat. Während auf der rechten Seite mit Vujin/Christian Zeitz die Besetzung optimal ist, bewegt sich der THW auf der Mitte und im linken Rückraum auf ganz dünnem Eis. Wael Jallouz war auch gegen die aggressiv verteidigenden Balinger überfordert, was nicht verwundert, spielt der Tunesier doch seine erste Saison in Kiel. Rasmus Lauge (Kreuzbandriss), ein guter Abwehrspieler, der zudem auf allen Positionen im Rückraum einsetzbar ist, fehlt dem THW an allen Ecken. Filip Jicha, der als einziges Zebra der wichtigen 3:2:1-Deckung eine Spitze geben kann, ist in jedem Spiel 60 Minuten lang gefordert. Was zu viel ist. Auch die Schonfrist für Aron Palmarsson (Knie-OP im Juni) ist abgelaufen, der Isländer wird gebraucht. Sein Einsatz ist vorbildlich, er kämpft stets wie ein verwundeter Löwe. Sein sechstes Tor gegen Balingen (25:23/51.), ein gefühlvoller Wurf vom Kreis, war ein vorentscheidendes. Aber er ist noch nicht in der Lage, durchgehend auf Top-Niveau zu spielen.

Trost spendet der Blick auf den Kalender: Nach dem Rückspiel gegen Saporoschje am Sonntag (17.15 Uhr) wartet bis zum Punktspiel bei den Löwen (16. April) eine lange Pause auf die Kieler. Das frühe Aus im Pokalwettbewerb, der am 12./13. April entschieden wird, könnte sich als später Segen erweisen. Allerdings: Morgen erwartet sie im Heimspiel gegen FA Göppingen (20.15 Uhr) erneut eine hohe Hürde. Die Schwaben haben nach dem 29:26-Sieg gegen Melsungen nun sieben Punkte Vorsprung auf Balingen, die Abstiegssorgen sind Geschichte. Entsprechend befreit kann das Team um Michael Kraus aufspielen. Auch eine Mannschaft, die mit ihrem starken Kader in dieser Saison eine ganz andere Rolle hätte spielen müssen. Ein weiteres Endspiel für den THW. "Für uns", sagte Jicha, "gibt es jetzt nur noch Endspiele. Aber wir sind bereit dafür".

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 25.03.2014)


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