Der THW Kiel hat ein weiteres Ausrufezeichen im
spannenden Meisterschaftskampf gesetzt. Am Sonntagnachmittag
siegten die "Zebras" am vorletzten Spieltag der DKB Handball-Bundesliga
beim TuS N-Lübbecke mit 35:21 (15:11) und verkürzten damit
den Rückstand auf den punktgleichen Tabellenführer Rhein-Neckar Löwen
auf sieben Tore. Somit kommt es am nächsten Sonnabend zum letzten Fernduell
um den Titel: Während die Löwen beim Altmeister VfL Gummersbach
antreten, empfängt der THW Kiel den DHB-Pokalsieger Füchse
Berlin.
Erfolgreichster Torschütze beim Kantersieg in der Merkur-Arena,
den die "Zebras" sich dank starker letzter zwanzig Minuten sicherten,
war Linksaußen
Gudjon Valur Sigurdsson
mit neun Treffern. Beim TuS N-Lübbecke überzeugten Rechtsaußen
Ramon Tauabo mit 7/1 Toren sowie Keeper Nikola Blazicko, der
mit seinen 16 Paraden einen noch höheren THW-Sieg verhinderte.
Palmarsson und Jicha von Beginn an
Nachdem die Rhein-Neckar Löwen bereits am Mittwoch einen
41:28-Erfolg gegen MT Melsungen vorgelegt hatten, wollten die
"Zebras" on Ostwestfalen im letzten Auswärtsspiel unbedingt
"Vollgas geben".
Filip Jicha
und
Aron Palmarsson, die die ganze
Woche nicht trainieren konnten, bissen trotz ihrer Bänderverletzungen
auf die Zähne und standen sogar in Abwehr und Angriff in der
Startformation. Der THW Kiel setzte dabei von Beginn an auf
die offensive 3:2:1-Deckung, um Lübbecke zu Fehlern zu zwingen
und schneller kontern zu können.
Doch die Gastgeber gingen zunächst sehr konzentriert zu Werke
und konnten die Kieler Führungstreffer durch einen
Siebenmeter Marko Vujins und
ein Tor Palmarssons egalisieren.
Dann aber setzten die Kieler die ersten Nadelstiche:
Johan Sjöstrand war zweimal
gegen Linkshänder Jens Schöngarth zur Stelle, und so
sorgten Vujin, Sigurdsson
und Wiencek per Gegenstoß für das
5:2. Jicha konnte nach einem
weiteren Konter gar auf 6:2 erhöhen, doch scheiterte er
mit seinem freien Versuch an Nikola Blazicko, der sich fortan
zu steigern wusste und allein im ersten Durchgang neun gute
Chancen vereitelte.
Blazicko verhindert höhere Pausenführung
Die "Zebras" drückten zwar aufs Tempo, doch Lübbecke mit
Spielgestalter Drago Vukovic blieb konzentriert und konnte
den Rückstand bis zum 6:7 durch Frank Löke wieder eindämmen.
Der THW Kiel, bei dem
Aron Palmarsson
und besonders
Filip Jicha immer mal
wieder Verschnaufpausen bekamen, hatte die Partie aber zu jedem
Zeitpunkt im Griff. Als sich
Sigurdsson
im Gegenstoß trotz Bedrängnis durchsetzen konnte, betrug der
Vorsprung beim 10:6 erstmals vier Tore, und nachdem
Aushilfs-Mittelmann
Christian Zeitz
in der Abwehr in einen Querpass rauschte und den Konter zum
14:9 abschloss, waren es sogar fünf. Da in der Schlussphase des
ersten Durchgangs aber
Jicha,
Palmarsson,
Ekberg
und
Zeitz weitere gute Chancen
ausließen und die Flügelzange um Tim Remer und Tauabo
verkürzen konnte, ging es "nur" mit einem 15:11-Vorsprung
für die "Zebras" in die Kabinen.
Lübbecke hält Rückstand bis zur 41. Minute konstant
Der THW startete zwar mit Ballbesitz und Überzahl in die
zweiten dreißig Minuten, doch erneut verhinderte Nikola
Blazicko mit Großtaten am Fließband ein weiteres Absetzen
der Kieler. Als Tauabo mit seinem mittlerweile fünften
Treffer in der 41. Minute den 15:19-Anschluss markierte,
deutete nicht mehr viel auf den von mehreren Hundert THW-Fans
erhofften Kantersieg hin.
THW gerät ins Rollen
Doch die Kieler kämpften weiterhin verbissen um jede
Chance. Per schneller Mitte gab
Sigurdsson
das Signal zum Zwischenspurt. Die 3:2:1-Deckung mit
Jicha an der Spitze zwang nun
Vukovic,
Ales Pajovic und
Schöngarth zu Fehlern, die die "Zebras" durch einen
Palmarsson-Sprungwurf und
zwei weitere Konter des starken
Sigurdsson
zum 23:15 verwerteten. TuS-Coach Dirk Beuchler nahm in
dieser 43. Minute seine letzte Auszeit, doch auch damit
vermochte er den Kieler Angriffswirbel nicht zu stoppen.
Während
Zeitz Toft Hansen
bediente und
Sjöstrand einen
Siebenmeter Schuberts entschärfte, stimmten die THW-Fans
in der Merkur-Arena die Hymne "Schwarz und weiß". Und
wenngleich Tauabo mit einem tollen Heber den 16. Treffer
für Lübbecke erzielen konnte, waren die Kieler und ihre
Fans ganz obenauf, nachdem
Sprenger
und
Palmarsson mit einem Doppelpack
das Ergebnis auf 28:16 schraubten. Binnen zehn Spielminuten
hatte der THW mit einem 9:1-Lauf für klare Verhältnisse
gesorgt.
Sjöstrand und Sigurdsson setzen Schlusspunkt
Die nächsten fünf Minuten gehörten dann allerdings wieder
den Gastgebern, nachdem der zuletzt untergetauchte Blazicko
mit drei Paraden - zwei davon gegen den glücklosen
Vujin - in die Partie zurück fand.
Als Tim Remer nach 55 Minuten einen Gegenstoß abschloss, war
der Kieler Vorsprung beim 28:19 nur noch einstellig. Doch in
der Schlussphase schalteten die "Zebras" noch einmal einen Gang
rauf: Der starke
Zeitz holte einen
Siebenmeter heraus, den
Ekberg
verwandelte. Da der über weite Strecken der Partie glänzend
aufgelegte
Sjöstrand anschließend
Würfe
Dissingers und Langhans' parierte, sorgten
Zeitz und
Wiencek
erneut für einen Zwölf-Tore-Vorsprung. Und die Kieler setzten
weiter nach und sorgten auch für einen grandiosen Schlusspunkt:
Schöngarth wollte die letzte Aktion der Partie setzen, doch
nachdem
Sjöstrand dessen Wurf
entschärfen konnte, setzte der THW-Keeper zu einem weiten
Pass auf
Sigurdsson an. Der Ball
kam an, und artistisch beförderte ihn der Isländer zum
35:21-Endstand in die Maschen.
Am Sonnabend kommt Berlin
Nach dieser erneuten Energieleistung konnten die "Zebras"
an diesem Spieltag also ein Tor auf die Rhein-Neckar Löwen
aufholen. Am kommenden Sonnabend werden sie noch einmal
60 Minuten Vollgas geben, wenn die Füchse Berlin am letzten
Spieltag in der Sparkassen-Arena zu Gast sind. Der DKB
Handball-Bundesliga steht somit tatsächlich ein Herzschlagfinale
bevor!
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Das war ein extrem schwieriges Spiel, Lübbecke hat stark
gekämpft. Ich bin stolz auf meine Jungs, sie haben Charakter
gezeigt und wollten alles geben. Ich hätte nicht gedacht,
dass wir hier mit 14 Toren gewinnen. Unsere Abwehr hat in
der zweiten Halbzeit sehr gut funktioniert. Der Vorteil
liegt aber immer noch bei den Löwen.
Lübbeckes Trainer Dirk Beuchler gegenüber den KN:
Das war ein verdienter Sieg des THW, der aber zu hoch
ausgefallen ist. Mein Team hat sich gut präsentiert, aber
nach dem 15:19 zu viele technische Fehler gemacht. Ein
Rückstand mit sieben oder acht Toren hätte auch gereicht.
THW-Kapitän Filip Jicha gegenüber den KN:
Man kann lange darüber streiten, ob wir weitere drei
Tore hätten aufholen müssen. Aber sieben Tore sind im
machbaren Bereich. Das war eine starke Leistung von
der Mannschaft, denn viele sind angeschlagen.
THW-Torhüter Johan Sjöstrand gegenüber den KN:
Das war kein einfaches Spiel, aber in der zweiten Halbzeit
sind wir sehr gut reingekommen und haben über die Gegenstöße
noch viele Tore gemacht.
Lübbeckes Torhüter Nikola Blazicko gegenüber den KN:
Wir haben uns schwer im Angriff getan, und Kiel hat 60
Minuten volles Tempo gespielt. Am Ende hat man gesehen,
dass sie uns physisch überlegen waren.
- TuS N-Lübbecke:
-
Blazicko (1.-60., 16/1 Paraden),
Semisch (n.e.);
Gustafsson,
Löke (3),
Vukovic (2),
Langhans (2),
Tauabo (7/1),
Pajovic (1),
Niewrzawa (n.e.),
Dissinger (1),
Schubert (2/2),
Niemeyer (n.e.),
Schöngarth,
Remer (3);
Trainer: Beuchler
- THW Kiel:
-
Sjöstrand (1.-28., 43.-60., 10/1 Paraden),
Palicka (28.-43. und bei einem Siebenmeter, 4/1 Paraden);
Toft Hansen (4),
Sigurdsson (9),
Sprenger (1),
Wiencek (2),
Ekberg (4/1),
Zeitz (5),
Jallouz,
Palmarsson (5),
Klein (n.e.),
Jicha (2),
Vujin (3/2);
Trainer: Gislason
- Schiedsrichter:
-
Holger Fleisch / Jürgen Rieber
- Zeitstrafen:
-
Lübbecke: 6 (Schöngarth (22.), Vukovic (30.), Remer (32.), Löke (40.), Gustafsson (47.),
Beuchler (48.));
THW: 4 (2x Toft Hansen (26., 40.),
Wiencek (37.), Jicha (52.))
- Siebenmeter:
-
Lübbecke: 5/3 (Palicka hält Schubert (21.),
Sjöstrand hält Schubert (45.));
THW: 4/3 (Blazicko hält Vujin (55.))
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:1, 1:1, 1:2, 2:2 (4.), 2:5, 4:5 (10.), 4:6, 5:6,
5:7, 6:7, 6:10 (16.), 8:10, 8:12, 9:12, 9:14 (25.), 11:14,
11:15;
2. Hz.: 11:16, 12:16 (36.), 12:17, 13:17, 13:18, 14:18,
14:19, 15:19 (41.), 15:24 (44.), 16:24, 16:28 (51.),
19:28 (55.), 19:31, 20:31, 20:33, 21:33, 21:35.
- Zuschauer:
-
2.608 (Merkur Arena, Lübbecke)
- Spielgrafik:
-
Aus den Kieler Nachrichten vom 19.05.2014:
Da waren es noch sieben
THW Kiel verkürzt durch einen 35:21-Sieg in Lübbecke den Rückstand auf die RN Löwen
Lübbecke. Die Hetzjagd auf den deutschen Meistertitel
kann für den THW Kiel in die nächste und damit letzte Runde
gehen. Gestern siegte der Handballmeister beim Tabellenzehnten
TuS N-Lübbecke durch einen Schlussspurt in den letzten 20
Minuten mit 35:21 (15:11), zog damit nach Punkten mit dem
Tabellenführer Rhein-Neckar Löwen gleich und reduzierte den
Rückstand in der Tordifferenz auf sieben Treffer.
Im Fernduell am letzten Spieltag haben die Kieler nun weiterhin
die theoretische Chance auf den 19. Titel, wenn die Löwen beim
VfL Gummersbach antreten müssen und die Kieler die Füchse Berlin
empfangen.
Der THW spielte gestern zwar gegen den TuS N-Lübbecke, doch
trotz allen Respekts vor dem Gastgeber war der Gegner ein
anderer. Der stand in der Tabelle, hatte den Wert 21, bezifferte
den Torerückstand der Kieler auf den Spitzenreiter vor diesem
Spiel und wurde in dieser Partie mächtig gestutzt. Doch die
Kieler brauchten einen langen Anlauf, um diesen Kantersieg zu
landen, profitierten schließlich von ihrer besseren Physis.
Lange hatte sich der THW am starken TuS-Torhüter Nikola Blazicko
abgearbeitet. Im Spielverlauf scheiterte fast jeder THW-Spieler
mindestens einmal freistehend an dem Kroaten. In der Schlussphase
wurde der TuS-Rückhalt aber von seinen Vorderleuten allein
gelassen und konnte den weiß-schwarzen Ansturm nicht mehr aufhalten.
THW-Trainer Alfred Gislason ließ mit dem
Anpfiff keinen Zweifel aufkommen, dass er in dieser Partie voll auf
Angriff setzte. Die Abwehr agierte in offensiver Variante mit
Filip Jicha und
Aron Palmarsson im Wechsel als offensive
Spitze. Auch im Angriff variierten die angeschlagenen Führungsspieler
auf der Mittel- und Halblinksposition. Doch gegen die engagierten
Lübbecker, die mit Macht verhindern wollten, ins Titelrennen
einzugreifen, und die Kreisläufer intensiv bearbeiteten, taten sich
die Zebras schwer. "Wenn ich so bearbeitet werden würde wie
Rene Toft Hansen, dann würde ich wohl
gleich mehrere Rote Karten wegen Revanche-Fouls bekommen", gestand
Jicha.
Einen kurzen Sprint zur 5:2-Führung des THW (7.), konterten die
Hausherren innerhalb weniger Minuten zum 4:5 (10.). Nur mühsam
konnten die Kieler Vorteile für sich verbuchen. Der Vier-Tore-Vorsprung
zur Pause war zu wenig nach ihrem Geschmack. "In der Pause waren wir
etwas enttäuscht. Wir hätten mehr Tore machen müssen", gestand
Rechtsaußen Niclas Ekberg. Doch die Vokabel
"Aufgeben" findet im Wortschatz des deutschen Rekordmeisters nicht statt.
Nach schwieriger Startphase in die zweite Halbzeit, in der die
Gastgeber wenig Interesse zeigten, den Tempo-Handball des THW
mitzugehen und den Ball quälend lange von links nach rechts und
wieder zurück laufen ließen - selten unterbunden vom Schiedsrichter-Gespann
- kam der THW-Express ins Rollen. Ausgerechnet das 15:19 von
TuS-Rechtsaußen Ramon Tauabo, das die Meisterschaft für den THW in
scheinbar unerreichbare Ferne rücken ließ, war das Startsignal.
Innerhalb von vier Minuten rauschte Kiel auf 24:15 davon,
Gudjon Valur Sigurdsson nutzte in
dieser Phase gleich dreimal technische Fehler der Gastgeber
zum Sturmlauf. In der 48. Minute machte
Christian Sprenger mit dem Treffer
zum 26:16 den Vorsprung erstmals zweistellig. Das nährte die
Hoffnung, die Zebras ließen nun nicht mehr locker. Die Kräfte
der Gastgeber schwanden zusehends und mit dem Schlusspfiff setzte
Sigurdsson den Schlusspunkt zum 35:21.
Ein Sieg, der das Meisterrennen wohl bis zur letzten Minute am
kommenden Sonnabend offen halten wird.
(von Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 19.05.2014)