Der THW Kiel ist mit einem souveränen 37:30 (22:16)-Erfolg
gegen den TuS N-Lübbecke in die Erfolgsspur zurückgekehrt.
Gegen stark dezimierte Gäste, die auf eine komplette
Rückraumreihe verzichten mussten und mit lediglich neun
Feldspielern an die Förde gereist waren, stellten die
Kieler bereits nach elf Minuten die Weichen auf Sieg:
Mit einer 5:0-Serie enteilten sie auf 10:4, und auch wenn
die Ostwestfalen den Rückstand noch einmal verkürzen
konnten, war beim 22:16 zur Pause eine Vorentscheidung
gefallen. Bester Torschütze auf Kieler Seite war
Filip Jicha (8/4), für die
Gäste traf das ehemalige Kurzzeit-"Zebra"
Ales Pajovic sieben Mal.
Fynn Ranke feierte in der Schlussphase
sein Bundesliga-Debüt und erzielte seinen ersten Treffer.
Wegen der angespannten Personalsituation, gleich mehrere
"Zebras" gingen nach dem Derby in Flensburg
angeschlagen in die Partie gegen die Ostwestfalen, hatte
THW-Trainer Alfred Gislason kurzfristig
Kreisläufer Fynn Ranke in den Kader
beordert. Das 20-jährige "Eigengewächs" aus der THW-Nachwuchsabteilung,
der normalerweise für den Zweitligisten TSV Altenholz aufläuft, ist
mit einem Zweitspielrecht für den THW Kiel ausgestattet. In der 55.
Minute durfte Ranke, der beim
Heimsieg gegen US Dunkerque bereits sein
Champions-League-Debüt gefeiert hatte, seine ersten Bundesligasekunden
bestreiten, ehe er sich eine Zwei-Minuten-Strafe einhandelte. Der
gebürtige Kieler krönte aber den Bundesliga-Abend mit seinem ersten
Treffer im Dress der "Zebras" zum 37:29, der von den 10.285 Fans
begeistert gefeiert wurde.
Rasante Anfangsphase
Ales Pajovic war mit sieben Treffern
erfolgreichster Lübbecker.
Zuvor hatten die Fans in der Sparkassen-Arena ein Spiel mit vielen
guten Kieler Phasen erlebt, die immer wieder aber auch kurz von
Perioden mit technischen Fehlern unterbrochen wurden.
Gislason brachte gegen den TuS
Wael Jallouz von Beginn an im Angriff,
auch Filip Jicha konnte eingesetzt
werden. Auf den Außenpositionen durften Dominik Klein
und Christian Sprenger von Beginn an ran.
In der rasanten Anfangsphase blieb den Zuschauern kaum Luft zum
Atmen: Tor auf Tor folgte, als Christian Zeitz
mit einem 108-km/h-Geschoss zum 5:3 den achten Treffer erzielte,
waren noch nicht einmal sechs Minuten gespielt. Die Gäste hielten
zunächst mit und hatten in Pajovic ihren
auffälligsten Akteur. Als dieser nach sieben Minuten eine Zeitstrafe
kassierte und kurz darauf auch Langhans für zwei Minuten auf die
Bank musste, nutzten die Kieler dies zu einem Zwischenspurt - auch,
weil Andreas Palicka im THW-Tor Fahrt aufnahm.
Erst jagte der sichere Klein einen Ball
zum 6:4 ins Netz, dann parierte Palicka
einen Wurf des sich an den Kreis "durchmogelnden" Remer, um dann
Sprenger auf die Reise zu schicken.
Rene Toft Hansen spitzelte kurz darauf
einen gegnerischen Pass in die Arme von Jicha,
der zum 8:4 vollendete. Der Kapitän erzielte dann nach einer weiteren
Palicka-Parade das 9:4, ehe der Kieler
Torwart sich einen Langhans-Wurf schnappte und Klein
mit einem weiten Pass auf die Reise zum 10:4 schickte. Elf Minuten
waren da gespielt - und Gäste-Trainer Dirk Beuchler nahm eine Auszeit.
Klare Halbzeitführung
Diese schien zunächst Wirkung zu zeigen. Denn die Gäste kamen mit
einem 4:1-Lauf - begünstigt durch technische Fehler der "Zebras" -
wieder auf drei Tore heran. Ein Rückstand, der sechs Minuten lang
Bestand hatte - dann zogen die Kieler wieder das Tempo an.
Patrick Wiencek vollendete zum 14:10,
Palicka passte erneut auf den schnellen
Klein, der gekonnt zum 15:10 vollstreckte,
und Zeitz jagte den Ball nach Schneller
Mitte mit 103 km/h in die Maschen. Beuchler legte zum zweiten Mal
die grüne Auszeit-Karte auf den Zeitnehmertisch - dieses Mal
allerdings ohne Wirkung. Erneut Zeitz
und Klein, der einen weiten
Palicka-Pass mit den Fingerspitzen zu
fassen bekam, traf und das Tor auf der HIntertorbande stehend
bejubelte, erhöhten auf 18:11 (23.). Die Sieben-Tore-Führung wuchs
sogar auf neun Treffer an, weil Wiencek
in Unterzahl nach einem Steal zum 21:12 traf. Doch ausgerechnet
eine THW-Auszeit brachte die "Zebras" ein wenig aus dem Tritt: Die
Gäste trafen in den letzten drei Minuten der ersten Hälfte vier Mal
und gingen so "nur" mit einem 16:22-Rückstand in die Kabinen.
Torhüterduell nach dem Seitenwechsel
Aus dieser schienen vor allem die "neuen" Torleute hochmotiviert
zu kommen: Nikola Blazicko und Johan Sjöstrand
wetteiferten in den ersten Minuten des zweiten Durchgangs um den
inoffiziellen Titel "Paradenmeister". Kein Wunder, dass nach
Vujins Doppelpack und
Pajovic' Antwort vier Minuten lang kein
Tor fiel: Auf der einen Seite nagelte Sjöstrand
seinen Kasten zu, auf der anderen vereitelte Blazicko Chancen im
Sekundentakt, bis es Filip Jicha zu bunt
wurde: Der THW-Kapitän stieg hoch und nagelte den Ball zum 26:19
in die Maschen (39.). Doch erneut ließen sich die Gäste nicht endgültig
abschütteln: Nach Langhans' Treffer zum 22:27 nahm Gislason
eine Auszeit. Dieses Mal mit mehr Erfolg: Vujin,
Toft Hansen, Wiencek
und Sprenger machten vier Tore in etwas mehr
als zwei Minuten - die Entscheidung war gefallen (31:22, 45.).
In den Schlussminuten wurde nicht nur Rankes
Debüt, sondern auch der Auftritt von Wael Jallouz
gefeiert. Der Tunesier bekam viel Spielzeit, setzte sich in der Abwehr ein
und erzielte noch zwei hammerharte Tore. Beim 36:28 zeigte
Jallouz einmal mehr, warum auch ihm der
Beiname "Air" stehen würde: Er übersprang einfach den Block und zog
den Ball in den Winkel. Der 37:30-Erfolg war unter Dach und Fach -
und die Kieler konnten die angeschlagenen Spieler vor der wichtigen
Champions-League-Partie am Sonntag gegen Plock ein wenig schonen.
Anwurf gegen den polnischen Vizemeister ist um 14.30 Uhr, noch gibt
es Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen.
Ich bin heute natürlich deutlich zufriedener als zuletzt in Flensburg.
Es war trotzdem ein eigenartiges Spiel, dem TuS fehlte schließlich
eine komplette Rückraum-Reihe aus der ersten Sieben und konnte nicht
viel wechseln. Aber auch bei uns waren Filip
und Aron angeschlagen, weshalb ich
Wael Jallouz eine Chance auf viel
Spielzeit geben wollte und musste. Für ihn war es ein wichtiges Spiel,
in dem er Fehler, aber auch einiges sehr gut gemacht hat. Wichtig war
heute, dass wir die Punkte behalten, gut spielen und im Hinblick auf
die schwere Partie gegen Plock am Sonntag keine weiteren angeschlagenen
Spieler bekommen. Die Partie am Sonntag ist uns sehr wichtig, weil es
um den Gruppensieg geht.
Lübbeckes Trainer Dirk Beuchler:
Der Sieg geht natürlich vollkommen in Ordnung. Wir waren heute nur
Außenseiter. Trotzdem geht ein Kompliment an meine Mannschaft für
dieses muntere Spielchen. Natürlich haben mir die Alternativen im
Angriff gefehlt, deshalb habe ich einiges probiert. Bis auf einige
technische Fehler in der ersten Hälfte hat relativ viel davon
funktioniert. Nikola hat viel gehalten, die 5:1-Deckung hat gut gestanden.
Wenn wir wie heute so auf Kurs bleiben, dann hat uns
die Niederlage in Flensburg nicht
viel gekostet. Aber es ist schwer, unsere Leistung
einzuschätzen, denn Lübbecke ist doch mit erheblichen
Problemen angereist.
Auch ein Spiel gegen solch eine Mannschaft ist nie ein lockerer
Aufgalopp. Angeschlagene Mannschaften rücken immer zusammen.
Deshalb haben wir uns so vorbereitet wie auf das Flensburg-Spiel.
Ich war mega aufgeregt vor meinem ersten Bundesliga-Spiel,
noch mehr als bei der Champions League, denn es waren heute
deutlich mehr Leute in der Halle. Das war ein krasses Gefühl.
Die Zwei-Minuten-Strafe ist ärgerlich, eigentlich war ich an
der Aktion gar nicht beteiligt. Mein Tor entschädigt aber
dafür. Ich bin super glücklich.
Lübbeckes Rückraumspieler Gabor Langhans gegenüber den KN:
Wir wollten den THW mehr ärgern, aber wir hatten Probleme
mit der zweiten Welle. 30 Tore zu werfen ist toll, aber 37
zu kassieren eindeutig zu viel. Wir hoffen, dass wir uns
trotzdem gut präsentiert haben.
Handballmeister fertigte chancenlosen TuS N-Lübbecke mit 37:30 ab - Fynn Ranke traf
Kiel. Drei Tage nach der schmerzhaften
30:34-Niederlage bei der SG Flensburg-Handewitt
legte sich Rekordmeister THW Kiel erste Pflaster auf seine Wunden.
Mit einem mühelosen 37:30 (22:16)-Heimsieg gegen den TuS N-Lübbecke
kehrten die Zebras auf den zweiten Platz der Handball-Bundesliga
zurück.
Die gefährlichste Szene mussten die Hausherren in der elften
Minute überstehen. Sie spielte sich nicht auf dem Parkett ab,
hier lagen die Schützlinge von
Alfred Gislason beruhigend mit 10:4
in Führung. Sie geschah in ihrem Rücken. Erst als
Hein Daddel, der auf der Umrandung
des Feldes balancierte, auf der Höhe von Niclas Ekberg
angekommen war, erkannten die Sitzenden das drohende Unheil.
Das Kostüm des Maskottchens ist aus Stoff, aber - liebe Kinder,
nicht weiterlesen - getragen wird es von einem durchaus
gewichtigen Menschen. Hein Daddel hielt mit
den Zuschauern Händchen. Er wollte nicht umkippen, aber ganz sicher
konnten die Ersatzspieler sich trotzdem nicht sein. Als das Zebra,
auch auf Anraten der Bedrohten, den schmalen Grat schließlich verließ,
atmeten alle auf.
Bis zu dieser elften Minute war von den Gästen weitaus weniger
Gefahr ausgegangen. Ohne die verletzten Jens Schöngarth, Drago
Vukovic und Arne Niemeyer fehlte eine komplette Rückraumreihe.
Dirk Beuchler, der Trainer, musste improvisieren. Auf der Mitte
kam Tim Remer zum Einsatz, der ein Linksaußen ist. Im rechten
Rückraum bot er Gabor Langhans auf, der seine ersten Gehversuche
im Oberhaus machte. "Wenn wir hier mit zehn Toren verlieren, ist
mir das egal", sagte Beuchler. "Mir ist es nur wichtig, dass sich
keiner verletzt." Verschenken wollte er die Punkte sicher nicht,
aber er hatte auch nicht vor, sie um jeden Preis zu gewinnen. So
durfte sich der 21-jährige Torhüter Malte Semisch in der Start-Sieben
versuchen, obwohl Beuchler mit dem Kroaten Nikola Blazicko über einen
absoluten Fachmann verfügt. Die Kieler hatten mit
Filip Jicha begonnen, dessen Knieprobleme
sich als überwindbar erwiesen. Im Tor stand
Andreas Palicka, der Lübbecke-Experte.
Gewinnen die Zebras im Hexenkessel des TuS, dann ist der Grund dafür
nicht selten Palicka gewesen. Es stand
10:4 für die Kieler, als sie sich eine Auszeit gönnten. Nimmt sie
der Trainer, endet sie nach einer Minute. Nimmt sie eine ganze
Mannschaft, kann sie länger dauern - diese währte acht Minuten.
Lübbecke verkürzte auf 12:9, doch auf den Rängen brach keine Panik
aus. Warum auch?
Gislason konnte es sich leisten,
weitgehend auf Aron Palmarsson zu
verzichten, dessen Knieschmerzen nach dem Derby wieder stärker
geworden waren. Nicht beunruhigend, wie Mannschaftsarzt
Dr. Detlev Brandecker befand. "Das
ist bei der hohen Belastung eine normale Entwicklung." Der
Isländer war im Juni am Knie operiert worden, seitdem kämpft er
sich mit kleinen Schritten zurück. Gegen Lübbecke hatten die Ärzte
um ein Schonprogramm gebeten, ein Wunsch, den der Trainer leicht
erfüllen konnte.
Nach dem Seitenwechsel wirkte Palmarsson
ein wenig mit, das in freundschaftlicher Atmosphäre geführte
Punktspiel bot ihm eine gute Gelegenheit, sich für das Heimspiel
in der Champions League am Sonntag gegen Wisla Plock (14.30 Uhr)
aufzuwärmen.
Beuchler brachte nun Blazicko, auf der Mitte übernahm mit Pawel
Niewrzawa einer, der es gewohnt ist, diese Rolle auszuüben.
Vielleicht, so der Eindruck, wollte Beuchler doch nicht mit zehn
Toren verlieren. Um zu einer echten Aufholjagd zu blasen, fehlte
ihm aber das Personal im Rückraum. Einzig der siebenmalige
Torschütze Ales Pajovic wusste hier
zu überzeugen. Zu wenig. Zudem hielt
Johan Sjöstrand, nach der Pause für
Palicka gekommen, ordentlich - der
THW Kiel hielt den Abstand, ohne in einem phasenweise sehr
flauen Spiel in den dritten seiner sechs Gänge schalten zu
müssen. Ein Schmankerl am Ende:
Fynn Ranke, im Alltag beim
Zweitligisten TSV Altenholz beheimatet, warf das letzte Tor.
(von Wolf Paarmann und Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 28.11.2013)