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17.06.2009 DHB-Pokal

Zebra-Journal: Pokal-Halbfinale wurde zum "echten" Finale

Der THW gewinnt zum sechsten Mal und zum dritten Mal in Folge den DHB-Pokal

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 12.06.2009:

Manchmal ist es wie immer: Den ersten Titel der Saison gewann der THW Kiel dort, wo Siege sich besonders schön anfühlen - im Wohnzimmer des HSV Hamburg. Im Finale um den DHB-Pokal ließen die "Zebras" dem VfL Gummersbach keine Chance und gewannen nach dem 30:24 (15:12)-Sieg zum dritten Mal in Folge den Cup.
Verdient hatte der THW sich den sechsten Pokalsieg bereits im dramatischen Halbfinale gegen die Rhein-Neckar Löwen (36:35) tags zuvor.

Die Kieler gefeiert, die enttäuschten Stars des HSV Hamburg im Schatten - das hatte Symbolcharakter für die gesamte Saison. Im Halbfinale hatte das Team von Martin Schwalb eine denkwürdige Lehrstunde erleben müssen. Mit einer beruhigenden 17:13-Führung für die Gastgeber wurden in der mit 13500 Zuschauern ausverkauften Arena die Seiten gewechselt. Alles schien für das große Finale gegen den THW Kiel gerichtet, doch dann geschah Unglaubliches. Mit dem Ex-Kieler Viktor Szilagyi auf der Mitte, einem famosen Nandor Fazekas zwischen den Pfosten und dem jungen Linkshänder Adrian Pfahl im Rückraum holten die Oberbergischen Tor um Tor auf. Die Entscheidung fiel in der Phase zwischen der 47. und der 55. Minute, als die Gummersbacher einen 24:25-Rückstand in eine 30:25-Führung verwandelten. "Wir waren unglaublich motiviert gegen den HSV", meinte Szilagyi nach dem Coup, der dem VfL die direkte Qualifikation für den Europapokal bescherte. Am Abend vor dem Halbfinaltag hatten die Spieler sich beim traditionellen Senatsempfang getroffen und Szilagyi das Gefühl gewonnen, die Hamburger hätten lediglich das Finale im Kopf gehabt. "Die dachten nur an Kiel, uns haben sie völlig vergessen." Fassungslosigkeit dagegen bei den HSV-Stars, die nach dem Aus anschließend 15 Minuten wortlos in der Kabine hockten. "Wir waren dem Druck nicht gewachsen", meinte Weltmeister Johannes Bitter.

Aus für Hamburg und fast hätte den THW Kiel das gleiche Schicksal ereilt. Erst ein unglaublicher Treffer von Filip Jicha bewahrte die "Zebras" im Halbfinale (36:35) gegen die Rhein-Neckar Löwen vor der Verlängerung. "Die Kieler haben gewackelt", wusste "Löwen"-Trainer Wolfgang Schwenke, der seine Mannschaft nach dem späten Ausgleich von Christian Schwarzer bereits in der Verlängerung wähnte. Doch Jicha schnappte sich den Ball und schmetterte ihn aus gefühlten 14 Metern Torentfernung ins Netz. Die Mannheimer, Sekunden zuvor noch in Jubelpose, fielen in sich zusammen, Enttäuschung pur. Dagegen wurde Filip Jicha von seinen Kollegen fast erdrückt. Zehn Minuten vor dem Abpfiff hatten die Kieler noch deutlich geführt (32:28). Auch, weil Christian Zeitz gegen seinen Ex-Klub einen Sahnetag erwischte, neun Tore erzielte und "Löwen"-Abwehrchef Oliver Roggisch bereits die Rote Karte gesehen hatte. Die letzten Minuten standen allerdings im Zeichen eines anderen Linkshänders: Der Pole Mariusz Jurasik traf wie er wollte und hielt seine Farben fast im Alleingang im Spiel. Als Schwarzer zehn Sekunden vor dem Abpfiff den verdienten Ausgleich erzielte, deutete alles auf eine Verlängerung hin. Doch Thierry Omeyer fischte den Ball gedankenschnell aus dem Netz, passte ihn zu Nikola Karabatic und der sah Jicha. Der Rest ist bekannt. "Ich hatte heute Krieger auf dem Feld", lobte Schwenke anschließend seine geknickte Schar. "Moralisch hätten wir den Sieg verdient gehabt."

Den hatten sich aber auch die Kieler mit ihrem unbändigen Willen verdient. Und welche Berge dieser versetzen kann, musste am Finaltag auch der VfL Gummersbach erleben. Nach einem zähen Start (7:7) verloren die Kieler ihre Linie. Sie haderten mit sich und den Gebrüdern Methe, die in der Anfangsphase zweifelhafte Entscheidungen pfiffen. Die Nerven bei den "Zebras" lagen blank, Thierry Omeyer musste nach einer Rangelei mit VfL-Kreisläufer Robert Gunnarsson für zwei Minuten auf die Strafbank. In der aufgeheizten Atmosphäre verlor auch die Kieler Bank den Überblick und verpasste es, einen Feldspieler auf die Bank zu beordern. Ein Wechselfehler, und Kiel musste sich zwei Minuten lang in doppelter Unterzahl wehren. Eine Phase, in der der VfL auf 10:7 davonzog. Alfred Gislason zückte die Grüne Karte und bat seine Mannschaft zur Auszeit. Viel mehr als "wir werden hier verarscht" sagte er nicht. Die Botschaft war klar - bloß nicht die Nerven verlieren.

Nach dieser Pause konzentrierten sich die Kieler wieder auf den Gegner. In den folgenden sieben Minuten warfen sie sieben Tore, der VfL keines. "Wir sind benachteiligt worden", meinte THW-Kapitän Stefan Lövgren. "Das hat uns zusätzliche Energie gegeben." Auch ohne Marcus Ahlm, der mit einer Fingerverletzung ausschied, drehten die "Zebras" nun auf und führten zehn Minuten vor dem Abpfiff mit 27:17. Am Ende gewann Kiel nicht nur den Cup, sondern auch noch zwei der drei weiteren Siegerehrungen: Vid Kavticnik (16 Turniertore/bester Werfer) und Filip Jicha (fester Spieler) wurden gemeinsam mit dem Gummersbacher Nandor Fazekas (bester Torhüter) anschließend ausgezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt war die Siegerehrung schon längst sehr emotional geworden. Die Kieler Fans hatten mit Adrian Wagner und Viktor Szilagyi auch die beiden Ex-Kieler in Reihen des VfL Gummersbach gefeiert. Anschließend ließen sie Alfred Gislason hoch leben. Für den 49-jährigen Isländer war dieses Finale ein besonderes, hatte er doch in der Saison zuvor den VfL trainiert. Kein Wunder, dass die Gummersbacher um ihren Kapitän Momir Ilic darauf bestanden, dem THW auch auf dem Siegerpodest noch einmal zu gratulieren.

So sehr die Kieler in Hamburg für den Titel arbeiten mussten, so leicht war für ihnen der Weg zum Final Four gefallen. Nach einem Freilos zu Beginn - die Bundesligisten steigen erst in Runde zwei in den Wettbewerb ein - siegte der THW bei der Ahlener SG glatt mit 37:26 (21:14). Vor 1600 Zuschauern in der ausverkauften Friedrich-Ebert-Halle hielt der Zweitligist bis zur 40. Minute (22:20 für Kiel) gut mit, doch der neunfache Torschütze Filip Jicha führte die Kollegen schließlich zu einem souveränen Erfolg. In der dritten Runde erwartete den THW eine noch leichtere Aufgabe: Ein Heimspiel gegen den Stralsunder HV. Der Bundesliga-Aufsteiger hatte bei der 25:38 (10:15)-Pleite keine Chance. Ein Garant für den Erfolg war Andreas Palicka, der 14 seiner 20 Paraden vor der Pause zeigte.

Leichtes Spiel auch im Achtelfinale. Wer im DHB-Pokal dem THW als Gast zugelost wird, der kann sich aus dem Wettbewerb verabschieden. Seit November 1990 haben die "Zebras" zu Hause kein Pokalspiel mehr verloren. Daran sollte sich auch gegen FA Göppingen nichts ändern. Die Schwaben waren bei der 23:35 (9:22)-Niederlage chancenlos. Die Gäste mussten zwar auf drei wichtige Rückraumspieler verzichten. Entscheidend war aber, dass neben einer starken Aufstellung auch die richtige Einstellung fehlte. "Wir sind von Anfang an komplett unter die Räder geraten", suchte der Göppinger Michael Schweikardt erst gar nicht nach Ausreden. Kiel weiter, die SG Flensburg-Handewitt nach der Heimniederlage gegen die Rhein-Neckar Löwen ausgeschieden - das Derby gegen den Erzrivalen, sonst ein Klassiker im DHB-Pokal, sollte es diesmal nicht geben. Die letzte Hürde vor der Endrunde war die HSG Wetzlar, die auch in eigener Halle keine Chance hatte. Mit 23:31 (10:18) unterlagen die Hessen auch einer ersatzgeschwächten Kieler Mannschaft, die neben Börge Lund (Achillessehnen-Riss) auch auf Filip Jicha (Grippe) und Vid Kavticnik (Knieprobleme) verzichten musste. Gut, dass Nikola Karabatic nach seiner Verletzungspause wieder an Bord gegangen war. Der Franzose warf acht Tore, sieben davon in der ersten Halbzeit, in der die Kieler bereits die Weichen gestellt hatten. HSV-Idol Uwe Seeler loste das Halbfinale aus und führte einmal mehr in dieser Saison die "Löwen" und die "Zebras" zusammen. Was Seeler nicht wusste: Dieses Spiel sollte das eigentliche Finale werden. Vor drei Jahren war der THW gegen die "Löwen", die damals noch unter ihrem Mädchennamen "SG Kronau-Östringen" antraten, ausgeschieden. Diesmal hatten die Kieler das bessere Ende für sich.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 12.06.2009)


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